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Popkultur

Zeitsprung: Am 14.8.1992 fordern Motörhead: „March Ör Die“!

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 14.8.1992.

von Christof Leim

March Ör Die (nur stilecht mit den Punkten über dem „O“!) könnte eigentlich auf dem grandiosen 1916 aus dem Vorjahr aufbauen, mit dem die Krachpiraten um Lemmy Kilmister sogar eine Grammy-Nominierung abgesahnt hatten. Doch es läuft nicht so rund mit der zehnten Motörhead-Platte: Ein Mitstreiter muss gehen, die Songs zünden nicht, wie sie sollen, und bei den Aufnahmen steht die Stadt in Flammen. Am 14. August 1992 erscheint die Platte.

Hier könnt ihr euch das Album anhören:

Auf 1916 hatte der schon für Rock’n’Roll (1987) zurückgekehrte Urschlagzeuger Philty gespielt, doch noch während der Aufnahmen zu March Ör Die fliegt er wieder raus. Diese Entscheidung fällt seinen Kollegen nicht einfach, doch sowohl Lemmy als auch Gitarrist Phil Campbell geben später zu Protokoll, dass Taylors Schlagzeugspiel zusehends schlechter wurde und er selbst damit nicht mal ein Problem hatte. Somit markiert das das Stück Ain’t No Nice Guy Philthys finalen Studiobeitrag zur Motörhead-Geschichte.

5 Wahrheiten über Motörhead

Für ihn springt zunächst Trommelveteran Tommy Aldridge ein, den wir von Whitesnake und Ozzys Band kennen. Mit ihm nehmen Motörhead das Gros des Materials auf, doch es steht von vorne herein fest, dass er kein festes Mitglied werden wird. Deshalb erinnert sich Lemmy an den Drummer von King Diamond, einen griechisch-stämmigen Schweden namens Mikkey Dee. Den hatte der Boss schon früher mal gefragt, aber eine Absage bekommen. Jetzt hat Dee Zeit, spielt vor – und überzeugt. „Er klang sofort sehr gut“, kommentiert Meister Kilmister später. „Es war klar, dass das funktionieren würde.“ Der Neue trommelt noch eben den Song Hellraiser und die B-Seite Hell On Earth ein (beide Nummern erscheinen auf dem Filmsoundtrack zu Hellraiser III). Damit steht das letzte Vierer-Line-up von Motörhead aus Lemmy, den beiden Gitarristen Phil Campbell und Michael „Würzel“ Burston sowie Mikkey Dee. Lange halten sollte das auch nicht, aber das ist mal wieder eine andere Geschichte. 

Das neue Vierer-Line-up: Campbell, Kilmister, Dee, Burston (v.l.)

Während der Aufnahmen in Los Angeles Ende April brechen die so genannten „Rodney King Riots“ aus und versetzen die Stadt in einen Ausnahmezustand. Lemmy erzählt später: „In der Lounge des Studios habe ich im Fernsehen ein brennendes Haus gesehen. Als ich aus dem Fenster geguckt habe, war da die Rückseite des gleichen Hauses. Der Stadtteil sah aus wie ein Kriegsgebiet: Alles war dunkel, man konnte nur die Flammen sehen.“

Für Ozzys No More Tears (1991) hatte Lemmy vier Texte beigesteuert (und damit nach eigenen Aussagen mehr Geld verdient als in 15 Jahren Motörhead). Auf March Ör Die singen die beiden alten Kumpels dann ein Duett – bei einer Ballade: I Ain’t No Nice Guy basiert auf Akustikgitarre und Piano, das Gitarrensolo spielt Slash. Weil alle Beteiligten sich gerade großer Popularität erfreuen und der Song auch was kann, stehen alle Zeichen auf Sturm bzw. „Radioerfolg“, doch es kommt mal wieder anders.

Vielen Songs auf March Ör Die fehlt Biss

Die Plattenfirma WTG verweigert die Unterstützung, angeblich weil der Mutterkonzern Epic/Sony sein Tochterunternehmen (bei dem Motörhead unter Vertrag stehen) an die Wand fährt und von der Steuer absetzen will (sagt zumindest Lemmy). Die 8000 US-Dollar für das Musikvideo bezahlt die Band selber, Ozzy und Slash kommen ohne Honorar vorbei. MTV und die immens wichtige Sendung Headbanger’s Ball spielen den Clip zwar, aber erst mit mehrwöchiger Verspätung, weil das Label die nötigen Freigaben nicht erteilt. Kein Wunder also, dass die Zusammenarbeit mit dieser Platte endet (und Motörhead sich auf eine Plattenfirmen-Odyssee begeben müssen).

Zu den Höhepunkten von March Ör Die gehört eine Neuaufnahmen von Hellraiser, das Ozzy bereits auf No More Tears veröffentlicht hatte. Natürlich klingt das Ganze bei Motörhead ein bisschen dreckiger. Ansonsten fehlt etlichen Songs der Platte in Rückschau doch ein wenig Biss: Die meisten Nummern stampfen in mittlerem Tempo dahin, und nur wenige schaffen es später in Motörhead-Setlisten. Auch ein Cover des Klassikers Cat Scratch Fever gerät nicht so cool wie man erwarten könnte (das kriegen Pantera auf dem Detroit Rock City-Soundtrack besser hin). 

Insgesamt klingt March Ör Die zwar räudig und natürlich voll nach Motörhead, aber sondersam gebremst. Als Klassiker geht die Scheibe also nicht in die Bandgeschichte ein, bildet aber eine gute Brücke zu Bastards (1993) und Sacrifice (1995). Davon erzählen wir dann ein andermal…

Zeitsprung: Ab 10.3.1979 rattert die Doublebass auf „Overkill“ von Motörhead.

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