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Popkultur

Große Hits und düstere Schatten: Zum 85. Geburtstag von Etta James

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Etta James
Foto: Rico D'Rozario/Redferns/Getty Images

Eine große Karriere mit tiefen Abgründen: Etta James gehörte zu den virtuosesten Sängerinnen der vergangenen Jahrzehnte. Doch ihre übermächtigen Dämonen machten ihr zu schaffen; zwischenzeitlich stand sogar ihre Karriere auf der Kippe. Aufgegeben hat die Rock’n’Roll-Wegbereiterin nie. Ein Rückblick auf ihr bewegtes Leben.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch einige der größten Hits von Etta James anhören:

Sie gilt als eine der besten Stimmen des Blues, prägte den Rock’n’Roll und gehört zu den ersten erfolgreichen Schwarzen Frauen der Musikgeschichte. Im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere kassierte Etta James sechs Grammys, wurde in mehrere „Hall Of Fames“ aufgenommen und ist in mehreren Listen der größten Musiker*innen aller Zeiten zu finden. Sie landete große Hits und stürzte tief in die Dunkelheit. Schon in ihren Zwanzigern griff die Sängerin regelmäßig zum Heroin und geriet auf die schiefe Bahn. Heute ist das alles vergessen. Das Team der „Rock And Roll Hall Of Fame“ bezeichnete sie als „eine der größten Stimmen ihres Jahrhunderts“ und als „Matriarchin des Blues“. Doch wer ist die Sängerin, die den Startschuss der modernen Musik mitbekam und wichtigen Einfluss darauf nahm? Unsere heutige Geschichte beginnt in Kalifornien.

Etta James: Ihre von Gewalt überschattete Kindheit

Das Licht der Welt erblickt Jamesetta Hawkins am 25. Januar 1938 in Los Angeles. Ihre Mutter ist damals gerade einmal 14 Jahre alt; die Identität ihres Vaters bleibt unbekannt. Als Kind verbringt Jamesetta viel Zeit allein zu Hause, weshalb sie ihre Mutter später einmal als „Mystery Lady“ bezeichnet. Schnell landet sie bei unterschiedlichen Pflegeeltern, darunter auch „Sarge“ und „Mama“ Lu. Die Zeit ist von Missbrauch geprägt, ob durch „Sarge“, der sie nach durchzechten Pokernächten weckt und verprügelt, damit sie für seine Freunde singt, oder durch James Earle Hines, den Leiter des hiesigen Kirchenchors, der James’ in die Brust schlägt, damit sie mehr aus ihrer Stimme herausholt. Die Erlebnisse sorgen dafür, dass James ihr Leben lang nicht gerne auf Abruf singt. Dennoch entwickelt sie sich zu einer der größten Stimmen des Blues.

Schon als Kind steht James mehrfach auf der Bühne. Später gründet sie ihre eigene Gesangsgruppe, die Creolettes; mit 14 lernt sie den Musiker Johnny Otis kennen, der die Band unter seine Fittiche nimmt. Auch als Solosängerin unternimmt James die ersten Schritte. Mitte der Fünfziger darf sie Rock’n’Roll-Legende Little Richard mit ihrer Gruppe The Peaches auf einer Konzertreise begleiten. In den Sechzigern nimmt James’ Karriere richtig Fahrt auf: Sie unterschreibt einen Plattenvertrag mit dem legendären Chicagoer Label Chess Records, veröffentlicht ihren bekanntesten Song At Last (im Original von Glenn Miller) und lässt zunehmend Gospel-Elemente in ihre Musik einfließen. Jahrelang feiert James große Erfolge und singt sich in die Herzen von Blues-Hörer*innen auf der ganzen Welt. Doch Mitte der Siebziger setzen ihre Dämonen sie außer Gefecht.

Ein Leben in Abhängigkeit

Unter ihrer Heroinsucht hatte James schon seit Mitte der Sechziger gelitten. Zu jener Zeit lässt sie Schecks platzen, bestiehlt ihren Freundeskreis und landet sogar im Gefängnis. Ab Anfang der Siebziger verschärft sich das Problem immer weiter. James zieht von Entzugsklinik zu Entzugsklinik, wird wiederholt verhaftet — doch ihre Sucht lässt sie nicht los. Noch im Jahr 2010 — also zwei Jahre vor ihrem Tod — ist sie schmerzmittelabhängig. Unglaublich: Trotz ihrer Abhängigkeit gelingt der Sängerin ab Mitte der Achtziger ein Comeback. Sie steht mit den Grateful Dead und John Mayall auf der Bühne, singt bei den olympischen Sommerspielen 1984 und unterschreibt einen neuen Plattenvertrag. Im April 2009 zeigt sie sich mit 71 Jahren zum letzten Mal vor einer Fernsehkamera; im November 2011 veröffentlicht sie mit The Dreamer ihr letztes Studioalbum.

Der Einfluss, den Etta James auf die Musikgeschichte genommen hat, lässt sich kaum überschätzen. Elvis Presley gehörte zu ihren großen Bewunderern, genauso wie Diana Ross, die Rolling Stones und modernere Künstlerinnen wie Amy Winehouse, Christina Aguilera und Adele. Für das Chess-Records-Biopic Cadillac Records schlüpfte sogar die große Beyoncé in die Rolle von Etta James und erwies der Sängerin damit ihren Respekt. Schon seit 2008 soll James an Alzheimer gelitten haben; 2011 erhält sie die Diagnose Leukämie. Am 20. Januar 2012 erliegt sie der Krankheit, fünf Tage vor ihrem 74. Geburtstag. Sie hinterlässt nicht nur ihren jahrzehntelangen Ehemann Artis Mills und ihre beiden Söhne Donto und Sametto, sondern auch jede Menge traurige Musikfans. Etta, wir werden Dich nie vergessen!

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