Popkultur
Ist Rockmusik tot? Nicht wenn ihr richtig hinhört!
Ist Rockmusik tot? Alle Jahre wieder, so scheint es, läuten die großen Musikzeitschriften die Totenglocke für die Rockmusik. “Rock ist tot. Gott sei Dank!” schrillen die Headlines. “Rock’n’Roll ist tot. Diesmal wirklich!” lauten die ewig gleichen Vorhersagen. Und jedes Jahr werden diese Behauptungen mit den gleichen Beispielen belegt, die gar keinen Bezug zu der eigentlichen Frage haben.
von Caren Gibson
Zunächst diskutiert man die alten Helden. Die werden nicht jünger und auch wenn sie aktuell noch respektable Ticketverkäufe vorweisen können, werden sie natürlich irgendwann verschwinden. Danach wendet man sich aktuelleren Acts zu, die ebenfalls ohne große Mühe Hallen füllen. Und trotzdem wird die Frage offen gelassen, ob Bands wie Queens Of The Stone Age, Black Stone Cherry oder Twenty One Pilots je die luftigen Höhen eines Festival Headliners erreichen können.
Neue Helden, große Vorbilder: Hört hier in die Klassiker rein, die unsere neuen Rockstars inspiriert haben:
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Was die “Experten” sagen
Manchmal mischen sich richtige Gelehrte ein. “Branchenexperten” tun ihre Meinung darüber kund, ob Rockmusik tot ist, und versuchen damit, der Unterhaltung mehr Gewicht zu verleihen. Dann klinken sich Musiker ein und erklären, dass Rockbands immer wieder die gleichen, vorhersehbaren Ideen und Riffs hochwürgen, meistens um ihre alten, vorhersehbaren Ideen und Riffs zu promoten; und überhaupt, sind das nicht genau die Leute, die den Kurs ändern und von dem Eisberg wegsteuern könnten, auf den wir uns zubewegen?
Aber 2017 veränderte sich die Musiklandschaft. Eine Studie von Nielsen in den USA kam zu dem Ergebnis, dass Hip-Hop und R&B zum allerersten Mal als meistkonsumierte Genre an der Rockmusik vorbeigezogen waren. Die Studie berücksichtigte Albumverkäufe, Downloads sowie Audio- und Videostreams und in den gesamten Top 10 tauchen nur zwei Künstler auf, die weder aus dem Hip-Hop noch aus dem R&B kommen (nämlich Ed Sheeran und Taylor Swift). Außerdem haben diese Genres einen großen Beitrag zum Aufstieg von On-Demand Streamingdiensten in den USA geleistet.
Absolut nicht selbstzerstörerisch: Metallica waren 2017 die erfolgreichste Rockband. Photo: Ross Halfin
Weiterhin kam der Report zu dem Ergebnis, dass Metallica der erfolgreichste Rockact 2017 waren, was an der 2016 erschienen Sammlung aufpolierter, neu verpackter und erweiterter Reissues, Hardwired… To Self-Destruct, lag, die auch die Thrash-Klassiker Ride The Lightning und Master Of Puppets enthielt. Vielleicht wollten sie mit diesem nochmaligen Verkauf ihres Backkatalogs Kapital aus ihrer Langlebigkeit schlagen, denn natürlich sind es vor allem die Albumverkäufe, die im Rock wirklich etwas bedeuten.
Michael Jackson steht mit rund 66 Millionen verkauften Exemplaren von Thriller immer noch auf Platz 1 der meistverkauften Nicht-Compilation Alben aller Zeiten. Aber es gibt weitere Alben, die immerhin die 40-Millionen-Marke geknackt haben, darunter die Eagles mit ihren Greatest Hits (1971-75) und Hotel California, AC/DCs Back In Black, Pink Floyds The Dark Side Of The Moon, Meat Loafs Bat Out Of Hell und Rumours von Fleetwood Mac. Whitney Houston und die Bee Gees sind die einzigen anderen Künstler, die ein Album mit über 40 Millionen Verkäufen vorweisen können.
Etwas genauer hinschauen
Aber: Jedes einzelne dieser Alben aus dem Rockbereich erschien in den 70ern, sodass sie über 40 Jahre Zeit hatten, diese Zahlen zu erreichen. Und da Verkaufszahlen dieser Art im freien Fall sind und Chartpositionen von Streams und Airplay gestützt werden, sieht die Lage für Rockmusik langsam etwas düster aus. Wenn man allerdings etwas genauer hinschaut, dann rumort es dort und es deutet einiges darauf hin, dass das Herz des alten Köters noch kräftig schlägt.
Nehmen wir zum Beispiel Imagine Dragons: Im August 2018 wurde das Quartett aus Las Vegas zur ersten Band in der Geschichte der Charts, die Platz 1 bis 4 der Billboard Hot Rock Songs Charts besetzten. Und das war kein Ausreißer. Ihre aktuelle Single Natural stieg auf Platz 4 der Charts ein und die drei vorhergehenden Singles Thunder, Whatever It Takes und Believer, die allesamt von ihrem aktuellen Album Evolve stammen, haben jeweils 22, 17 bzw. 29 Wochen auf Platz 1 verbracht.
Ihr Weg zum Erfolg war langsam aber konstant. Gegründet wurde die Band 2008, als Frontmann Dan Reynolds an der Brigham Young University in Utah auf Drummer Andrew Tolman traf. Die Beiden taten sich mit dem Gitarristen Wayne Sermon und dem Bassisten Ben McKee zusammen und veröffentlichten ab 2009 drei EPs. Ab 2011 konnte man den zukünftigen Erfolg schon fast riechen, aber bis zu ihrem Durchbruch dauerte es noch weitere drei Jahre. Erst als die Electro-Rocker 2014 für ihren Hit Radioactive mit dem Grammy für die Beste Rock Performance ausgezeichnet wurden, waren sie in aller Munde und verbrachten unglaubliche 18 Monate in den Billboard Hot 100.
Mittlerweile haben Imagine Dragons drei Alben veröffentlicht und bewegen sich damit irgendwo zwischen Rock, Electropop und R&B. Einige sind nicht der Meinung, dass sie mit ihrem oftmals poppigen Sound wirklich würdige Nachfolger für die großen Rocklegenden sein können. Aber Rock hatte schon immer ein paar Finger auf dem Synthesizer und auch die Tendenz, mit einem radiofreundlicheren Sound zu experimentieren. Denken wir nur an Bon Jovi, die Mitte bis Ende der 80er regelmäßig das obere Ende der Singlecharts angriffen, oder U2, die gerne mal mit einem Synthesizer-lastigen Popsound experimentierten. Man könnte das sogar bis zu den Beatles zurückverfolgen, deren Einflüsse vom Merseybeat-Rock von Love Me Do bis zu dem schrägen I Am The Walrus und dem knallharten Back In The USSR überhaupt keine Grenzen zu kennen schienen.
Ob man den Hybrid-Sound von Imagine Dragons nun als Rock bezeichnen will oder nicht – auf jeden Fall hat er ihnen Arenen auf der ganzen Welt gefüllt. Und auch wenn die Fans in diesen Locations oft eine gewisse Distanz zu den Künstlern bemängeln, ist ihre Musik in der Lage, das Publikum auch hier auf persönlicher Ebene zu erreichen. Vielleicht ist es diese gemeinsame Ebene, die die Rocker aus Nevada zu einer langfristig erfolgreichen Band machen wird. Immerhin sind es üblicherweise die Spätzünder, die am längsten brennen.
Shakedown Special
Wer es etwas rauer mag, für den lassen Tyler Bryant & The Shakedown Erinnerungen an eine Zeit Anfang bis Mitte der 2000er Jahre wach werden, als Garage Rocker wie Black Rebel Motorcycle Club als Retter der Rockmusik gehandelt wurden. Ihre Coolness erinnert an ihre Wahlheimat Nashville, Tennessee, und sowohl ihr Stammbaum als auch ihre bisherige Laufbahn lassen auf eine lange Karriere hoffen.
Schon als er mit sechs Jahren anfing, Gitarre zu spielen und sein Handwerk von dem erfahrenen Bluesveteranen und Mentor Roosevelt Twitty erlernte, wusste Bryant ganz genau, dass er ein Rockstar werden würde. Er war ziemlich frühreif und bald wurde Gitarrenlegende Eric Clapton auf sein außergewöhnliches Talent aufmerksam. 2007 lud er den damals 15-Jährigen ein, bei seinem Crossroads Guitar Festival in Chicago aufzutreten.
Die Band The Shakedown entstand, als Bryant mit 17 aus seiner Heimatstadt Honey Grove, Texas, nach Nashville zog. Es dauerte nicht einmal eine Woche, da hatte der Sänger und Gitarrist schon die Bekanntschaft von Drummer Caleb Crosby gemacht. Die Chemie stimmte und so gründeten sie das Fundament ihrer jetzigen Band. Sie lernten den Gitarristen Graham Whitford – Sohn des Aerosmith-Gitarristen Brad – kennen und überredeten ihn, Boston zu verlassen. Und schließlich stieß noch Bassist Noah Denney dazu.
Mit ihrer aufregenden Mischung aus Southern-, Blues- und Roots-Rock erarbeiten sich Tyler Bryant & The Shakedown ihr Publikum auf traditionelle Art und Weise: durch unermüdliches Touren. Seit ihrem ersten Auftritt als Support von REO Speedwagon in Amarillio ist die Band fast ununterbrochen unterwegs, hat die Bühne mit Acts wie AC/DC, Aerosmith, BB King, Jeff Beck und ZZ Top geteilt und einige ausgewählte Termine auf Guns N’ Roses’ Not In This Lifetime…-Tour gespielt. Diese Band stellt sich selbst in eine Reihe mit den Großen der Hardrock-Welt und sie ist absolut in der Lage, mit ihnen mitzuhalten.
Bands wie Tyler Bryant & The Shakedown passen gut in eine bestimmte Schublade, aber es gibt auch solche, die man fast als Anomalie bezeichnen möchte. Eine davon ist Broken Witt Rebels. Wenn man in das selbstbenannte Debütalbum reinhört, denkt man sofort an Cowboyhüte und Stiefel. Aber der Opener Loose Change wäre der perfekte Soundtrack für eine abgerockte Bar in Nashville, wohingegen der sanfte Southern Groove von Shake Me Down eher auf eine Herkunft aus Georgia oder Mississippi schließen lässt.
Das gleiche gilt für die Texte. Snake Eyes zum Beispiel: “Here in the south/Where the river runs dry/I’m gonna hang from the noose, baby/If you tell me no lie”. Diese Bluesrocker können nur von einem Ort kommen, oder? Dann dürfte es die Leute überraschen zu hören, dass Frontmann Danny Core ein Maler und Tapezierer aus Birmingham in England ist.
Broken Witt Rebels wurden 2013 gegründet und bezeichnen sich selbst als Brüder. Core und Bassist Luke Davis waren schon vor der Grundschule befreundet und gründeten die Band, als sie beide als Maler arbeiteten. Aber neben dem Southern Rock’n’Roll-Vibe brachte Gitarrist James Tranter Blues- und Hardrockeinflüsse und, dank seiner Leidenschaft für Jimi Hendrix, Jimmy Page, Eric Clapton und Oasis, die der Grund für sein Musikstudium und seinen erstklassigen Abschluss waren, auch ein Ohr für Pop.
Aber an diesen Rockern aus den englischen Midlands ist noch viel mehr dran als nur ihr Sound. Ihre Musik hat erstaunlich viel Soul und das bekommen einfache Nachahmer so garantiert nicht hin. Soul lernt man nicht aus einem Notenbuch, der kommt aus dem Herzen. Was außerdem aus dem tiefsten Inneren kommt, ist ihre Hartnäckigkeit und ihr Wille, groß rauszukommen. Sie haben sogar ihre Jobs hingeschmissen, um ausgiebig auf Tour zu gehen, denn nur so können sie ihren Namen und ihre Musik verbreiten.
Aber wie gut sind sie den nun? Wenn man der Band Glauben schenkt, sind sie fantastisch. Und sie sagen das ohne jede Arroganz. Die Behauptung kommt von einer Band, die weiß, dass sie etwas zu bieten hat und die selbstbewusst genug ist, um hart dafür zu arbeiten und sich auf endlosen Tourneen zu beweisen: zumindest wenn sie nicht gerade ihrem Produktionseifer nachgehen. Nichtmal ein Jahr nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums hat die Band die Aufnahmen zum Nachfolger abgeschlossen. Vielleicht gibt es eine leichte Diskrepanz zwischen ihrem ‘Jungs auf Tour’-Look und ihrer Musik, aber eigentlich bedeutet es doch nur, dass die genau von da kommt, wo sie herkommen soll, nämlich aus dem Herzen. Und mit einem Riecher für den Mainstream, der an Kings of Leon erinnert, warum sollen sie da nicht ähnlich erfolgreich werden?
Für den Erfolg geboren
Wenn ein Gespür für kommerzielle Musik ein Faktor für Erfolg ist, dann haben einige ein angeborenes Talent für Songwriting. Ein Beispiel ist der in Nashville geborene Jaren Johnston, der, wenn er nicht gerade Hits für Countrystars wie Keith Urban, Tim McGraw und Jake Owen schreibt, als Frontmann von The Cadillac Three in Erscheung tritt. Als Sohn eines Musikers – Jerry Ray Johnston, Drummer der 80s Countryband Bandana – war er vielleicht dafür geboren.
Johnstons eigene Karriere begann mit der Band American Bang. Sie waren bei Warner unter Vertrag und mit ihren zwei Studioalben und der Single Wild And Young relativ erfolgreich, schnupperten sogar an den Charts. Nach ihrer Auflösung, gründete Johnston mit seinen Highschool-Freunden und ebenfalls Ex-American Bang-Mitgliedern Kelby Ray und Neil Mason die Vorstufe der Cadillac Three. Und mit zwei gefragten Songwritern in ihrer Mitte – Masons Auftragsbuch enthält Namen wie Jake Owen, Kelly Clarkson und Rascal Flatts – gibt es an neuen Songs keinen Mangel.
Für The Cadillac Three passte Country und Southern Rock perfekt zusammen und das Ergebnis ist so stark wie die “Whiskey-auf-der-Veranda”-Atmosphäre, die auch die Geschichten ihrer Songs prägt. Sie weichen kaum von der Heiligen Dreifaltigkeit des Southern Rock ab (also Whiskey, Frauen und das Leben in den Südstaaten), aber es fühlt sich an, wie wenn man eine alte Jeans anzieht: Es ist ein Basic, das es schon seit Jahrzehnten gibt, das aber einfach extrem bequem ist.
Wie eine moderne Version von Lynyrd Skynyrd oder den Allman Brothers Band für das 21. Jahrhundert macht es den Cadillac Three überhaupt nichts aus, einen Gig nach dem anderen zu spielen und dabei vor und zurück über den Atlantik zu fliegen. 2015 hatten sie am Freitag eine Show in den Staaten und flogen dann nach England zum Download Festival, wo sie am Samstag auftraten. Kaum war der letzte Akkord verklungen, waren sie schon auf dem Rückweg in die USA, wo sie am Sonntag bei einem weiteren Festival gebucht waren.
Sie erfinden den Rock’n’Roll nicht neu, aber da er ja nicht kaputt ist, warum sollte man ihn reparieren? Kelby Ray meint, dass es vor allem die Ehrlichkeit in ihrer Musik ist, die die Leute begeistert und mit der sie eine Beziehung zu den Fans aufbauen. Sie tragen ihr Herz auf der Zunge und schließlich geht es doch beim Rock’n’Roll vor allem um den Spaß.
Mit ihrem aktuellen Album Legacy, das legt der Titel schon nahe, wollen sie ihre Musik aus einer anderen Richtung angehen, nämlich mit der Frage, was sie hinterlassen werden und wofür man sich an sie erinnern wird. Und da sie zwei sehr erfolgreiche Songwriter haben, können sich The Cadillac Three die Rosinen aus ihrem Katalog herauspicken. Eigentlich sollte der Titel verschiedenen Künstlern wie Tim McGraw, Faith Hill oder Eric Church angeboten werden. Aber dann hörte Mason ihn und meinte, dass sie selbst damit arbeiten sollten. Es fühlte sich einfach richtig an. The Cadillac Three können offenbar Hits auf Knopfdruck liefern. Dem Fortgang ihrer Karriere ist folglich nach oben keine Grenzen gesetzt.
Aber wo Whiskey und sorgloser Southern Rock Hand in Hand gehen, wird es für einige gefährlich. Nach dem Tod eines früheren Bandkollegen, der Probleme mit Alkohol hatte, dachte Rich Moss, seine Musikkarriere wäre vorbei. Aber wenn man einmal Rock’n’Roll-Blut geleckt hat, kommt man da schwer wieder von los. Nach vier Jahren Pause gründete Moss 2012 die Band Stone Broken.
Foto: Paul Harries
Der erste Song, den er mit seinen Bandkollegen, dem Gitarristen Chris Davis, Bassist Kieron Conroy und Drummer Robyn Haycock, schrieb, hieß This Life und er wurde quasi ihr Erfolgsrezept für die Zukunft. “Es geht darum, sich das rauszusuchen, was man gut kann und es zu nutzen, denn man hat nur ein Leben, nur einen Versuch”, sagt Moss. “Als wir die Band gründeten, waren wir viel reifer und wussten, wie der Hase läuft in dieser Branche. Darum waren wir uns einig, dass wir keine halben Sachen machen wollten.”
Nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums All In Time konnten die Rocksender den hymnischen Hardrock mit den stadiontauglichen Riffs und Refrains gar nicht schnell genug auf ihre Playlisten setzen. The Cadillac Three hatten immer Schwierigkeiten, ins Radio zu kommen, aber Stone Broken haben offenbar einen Sound, der einen Nerv trifft. Es ist derselbe Weg, den Def Leppard in den 80ern mit Pyromania und Hysteria gegangen sind. Und nun, etwas über 35 Jahre später, flirtet wieder eine neue britische Hardrockband mit dem Mainstream.
Ihr zweites Album Ain’t Always Easy ist voller gewaltiger Riffs und Refrains. Stone Broken sind selbstbewusst und haben keinen Zweifel an den Zielen, die sie sich gesteckt haben: Sie wollen in Arenen spielen – genau wie die Bands, die sie inspiriert haben, so wie Black Stone Cherry und Alter Bridge. Und mit Songs wie Worth Fighting For, Let Me See It All und I Believe scheint sich die Band fast selbst anzutreiben und zu motivieren. Melodien und Riffs, mit denen man Stadien füllen kann, haben sie schon. Das ist die halbe Miete.
Nach Legendenstatus streben
Einige Bands orientieren sich an anderen aktuellen Künstlern, um sich zu positionieren. Andere greifen direkt nach den Sternen und streben nach Legendenstatus. Greta Van Fleet müssen ihren Weg in den Mainstream zwar noch finden, aber wenn man sieht, was für eine Welle sie gerade machen, kann es nicht mehr lange dauern.
Gegründet wurde die Band 2012 von drei Brüdern: den Zwillingen Josh und Jake Kiszka (Gesang und Gitarre) und dem Bassisten Sam Kiszka. Im folgenden Jahr stieß ihr langjähriger Freund und Drummer Danny Wagner dazu. Ein früher Track der Hardrocker aus Michigan wurde in einer Chevy-Werbung in der Region eingesetzt, aber auf mehr Aufmerksamkeit musste die Band bis 2017 warten. Der Stein geriet erst ins Rollen, als ihr Track Highway Tune im Januar 2016 in der US-Version der Comedy/Drama-Serie Shameless eingesetzt wurde. Ein Jahr später wurde der Song veröffentlicht und iTunes und Apple Music machten Greta Van Fleet zum Künstler der Woche. Damit öffneten sich die Schleusen im wahrsten Sinne des Wortes. Ende des Jahres heimsten sie schon Awards ein und eröffneten einen Abend für die Rocklegende Bob Seger. Und natürlich war ihre erste Tour innerhalb von fünf Minuten komplett ausverkauft.
Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Sänger Josh klingt verdammt nach Robert Plant. Die Ähnlichkeit hat der Led Zeppelin-Sänger selbst schon anerkannt. Andererseits haben schon viele versucht, dem legendären Frontmann nahezukommen, und auf ganzer Linie versagt. Bei Josh ist das einfach das, was aus seinem Mund kommt, wenn er singt. Und auch wenn das junge Quartett nicht leugnet, dass sie die britischen Rockikonen mögen, legen sie doch großen Wert darauf, dass ihre Einflüsse sehr viel vielseitiger sind.
Die Mitglieder von Greta Van Fleet wuchsen mit alten Vinyls auf und da überrascht es nicht, dass ihr Sound viele Einflüsse aus den 60er und 70er Jahren aufweist und dass es sich dabei fast ausschließlich um Rock- und Blues-Acts handelt. Aber obwohl ihre wichtigsten Inspirationsquellen z. B. The Who, Cream, Jimi Hendrix, Black Sabbath, Deep Purple, Janis Joplin, John Lee Hooker und Muddy Waters heißen, hatten sie nie vor, eine Rock’n’Roll-Band zu werden. Aber sie spielen mit dem Herzen, nicht dem Kopf, und so entsteht aus dem Chemie zwischen den vier Musikern unweigerlich Rock’n’Roll.
Greta Van Fleet haben noch nicht einmal ihr Debütalbum veröffentlicht (bisher gibt es nur die Doppel-EP From The Fires), trotzdem legen sie für sich selbst einen hohen Maßstab an. Einige Bands sind dafür berühmt, unvergessliche Debütalben veröffentlicht zu haben – Greta Van Fleet denken da insbesondere an Van Halen, The Black Crowes und Led Zeppelin. Das möchte die junge Band ebenfalls erreichen und unbedingt ein Debütalbum produzieren, über das man noch lange reden wird.
Ohne viel künstliches Tamtam erregt diese kleine Band aus der Kleinstadt Frankenmuth in Michigan gerade viel Aufmerksamkeit in der Rockwelt. Im September 2017 traten Greta Van Fleet zum ersten Mal in Großbritannien, im winzigen, in einer dunklen Seitengasse in Camden versteckten Black Heart Pub auf. Und jetzt hat die junge Rockband über einen Monat vor Erscheinen ihres Debütalbums Anthem Of The Peaceful Army einfach mal zwei Abende im Kentish Town Forum im April 2019 ausverkauft, und die anderen Daten sind nicht weit davon entfernt.
Das vielleicht Beeindruckendste an Greta Van Fleet ist allerdings, dass sie erst 19 (Sam und Danny) und 22 (die Zwillinge) Jahre alt sind. Alter ist natürlich kein Hindernis, aber es bedeutet, dass sie noch wachsen werden und man unmöglich vorhersehen kann, was sie mit mehr Zeit und Erfahrung alles erreichen können. Könnten sie die Retter der Rockmusik sein, die Medien und Festivalveranstalter so verzweifelt suchen? Auf jeden Fall wird es in Großbritannien bald sehr viel mehr Menschen geben, die die Band live sehen, als die 100, die das bisher von sich behaupten können.
Ist Rockmusik tot?… Passt auf!
Mit ständig sinkenden Albumverkäufen in den letzten Jahren mag Michael Jackson für alle Ewigkeit auf Platz 1 der bestverkauften Alben aller Zeiten sitzen. Und Hip-Hop und R&B können gerne im Bereich Streaming und Radio glänzen. Im Livebereich hält die Rockmusik immer noch das Zepter in der Hand. 2017 verdienten Guns N’ Roses mit ihrer Not In This Lifetime…-Tour fast eine halbe Milliarde Dollar. Das ist die vierterfolgreichste Tour aller Zeiten nach den Rockgiganten Coldplay, The Rolling Stones und U2.
Unterm Strich ist die Rockmusik der größte Überlebenskünstler der Musikwelt und hat dem Auf und Ab wechselnder Trends für über sieben Jahrzehnte widerstanden. Legenden werden nicht über Nacht geboren und auch wenn man sich das heute schwer vorstellen kann: Es gab eine Zeit vor Led Zeppelin, The Who, The Beatles, The Rolling Stones, Black Sabbath, usw. Sie alle waren mal unbekannte Bands und nur mit der Zeit und dank ihrer Langlebigkeit können sie über soviele Jahre begeistern. Rockmusik überlebt alle kulturellen Trends und genau um dagegen zu rebellieren gibt es alle der genannten Bands. Wird eine von ihnen 2028 als Headliner bei den großen Festivals auftreten? Wenn wir eine Zeitmaschine hätten, könnten wir es herausfinden.
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Popkultur
Interview mit Mike Rutherford: „Die letzte Genesis-Show war bizarr“
Kaum hat er die eine Band zu Grabe getragen, führt er die nächste spazieren: Im Interview vor der anstehenden Deutschlandtour von Mike And The Mechanics spricht Mike Rutherford über das Touren, seine zweite Heimat Kapstadt und die allerletzte Show von Genesis.
von Björn Springorum
Ab dem 31. Mai 2023 gastiert Mike Rutherford mit seinen Mechanics in Deutschland. Für die Konzerte verspricht er alle Hits von Mike And The Mechanics und einen „Tropfen“ Genesis. Sechs Auftritte sind in Deutschland geplant – natürlich auch in seiner deutschen Lieblingsstadt Berlin.
„Ich wollte das Gefühl eines Neuanfangs, ohne das Alte aufgeben zu müssen.“
Mike, du hast Mike And The Mechanics 1984 gegründet, als Genesis eine Pause einlegten. Die Jahre davor waren ja ein einziger Wirbelwind, wäre da nicht ein längerer Urlaub auch eine gute Idee gewesen?
Aus heutiger Sicht ist das eine wirklich gute Frage. Ja, ich glaube, das wäre eine wirklich gute Option gewesen. (lacht) Genesis sind aber eben anders als andere Bands. Früher oder später starten andere Musiker ihre Soloprojekte und distanzieren sich von ihrer Hauptband. Bei uns war das anders. Wir liebten es, zusammen zu spielen. Unser Geheimnis war wohl immer die Vielfalt: Wir hatten Genesis, und wenn es bei Genesis mal etwas ruhiger wurde, hatten wir alle unsere anderen Spielplätze, auf denen wir uns eine Weile verlustieren konnten. Irgendwann kamen wir wieder mit frischen Ideen zu Genesis zurück und freuten uns darauf, weiterzumachen. Das sorgte dafür, dass wir uns und unsere Band noch mehr zu schätzen wussten.
Du hast ja schon vor Mike And The Mechanics Soloplatten veröffentlicht. Wieso brauchtest du eigentlich noch eine weitere Band?
Es ging mir nicht zwangsläufig darum, etwas ganz anderes zu machen. Es ging mir auch nicht darum, Dinge zu verwirklichen, die vielleicht keinen Platz bei Genesis gefunden hätten; es ging mir einfach darum, auch mit anderen Menschen Musik zu machen. Ich wollte das Gefühl eines Neuanfangs ohne das Alte aufgeben zu müssen. Klingt verwöhnt, ich weiß.
„Ich glaube weiterhin an das Albumformat.“
Die letzte Mechanics-Platte Out Of The Blue ist über vier Jahre alt. Ist das was Neues in Planung? Oder glaubst du etwa nicht mehr an das Albumformat?
Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mehr so genau, was ich von all diesen Entwicklungen halten soll. Ich glaube aber weiterhin an das Albumformat und halte nichts davon, einfach nur einzelne Songs zu veröffentlichen. Aber ich bin eben ein Dinosaurier, ich komme aus einer Zeit, in der das Albumformat große Relevanz hatte, in der man sich eine absurd lange Zeit mit der richtigen Reihenfolge der einzelnen Songs befasste. Das kriegt man nicht mehr raus aus mir. Auf einem Album zählt jeder Song, alles muss an seinem Platz sein. Das gefällt mir. Die letzte Platte ist wirklich schon eine Weile her, aber es war ja erst Corona und dann die Genesis-Tour. Wird wohl mal wieder Zeit, was?
Wie funktionieren Mike And The Mechanics? Wie planst du neue Platten oder Tourneen?
Früher haben Genesis natürlich in gewisser Weise das Tempo von Mike And The Mechanics vorgegeben. Seither haben wir natürlich mehr Freiheiten und können agieren, wie wir es möchten. Natürlich gibt es uns auch schon seit 1984, also bald 40 Jahre, und es gab auch in unserer Karriere große Einschnitte: Der Tod von Paul Young oder der Ausstieg von Paul Carrack etwa. Doch Mike And The Mechanics blieben davon unberührt immer Mike And The Mechanics. Wenn ich etwas schreibe, das nach dieser Band klingt, dann kommt auch der Name dieser Band darauf. So einfach ist das.
Du bist gerade auf deiner ersten Mechanics-Tour seit 2019. Seither hat sich die Welt des Tourens radikal verändert. Wie ist es, wieder unterwegs zu sein?
Es ist schon richtig, seither ist eine Menge passiert. Nichts ist mehr so wie es war, habe ich manchmal den Eindruck. Natürlich freue ich mich unheimlich, wieder auf der Bühne zu stehen, aber ein wenig Unsicherheit bleibt nach all dem, was passiert ist, durchaus zurück. Zum Glück sind die Besucherzahlen soweit sehr in Ordnung. Das ist ja auch nicht mehr garantiert.
Auf der Tour spielst du neben Mechanics-Hits auch Genesis-Klassiker wie Jesus He Knows Me, Invisible Touch oder I Can’t Dance. Fühlt sich das auf der Bühne eigentlich unterschiedlich an?
Natürlich fühlen sich die Mechanics-Songs für uns als Band natürlicher an. Die Genesis-Stücke sind mir aber mindestens ebenso nah und teuer. Die beiden Welten klingen vielleicht ein wenig anders, aber ich spüre da keine großen Unterschiede.
„Wer das in unserem Alter noch macht, sollte es genießen.“
Wie ist das Touren mit Mike And The Mechanics im Vergleich zu Genesis?
Ich habe zwei Persönlichkeiten, wenn ich toure: Mit Genesis zu touren ist die wohl wundervollste Art und Weise, die Welt zu bereisen: Privatjet, Limousinen, die schönsten Hotels, das feinste Essen, reichlich Zeit zwischen den Auftritten. Bequemer und schöner geht es nicht. Bei den Mechanics geht es noch ein bisschen handfester zu: Kleinere Hallen, weniger Glamour. Beides macht Spaß, keine Frage, ist aber sehr unterschiedlich. Viele Menschen in meinem Alter beschweren sich über die langen Tourneen, aber zu denen sage ich dann nur: Dann hört doch einfach auf damit! Wer das in unserem Alter noch macht, sollte es genießen. Ich für meinen Teil liebe es. Ich liebe es, die Welt zu sehen, herumzureisen, all die verschiedenen Spezialitäten zu essen…
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Wenn du nicht tourst, so heißt es, teilst du deine Zeit auf England und Südafrika auf…
… das stimmt so nicht ganz. Ich lebe seit 43 Jahren in Loxwood im Süden Englands. Das ist mein Zuhause, meine Heimat. Ich habe zwar ein Haus in Kapstadt, in dem wir regelmäßig sind, aber ich würde Kapstadt nie als Zuhause bezeichnen. Eher als Möglichkeit, dem englischen Wetter zu entkommen, wenn ich es mal nicht mehr aushalte. Aber so oft passiert das nun auch nicht, ich bin schließlich Engländer. Ich war so viel unterwegs, da reicht es mir mittlerweile eigentlich, an einem Ort zu sein. Aber dann und wann ein wenig Urlaub kann ja auch nicht schaden.
Wie kam es zu diesem Haus in Kapstadt?
Meine Großmutter war aus den Niederlanden und hatte Kontakte nach Südafrika. Ich habe dort unten auch Verwandte, hatte sie aber nie besucht. Dann zeichneten wir mit den Mechanics eine Fernsehsendung in Kapstadt auf, das war irgendwann in den Achtzigern. Seither komme ich wieder und genieße es sehr: Keine Zeitverschiebung, das ganze Leben findet draußen statt, überall ist was los.
„Niemand dachte auch nur ansatzweise daran, dass man aus Musik eine Karriere machen konnte.“
Genesis gründeten sich vor 55 Jahren und spielten 2022 ihr letztes Konzert. Hättest du eine lebenslange Karriere wie diese damals überhaupt für möglich gehalten?
Ach was! Niemand dachte auch nur ansatzweise daran, dass man aus Musik eine Karriere machen konnte, noch dazu eine derart lange. Ich meine, die Beatles gab es gerade mal vier, fünf Jahre, als wir Genesis gründeten, und das war für die damalige Zeit schon eine Ewigkeit. (lacht) Wir dachten alle, das hört irgendwann einfach automatisch wieder auf. Hörte es aber nicht.
Gewisse Dinge hören aber eben doch auf: Genesis gibt es ganz offiziell nicht mehr. Wie war die letzte Show?
Nostalgisch natürlich. Zumindest ein wenig. Aber so ist das eben: Dinge enden. Und nach 53 Jahren kann man sich auch damit abfinden. Insbesondere als Band wie Genesis, die so viel getourt ist. Das Schönste war, als wir nach der Show mit Peter Gabriel und unserem alten Tourmanager Richard McPhail in der Garderobe waren. Die Show an sich war bizarr. Alles war okay, bis ich auf die Setlist blickte und sah, dass es nur noch vier Songs waren. Das schwarz auf weiß zu sehen, machte mich durchaus emotional.
Das Ende von Genesis ist aber eben nicht das Ende der Karriere von Mike Rutherford. Du bist 72 – was lässt dich weitermachen?
Der englische Arbeitsethos natürlich. Zudem habe ich einen Job, in dem man auch mal etwas kürzer treten kann, wenn man das denn will.
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Mike Rutherford wird 70: 6 Fakten aus dem Leben der Genesis-Legende
Popkultur
Zeitsprung: Am 31.5.1948 kommt John Bonham von Led Zeppelin zur Welt.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.5.1948.
von Christof Leim
Am 31. Mai würde John Bonham seinen Geburtstag feiern. Doch leider starb der legendäre und ungemein einflussreiche Schlagzeuger von Led Zeppelin 1980 mit nur 32 Jahren. Blicken wir zurück auf ein ziemlich lautes Werk voller Kraft, Finesse und Groove.
Hört hier in die besten Songs von Led Zeppelin rein:
John „Bonzo“ Bonham gehört immer noch zu den ganz Großen: Dekaden nach seinem Tod steht der Drummer von Led Zeppelin regelmäßig an der Spitze diverser Ranglisten. So wählten die Leser des Rolling Stone den Briten gleich mehrfach zum „Besten Drummer aller Zeiten“. Als die Metal-Newsseite Blabbermouth 2008 fragte, welchen verstorbenen musikalischen Star die Fans gerne wieder zum Leben erwecken würden, nannten sie vor allem Bonham, noch vor Freddie Mercury und Elvis Presley. Bonham genießt weiterhin hohes Ansehen wegen seines besonderen Gespürs für den Groove eines Stückes, wegen seines eigenständigen Sounds, seiner Vielseitigkeit und nicht zuletzt wegen seiner Wucht und Geschwindigkeit, wenn es mal ordentlich zur Sache gehen musste.
Telegramm in die Kneipe
Das Gehämmer startet schon früh und ganz klassisch: Der am 31. Mai 1948 geborene John Henry Bonham setzt sich schon mit fünf Jahren vor Töpfe und Kaffeedosen, um seinen Vorbildern Gene Krupa und Buddy Rich nachzueifern. Als Zehnjähriger bekommt er von seiner Mutter eine Snare-Drum, mit 15 schenkt ihm sein Vater ein richtiges Drumkit. Unterricht nimmt John nie, doch er lernt von anderen Schlagzeugern aus seinem Heimatort Redditch in der Nähe von Birmingham. Mit 16 verlässt der Junge die Schule, der Schulleiter notiert: „Er wird entweder Müllmann oder Millionär.“ Von der Tischlerlehre bei seinem Vater hält er nichts, er schließt sich lieber seiner ersten semiprofessionellen Band an: Terry Webb & The Spiders. 1966 stößt er zu der Blues-Combo Crawling King Snakes. Ihr Sänger: Robert Plant. Die beiden starten die Band Of Joy, bis 1968 der erfolgreiche Sessiongitarrist Jimmy Page eine neue Gruppe gründet: Led Zeppelin. Er rekrutiert Plant, der wiederum schlägt seinen trommelnden Kumpel vor. Bonham lässt sich zunächst bitten, schließlich hat er auch Angebote von Joe Cocker und Chris Farlowe in der Tasche. Doch Page und Manager Peter Grant bleiben dran, sie schicken fast 50 Telegramme an Bonhams Stammkneipe. Es ist bezeichnend, dass man den Schlagzeuger anscheinend schon damals am ehesten dort antreffen konnte.
Damit sind Led Zeppelin geboren, eine der größten, wichtigsten, tollsten Bands in der Geschichte des Rock. Bassist John Paul Jones kommentiert später gegenüber dem Bonham-Biografen Chris Welch: „Schon als ich John Bonham das erste Mal spielen gehört habe, war mir klar, dass das großartig werden würde. Er wusste, was er tut, und er hatte einen verdammten Swing. Wir haben von Anfang an hervorragend zusammengepasst.“ 1969 erscheint das Debüt Led Zeppelin, der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. (Das Wichtigste zur Entstehung dieser ersten Platte könnt ihr hier nachlesen.).
Kunstvolles Geknüppel
Mit 21 Jahren gehört Bonzo zu einer der aufregendsten Bands der Welt. An deren Erfolg trägt er einen großen Anteil, denn bei Led Zeppelin liefert das Schlagzeug nicht nur einen netten Beat aus dem Hintergrund, sondern treibt und formt die Songs. Das hört man natürlich insbesondere bei den lauten Stücken, und laut kann er: In seinen Anfängen fliegt Bonzo mehr als einmal aus Clubs raus, weil er schlicht zu viel Lärm macht. Er benutzt die längsten und dicksten Schlagzeugstöcke, die er selbst „Bäume“ nennt, und nicht selten wird er – neben Cozy Powell und Keith Moon – als Inspiration für das kultige Trommelmonster Animal aus der Muppet-Show genannt.
Led Zeppelin 1975 in Chicago. Credits: more19562003
Aber Bonham kann nicht nur „feste“: Seine Fähigkeit zur Dynamik, zum Wechsel zwischen lauten und leisen Passagen, zeichnet Stücke wie No Quarter und das majestätische Stairway To Heaven aus. Zudem musiziert er höchst agil: Bei den ersten Aufnahmen des Songs Communication Breakdown lässt Kapitän Jimmy Page seinen Drummer einmal ein Kit mit zwei Bass-Drums benutzen, doch vergisst diese Idee schnell wieder, weil der Trommler einfach zu viel spielt. Auch Improvisation liegt Bonzo im Blut: Sein Drumsolo Pat’s Delight, aus dem später Moby Dick wird, dauert nicht selten über 20 Minuten.
Man hat es oder auch nicht
Dabei benutzt er sogar seine bloßen Hände, um andere Sounds zu ermöglichen. In späteren Werken wie Royal Orleans und Fool In The Rain lässt er sogar Latin- und Funk-Einflüsse hören. Bonham spielt nicht nur “Bumm-Tschak”, sondern variantenreich und melodisch (ja, das gibt es auch am Schlagzeug). Vor allem aber hat der Mann einen Groove am Leib, dass es nur so eine Art hat. Gemeint ist diese seltene und schwer zu fassende Qualität, einen Rhythmus besonders mitreißend klingen zu lassen. Wir empfehlen als Referenzen an dieser Stelle insbesondere den mächtigen Wumms von When The Levee Breaks, die Schubkraft von Rock’n’Roll sowie die Kopfnickerqualitäten und Experimentierfreudigkeit von Bonzo’s Montreux.
Natürlich zieht großer Erfolg einen gewissen Lebenswandel nach sich: Nicht nur verdienen Led Zeppelin eine gewaltige Menge an Geld und reisen mit einem hochgepimpten Luxusflugzeug durch die Gegend. Sämtliche Versuchungen und Erfrischungen stehen und liegen für die vier Musiker bereit. Bonhams Laster? Er trinkt gerne und viel. Als die vier Mitglieder sich für das Album Led Zeppelin IV (1971) jeweils ein Symbol ausdenken, wählt Bonzo ein Muster aus drei sich überschneidenden Kreisen. Das sieht mystisch aus und verspricht eine versteckte Bedeutung, doch laut Rolling Stone erinnert es vor allem aus wie das Logo einer Biermarke, die unserem Helden schmeckt.
Harley im Hotel
An seinem 25. Geburtstag befindet sich die Band gerade auf Tour in den USA, im Gepäck das brandneue Album Houses Of The Holy. Seine Bandkollegen schenken ihrem Drummer zur Feier des Tages eine brandneue Harley-Davidson. Wie man es halt so macht unter Kumpels auf dem Rockolymp. Bev Bevan, Schlagzeuger bei The Move und ELO, erzählt: „Damit ist er später ein paar Hotelflure rauf und runter gefahren und hat anscheinend eine ziemliche Verwüstung hinterlassen. Aber er ist am nächsten Tag für alle Schäden aufgekommen und hat sogar das Motorrad dagelassen. Unglaublich, aber so war er.“ Daneben liebt John Bonham historische Sportwagen, die er auf seiner Farm namens The Old Hyde in England sammelt. Dort lebt er mit seiner Frau Pat und den Kindern Zoë und Jason.
Doch die Tragödie naht schon: Am 24. September 1980 sammelt ein Assistent der Band, den Schlagzeuger ein, um ihn zu einer Probe für die anstehende Nordamerika-Tour zu bringen. Noch während der Fahrt gelüstet es Bonham nach einer Stärkung zum Frühstück: Bei einem Stopp kippt er vier Screwdriver, also Wodka-Orange, und zwar jeweils in vierfacher Stärke, „doppelte Doppelte“, wenn man so will. Während der Probe trinkt er weiter, weswegen sie manchen Quellen zu Folge auch abgebrochen wird. Die ganze Mannschaft zieht sich in das Haus von Jimmy Page zurück. Dort schläft Bonham nach Mitternacht ein und wird in ein Gästebett gelegt. Als am darauffolgenden Nachmittag Tourmanager Benji LeFevre und Bassist John Paul Jones nach ihm schauen, reagiert er nicht mehr. John Bonham ist tot. Er wurde nur 32 Jahre alt.
Zu viel ist zu viel
Eine Untersuchung ergibt, dass der Drummer innerhalb von 24 Stunden etwa 40 „shots“ Wodka in sich hinein gekippt hat, was etwa 1 bis 1,4 Liter entspricht. Das kann nicht gut gehen: Bonham muss sich während der Nacht erbrechen und erstickt daran. Weitere Drogen werden in seiner Blutbahn nicht nachgewiesen, auch kein Heroin, von dem er erst kurze Zeit vorher losgesagt hatte. Allerdings nahm er das Psychopharmakum Motival, um Anspannung und Angstzustände zu bekämpfen. Ob dieses Mittel mit dem Alkohol interagierte, ist unklar. John Bonham wird eingeäschert und am 12. Oktober 1980 bestattet. Seine Tochter Zoë ist zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt, später wird sie erfolgreiche Sängerin. Sein Sohn Jason war damals 14, er lernt ebenfalls das Schlagzeugspielen und trommelt in der Folge unter anderem bei UFO, Foreigner, Black Country Communion und seiner eigenen Band Bonham. Er trommelt auch beim letzten Reunionkonzert der überlebenden Led Zeppelin-Mitglieder 2007 in London.
Der Schock sitzt tief. Zu wichtig ist Bonzos Einfluss für die Band, als dass sie ihn ersetzen könnte. Am 4. Dezember veröffentlichen Led Zeppelin eine Erklärung: „Wir möchten bekannt geben, dass der Verlust unseres geliebten Freundes und der tiefe Respekt gegenüber seiner Familie in Verbindung mit dem Gefühl von unteilbarer Harmonie uns zu der Entscheidung gebracht haben, nicht weiter zu machen.“
Doch Bonzos Vermächtnis lebt in Tausenden Rocksongs weiter. Dave Grohl von den Foo Fighters formuliert es so: „John Bonham spielte Schlagzeug, als wüsste er nicht, was als nächstes passiert. Als würde er am Rand einer Klippe herumtaumeln. Niemand konnte ihm seitdem das Wasser reichen, und ich glaube, das wird auch nicht passieren. Er wird für immer der beste Drummer aller Zeiten bleiben.“
John Bonhams Grab. Credits: Ebbskihare
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Zeitsprung: Am 25.10.1968 heißen Led Zeppelin zum ersten Mal Led Zeppelin.
Popkultur
Marie Fredriksson wäre 65 geworden: Die Roxette-Sängerin im Porträt
Sie sind der zweitgrößte schwedische Pop-Export, gleich hinter ABBA. Mehr als 30 Millionen Platten haben Roxette im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere verkauft. Eins der beiden Gesichter der Gruppe: die viel zu früh verstorbene Frontfrau Marie Fredriksson. Sie wurde nur 61 Jahre alt. Das ist ihre Geschichte.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch einige der größten Hits von Roxette anhören:
Zur Welt kommt Gun-Marie Fredriksson am 30. Mai 1958 in der Nähe des schwedischen 200-Seelen-Dorfes Össjö. Als sie vier Jahre alt ist, verkaufen ihre Eltern den Bauernhof der Familie und ziehen in das geringfügig größere Östra Ljungby um. Weitere drei Jahre später stirbt Maries älteste Schwester Anna-Lisa bei einem Autounfall; der Schock in der Familie sitzt tief. „Danach war ich auf mich allein gestellt“, verrät Marie in einem Interview. „Ich war erst sieben Jahre alt.“
Maries Eltern arbeiten Vollzeit, können sich aber keine Kinderbetreuung leisten, weshalb Marie und ihre Geschwister viel Zeit zuhause verbringen. Sie lernen das Notenlesen, singen und üben auf verschiedenen Instrumenten. Dabei spielt auch der Pastor in Östra Ljunby eine zentrale Rolle, der die musikinteressierten Kinder unterstützt. „Ich habe sehr schöne Erinnerungen an Östra Ljungby, sogar nachdem meine große Schwester gestorben war“, erinnert sich Fredriksson. Ihre Musikbegeisterung wird sie nicht mehr verlieren.
Marie Fredrikssons musikalische Anfänge
Als Marie älter wird, entdeckt sie die Beatles, Joni Mitchell und Jimi Hendrix, schreibt sich mit 17 an einer Musikschule ein und komponiert Musik für die Amateurtheaterstücke ihrer Freunde. Das Problem: Keiner aus dem Cast hat einen ähnlichen Stimmumfang wie die junge Musikerin, weshalb sie sich schließlich selbst auf die Bühne stellt. Mit einem Musical, das Fredriksson mitkomponiert hat, tourt die Gruppe durch Schweden — und absolviert sogar einen Auftritt vor dem damaligen Premierminister Olof Palme.
Nach ihrem Abschluss im Jahr 1977 zieht Fredriksson nach Halmstad, wo sie in die Indie-Szene eintaucht und eine Punk-Band gründet — wie man das halt Ende der Siebziger so macht. Die Gruppe heißt Strul und mit ihr feiert Fredriksson ihre erste Erfolge. So spielt sie mit dem Projekt zahlreiche Konzerte und tritt im Fernsehen auf. Zu Beginn der Achtziger ist die Luft raus: Nach einem „desaströsen“ Konzert, das auch noch im schwedischen Radio übertragen wird, lösen sich Strul auf.
Marie Fredrikssons Karriere mit Roxette
Fredrikssons nächstes Projekt heißt MaMas Barn und die Gruppe teilt sich einen Proberaum mit der erfolgreichen schwedischen Gruppe Gyllene Tider. Dort spielt auch ein Herr namens Per Gessle mit — und er soll ein wichtiger Bestandteil von Fredrikssons Leben werden. Zunächst überredet der Gitarrist Fredriksson noch zu einer Solokarriere. Doch 1986 schließen sich die beiden zusammen und gründen eine Band, die Pop-Geschichte schreiben wird: Roxette.
Ob It Must Have Been Love, Listen To Your Heart oder The Look: Im Lauf ihrer jahrzehntelangen Karriere landen Roxette großartige Hits, werden zu Dauergästen in den Charts und feiern auch in Übersee große Erfolge — und das obwohl der amerikanische Ableger der Plattenfirma von Roxette dem schwedischen Duo damals bescheinigt hatte, nicht zum US-Markt zu passen. Sieben Hit-Alben veröffentlichen Roxette von 1986 bis 2001. Doch dann schlägt das Schicksal zu.
Marie Fredrikssons viel zu früher Tod
Als Marie Fredriksson am 11. September 2002 mit ihrem Mann Mikael Bolyos joggen geht, fühlt sie sich plötzlich unwohl. Sie bricht im Badezimmer zusammen, zieht sich dabei eine Schädelfraktur zu und erleidet einen epileptischen Anfall. Nicht „nur“ das: Bei der anschließenden Untersuchung kommt raus, dass sie an einem Hirntumor leidet. Er kann in einer aufwändigen Operation entfernt werden; anstrengende Chemo- und Strahlentherapien sind die Folge. Doch Fredriksson kämpft sich ins Leben zurück.
Gemeinsam mit ihrem Mann nimmt sie neue Musik auf, als eine Art Therapie. Das daraus resultierende Album heißt The Change, erscheint am 20. Oktober 2004 und gerät zu einem vollen Erfolg. „Es waren drei schwere Jahre, aber ich bin gesund“, meldet sich Fredriksson 2005 in einem Interview zurück. Roxette liegen zunächst auf Eis. Das ändert sich im Jahr 2009: Fredriksson und Gessle gehen wieder gemeinsam auf Tour. 2011 erscheint mit Charm School das erste Roxette-Album seit zehn Jahren; drei weitere Folgen.
Im Jahr 2019 wird offensichtlich, dass Fredrikssons Krebserkrankung nicht so besiegt ist wie gedacht. Am 9. Dezember lautet die traurige Nachricht: Marie Fredriksson ist im Alter von gerade einmal 61 Jahren verstorben. Sogar der schwedische König Carl XVI. Gustaf zollt der Sängerin seinen Respekt und sagt: „Für viele Menschen in unserem Land, auch in meiner Familie, ist ihre Musik eng mit Erinnerungen an besonders wichtige Momente im Leben verbunden.“ Sorgen wir dafür, dass die Erinnerung bleibt. Ruhe in Frieden, Marie.
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