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Popkultur

Ist Rockmusik tot? Nicht wenn ihr richtig hinhört!

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Ist Rockmusik tot? Alle Jahre wieder, so scheint es, läuten die großen Musikzeitschriften die Totenglocke für die Rockmusik. “Rock ist tot. Gott sei Dank!” schrillen die Headlines. “Rock’n’Roll ist tot. Diesmal wirklich!” lauten die ewig gleichen Vorhersagen. Und jedes Jahr werden diese Behauptungen mit den gleichen Beispielen belegt, die gar keinen Bezug zu der eigentlichen Frage haben.

von Caren Gibson

Zunächst diskutiert man die alten Helden. Die werden nicht jünger und auch wenn sie aktuell noch respektable Ticketverkäufe vorweisen können, werden sie natürlich irgendwann verschwinden. Danach wendet man sich aktuelleren Acts zu, die ebenfalls ohne große Mühe Hallen füllen. Und trotzdem wird die Frage offen gelassen, ob Bands wie Queens Of The Stone Age, Black Stone Cherry oder Twenty One Pilots je die luftigen Höhen eines Festival Headliners erreichen können.


Neue Helden, große Vorbilder: Hört hier in die Klassiker rein, die unsere neuen Rockstars inspiriert haben:

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Was die “Experten” sagen

Manchmal mischen sich richtige Gelehrte ein. “Branchenexperten” tun ihre Meinung darüber kund, ob Rockmusik tot ist, und versuchen damit, der Unterhaltung mehr Gewicht zu verleihen. Dann klinken sich Musiker ein und erklären, dass Rockbands immer wieder die gleichen, vorhersehbaren Ideen und Riffs hochwürgen, meistens um ihre alten, vorhersehbaren Ideen und Riffs zu promoten; und überhaupt, sind das nicht genau die Leute, die den Kurs ändern und von dem Eisberg wegsteuern könnten, auf den wir uns zubewegen?

Aber 2017 veränderte sich die Musiklandschaft. Eine Studie von Nielsen in den USA kam zu dem Ergebnis, dass Hip-Hop und R&B zum allerersten Mal als meistkonsumierte Genre an der Rockmusik vorbeigezogen waren. Die Studie berücksichtigte Albumverkäufe, Downloads sowie Audio- und Videostreams und in den gesamten Top 10 tauchen nur zwei Künstler auf, die weder aus dem Hip-Hop noch aus dem R&B kommen (nämlich Ed Sheeran und Taylor Swift). Außerdem haben diese Genres einen großen Beitrag zum Aufstieg von On-Demand Streamingdiensten in den USA geleistet.

Absolut nicht selbstzerstörerisch: Metallica waren 2017 die erfolgreichste Rockband. Photo: Ross Halfin

Weiterhin kam der Report zu dem Ergebnis, dass Metallica der erfolgreichste Rockact 2017 waren, was an der 2016 erschienen Sammlung aufpolierter, neu verpackter und erweiterter Reissues, Hardwired… To Self-Destruct, lag, die auch die Thrash-Klassiker Ride The Lightning und Master Of Puppets enthielt. Vielleicht wollten sie mit diesem nochmaligen Verkauf ihres Backkatalogs Kapital aus ihrer Langlebigkeit schlagen, denn natürlich sind es vor allem die Albumverkäufe, die im Rock wirklich etwas bedeuten.

Michael Jackson steht mit rund 66 Millionen verkauften Exemplaren von Thriller immer noch auf Platz 1 der meistverkauften Nicht-Compilation Alben aller Zeiten. Aber es gibt weitere Alben, die immerhin die 40-Millionen-Marke geknackt haben, darunter die Eagles mit ihren Greatest Hits (1971-75) und Hotel California, AC/DCs Back In Black, Pink Floyds The Dark Side Of The Moon, Meat Loafs Bat Out Of Hell und Rumours von Fleetwood Mac. Whitney Houston und die Bee Gees sind die einzigen anderen Künstler, die ein Album mit über 40 Millionen Verkäufen vorweisen können.

Etwas genauer hinschauen

Aber: Jedes einzelne dieser Alben aus dem Rockbereich erschien in den 70ern, sodass sie über 40 Jahre Zeit hatten, diese Zahlen zu erreichen. Und da Verkaufszahlen dieser Art im freien Fall sind und Chartpositionen von Streams und Airplay gestützt werden, sieht die Lage für Rockmusik langsam etwas düster aus. Wenn man allerdings etwas genauer hinschaut, dann rumort es dort und es deutet einiges darauf hin, dass das Herz des alten Köters noch kräftig schlägt.

Nehmen wir zum Beispiel Imagine Dragons: Im August 2018 wurde das Quartett aus Las Vegas zur ersten Band in der Geschichte der Charts, die Platz 1 bis 4 der Billboard Hot Rock Songs Charts besetzten. Und das war kein Ausreißer. Ihre aktuelle Single Natural stieg auf Platz 4 der Charts ein und die drei vorhergehenden Singles Thunder, Whatever It Takes und Believer, die allesamt von ihrem aktuellen Album Evolve stammen, haben jeweils 22, 17 bzw. 29 Wochen auf Platz 1 verbracht.



Ihr Weg zum Erfolg war langsam aber konstant. Gegründet wurde die Band 2008, als Frontmann Dan Reynolds an der Brigham Young University in Utah auf Drummer Andrew Tolman traf. Die Beiden taten sich mit dem Gitarristen Wayne Sermon und dem Bassisten Ben McKee zusammen und veröffentlichten ab 2009 drei EPs. Ab 2011 konnte man den zukünftigen Erfolg schon fast riechen, aber bis zu ihrem Durchbruch dauerte es noch weitere drei Jahre. Erst als die Electro-Rocker 2014 für ihren Hit Radioactive mit dem Grammy für die Beste Rock Performance ausgezeichnet wurden, waren sie in aller Munde und verbrachten unglaubliche 18 Monate in den Billboard Hot 100.

Mittlerweile haben Imagine Dragons drei Alben veröffentlicht und bewegen sich damit irgendwo zwischen Rock, Electropop und R&B. Einige sind nicht der Meinung, dass sie mit ihrem oftmals poppigen Sound wirklich würdige Nachfolger für die großen Rocklegenden sein können. Aber Rock hatte schon immer ein paar Finger auf dem Synthesizer und auch die Tendenz, mit einem radiofreundlicheren Sound zu experimentieren. Denken wir nur an Bon Jovi, die Mitte bis Ende der 80er regelmäßig das obere Ende der Singlecharts angriffen, oder U2, die gerne mal mit einem Synthesizer-lastigen Popsound experimentierten. Man könnte das sogar bis zu den Beatles zurückverfolgen, deren Einflüsse vom Merseybeat-Rock von Love Me Do bis zu dem schrägen I Am The Walrus und dem knallharten Back In The USSR überhaupt keine Grenzen zu kennen schienen.

Ob man den Hybrid-Sound von Imagine Dragons nun als Rock bezeichnen will oder nicht – auf jeden Fall hat er ihnen Arenen auf der ganzen Welt gefüllt. Und auch wenn die Fans in diesen Locations oft eine gewisse Distanz zu den Künstlern bemängeln, ist ihre Musik in der Lage, das Publikum auch hier auf persönlicher Ebene zu erreichen. Vielleicht ist es diese gemeinsame Ebene, die die Rocker aus Nevada zu einer langfristig erfolgreichen Band machen wird. Immerhin sind es üblicherweise die Spätzünder, die am längsten brennen.

Shakedown Special

Wer es etwas rauer mag, für den lassen Tyler Bryant & The Shakedown Erinnerungen an eine Zeit Anfang bis Mitte der 2000er Jahre wach werden, als Garage Rocker wie Black Rebel Motorcycle Club als Retter der Rockmusik gehandelt wurden. Ihre Coolness erinnert an ihre Wahlheimat Nashville, Tennessee, und sowohl ihr Stammbaum als auch ihre bisherige Laufbahn lassen auf eine lange Karriere hoffen.



Schon als er mit sechs Jahren anfing, Gitarre zu spielen und sein Handwerk von dem erfahrenen Bluesveteranen und Mentor Roosevelt Twitty erlernte, wusste Bryant ganz genau, dass er ein Rockstar werden würde. Er war ziemlich frühreif und bald wurde Gitarrenlegende Eric Clapton auf sein außergewöhnliches Talent aufmerksam. 2007 lud er den damals 15-Jährigen ein, bei seinem Crossroads Guitar Festival in Chicago aufzutreten.

Die Band The Shakedown entstand, als Bryant mit 17 aus seiner Heimatstadt Honey Grove, Texas, nach Nashville zog. Es dauerte nicht einmal eine Woche, da hatte der Sänger und Gitarrist schon die Bekanntschaft von Drummer Caleb Crosby gemacht. Die Chemie stimmte und so gründeten sie das Fundament ihrer jetzigen Band. Sie lernten den Gitarristen Graham Whitford – Sohn des Aerosmith-Gitarristen Brad – kennen und überredeten ihn, Boston zu verlassen. Und schließlich stieß noch Bassist Noah Denney dazu.

Mit ihrer aufregenden Mischung aus Southern-, Blues- und Roots-Rock erarbeiten sich Tyler Bryant & The Shakedown ihr Publikum auf traditionelle Art und Weise: durch unermüdliches Touren. Seit ihrem ersten Auftritt als Support von REO Speedwagon in Amarillio ist die Band fast ununterbrochen unterwegs, hat die Bühne mit Acts wie AC/DC, Aerosmith, BB King, Jeff Beck und ZZ Top geteilt und einige ausgewählte Termine auf Guns N’ Roses’ Not In This Lifetime…-Tour gespielt. Diese Band stellt sich selbst in eine Reihe mit den Großen der Hardrock-Welt und sie ist absolut in der Lage, mit ihnen mitzuhalten.

Bands wie Tyler Bryant & The Shakedown passen gut in eine bestimmte Schublade, aber es gibt auch solche, die man fast als Anomalie bezeichnen möchte. Eine davon ist Broken Witt Rebels. Wenn man in das selbstbenannte Debütalbum reinhört, denkt man sofort an Cowboyhüte und Stiefel. Aber der Opener Loose Change wäre der perfekte Soundtrack für eine abgerockte Bar in Nashville, wohingegen der sanfte Southern Groove von Shake Me Down eher auf eine Herkunft aus Georgia oder Mississippi schließen lässt.



Das gleiche gilt für die Texte. Snake Eyes zum Beispiel: “Here in the south/Where the river runs dry/I’m gonna hang from the noose, baby/If you tell me no lie”. Diese Bluesrocker können nur von einem Ort kommen, oder? Dann dürfte es die Leute überraschen zu hören, dass Frontmann Danny Core ein Maler und Tapezierer aus Birmingham in England ist.

Broken Witt Rebels wurden 2013 gegründet und bezeichnen sich selbst als Brüder. Core und Bassist Luke Davis waren schon vor der Grundschule befreundet und gründeten die Band, als sie beide als Maler arbeiteten. Aber neben dem Southern Rock’n’Roll-Vibe brachte Gitarrist James Tranter Blues- und Hardrockeinflüsse und, dank seiner Leidenschaft für Jimi Hendrix, Jimmy Page, Eric Clapton und Oasis, die der Grund für sein Musikstudium und seinen erstklassigen Abschluss waren, auch ein Ohr für Pop.

Aber an diesen Rockern aus den englischen Midlands ist noch viel mehr dran als nur ihr Sound. Ihre Musik hat erstaunlich viel Soul und das bekommen einfache Nachahmer so garantiert nicht hin. Soul lernt man nicht aus einem Notenbuch, der kommt aus dem Herzen. Was außerdem aus dem tiefsten Inneren kommt, ist ihre Hartnäckigkeit und ihr Wille, groß rauszukommen. Sie haben sogar ihre Jobs hingeschmissen, um ausgiebig auf Tour zu gehen, denn nur so können sie ihren Namen und ihre Musik verbreiten.

Aber wie gut sind sie den nun? Wenn man der Band Glauben schenkt, sind sie fantastisch. Und sie sagen das ohne jede Arroganz. Die Behauptung kommt von einer Band, die weiß, dass sie etwas zu bieten hat und die selbstbewusst genug ist, um hart dafür zu arbeiten und sich auf endlosen Tourneen zu beweisen: zumindest wenn sie nicht gerade ihrem Produktionseifer nachgehen. Nichtmal ein Jahr nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums hat die Band die Aufnahmen zum Nachfolger abgeschlossen. Vielleicht gibt es eine leichte Diskrepanz zwischen ihrem ‘Jungs auf Tour’-Look und ihrer Musik, aber eigentlich bedeutet es doch nur, dass die genau von da kommt, wo sie herkommen soll, nämlich aus dem Herzen. Und mit einem Riecher für den Mainstream, der an Kings of Leon erinnert, warum sollen sie da nicht ähnlich erfolgreich werden?

Für den Erfolg geboren

Wenn ein Gespür für kommerzielle Musik ein Faktor für Erfolg ist, dann haben einige ein angeborenes Talent für Songwriting. Ein Beispiel ist der in Nashville geborene Jaren Johnston, der, wenn er nicht gerade Hits für Countrystars wie Keith Urban, Tim McGraw und Jake Owen schreibt, als Frontmann von The Cadillac Three in Erscheung tritt. Als Sohn eines Musikers – Jerry Ray Johnston, Drummer der 80s Countryband Bandana – war er vielleicht dafür geboren.



Johnstons eigene Karriere begann mit der Band American Bang. Sie waren bei Warner unter Vertrag und mit ihren zwei Studioalben und der Single Wild And Young relativ erfolgreich, schnupperten sogar an den Charts. Nach ihrer Auflösung, gründete Johnston mit seinen Highschool-Freunden und ebenfalls Ex-American Bang-Mitgliedern Kelby Ray und Neil Mason die Vorstufe der Cadillac Three. Und mit zwei gefragten Songwritern in ihrer Mitte – Masons Auftragsbuch enthält Namen wie Jake Owen, Kelly Clarkson und Rascal Flatts – gibt es an neuen Songs keinen Mangel.

Für The Cadillac Three passte Country und Southern Rock perfekt zusammen und das Ergebnis ist so stark wie die “Whiskey-auf-der-Veranda”-Atmosphäre, die auch die Geschichten ihrer Songs prägt. Sie weichen kaum von der Heiligen Dreifaltigkeit des Southern Rock ab (also Whiskey, Frauen und das Leben in den Südstaaten), aber es fühlt sich an, wie wenn man eine alte Jeans anzieht: Es ist ein Basic, das es schon seit Jahrzehnten gibt, das aber einfach extrem bequem ist.

Wie eine moderne Version von Lynyrd Skynyrd oder den Allman Brothers Band für das 21. Jahrhundert macht es den Cadillac Three überhaupt nichts aus, einen Gig nach dem anderen zu spielen und dabei vor und zurück über den Atlantik zu fliegen. 2015 hatten sie am Freitag eine Show in den Staaten und flogen dann nach England zum Download Festival, wo sie am Samstag auftraten. Kaum war der letzte Akkord verklungen, waren sie schon auf dem Rückweg in die USA, wo sie am Sonntag bei einem weiteren Festival gebucht waren.

Sie erfinden den Rock’n’Roll nicht neu, aber da er ja nicht kaputt ist, warum sollte man ihn reparieren? Kelby Ray meint, dass es vor allem die Ehrlichkeit in ihrer Musik ist, die die Leute begeistert und mit der sie eine Beziehung zu den Fans aufbauen. Sie tragen ihr Herz auf der Zunge und schließlich geht es doch beim Rock’n’Roll vor allem um den Spaß.



Mit ihrem aktuellen Album Legacy, das legt der Titel schon nahe, wollen sie ihre Musik aus einer anderen Richtung angehen, nämlich mit der Frage, was sie hinterlassen werden und wofür man sich an sie erinnern wird. Und da sie zwei sehr erfolgreiche Songwriter haben, können sich The Cadillac Three die Rosinen aus ihrem Katalog herauspicken. Eigentlich sollte der Titel verschiedenen Künstlern wie Tim McGraw, Faith Hill oder Eric Church angeboten werden. Aber dann hörte Mason ihn und meinte, dass sie selbst damit arbeiten sollten. Es fühlte sich einfach richtig an. The Cadillac Three können offenbar Hits auf Knopfdruck liefern. Dem Fortgang ihrer Karriere ist folglich nach oben keine Grenzen gesetzt.

Aber wo Whiskey und sorgloser Southern Rock Hand in Hand gehen, wird es für einige gefährlich. Nach dem Tod eines früheren Bandkollegen, der Probleme mit Alkohol hatte, dachte Rich Moss, seine Musikkarriere wäre vorbei. Aber wenn man einmal Rock’n’Roll-Blut geleckt hat, kommt man da schwer wieder von los. Nach vier Jahren Pause gründete Moss 2012 die Band Stone Broken.

Foto: Paul Harries

 

Der erste Song, den er mit seinen Bandkollegen, dem Gitarristen Chris Davis, Bassist Kieron Conroy und Drummer Robyn Haycock, schrieb, hieß This Life und er wurde quasi ihr Erfolgsrezept für die Zukunft. “Es geht darum, sich das rauszusuchen, was man gut kann und es zu nutzen, denn man hat nur ein Leben, nur einen Versuch”, sagt Moss. “Als wir die Band gründeten, waren wir viel reifer und wussten, wie der Hase läuft in dieser Branche. Darum waren wir uns einig, dass wir keine halben Sachen machen wollten.”

Nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums All In Time konnten die Rocksender den hymnischen Hardrock mit den stadiontauglichen Riffs und Refrains gar nicht schnell genug auf ihre Playlisten setzen. The Cadillac Three hatten immer Schwierigkeiten, ins Radio zu kommen, aber Stone Broken haben offenbar einen Sound, der einen Nerv trifft. Es ist derselbe Weg, den Def Leppard in den 80ern mit Pyromania und Hysteria gegangen sind. Und nun, etwas über 35 Jahre später, flirtet wieder eine neue britische Hardrockband mit dem Mainstream.

Ihr zweites Album Ain’t Always Easy ist voller gewaltiger Riffs und Refrains. Stone Broken sind selbstbewusst und haben keinen Zweifel an den Zielen, die sie sich gesteckt haben: Sie wollen in Arenen spielen – genau wie die Bands, die sie inspiriert haben, so wie Black Stone Cherry und Alter Bridge. Und mit Songs wie Worth Fighting For, Let Me See It All und I Believe scheint sich die Band fast selbst anzutreiben und zu motivieren. Melodien und Riffs, mit denen man Stadien füllen kann, haben sie schon. Das ist die halbe Miete.



Nach Legendenstatus streben

Einige Bands orientieren sich an anderen aktuellen Künstlern, um sich zu positionieren. Andere greifen direkt nach den Sternen und streben nach Legendenstatus. Greta Van Fleet müssen ihren Weg in den Mainstream zwar noch finden, aber wenn man sieht, was für eine Welle sie gerade machen, kann es nicht mehr lange dauern.

Gegründet wurde die Band 2012 von drei Brüdern: den Zwillingen Josh und Jake Kiszka (Gesang und Gitarre) und dem Bassisten Sam Kiszka. Im folgenden Jahr stieß ihr langjähriger Freund und Drummer Danny Wagner dazu. Ein früher Track der Hardrocker aus Michigan wurde in einer Chevy-Werbung in der Region eingesetzt, aber auf mehr Aufmerksamkeit musste die Band bis 2017 warten. Der Stein geriet erst ins Rollen, als ihr Track Highway Tune im Januar 2016 in der US-Version der Comedy/Drama-Serie Shameless eingesetzt wurde. Ein Jahr später wurde der Song veröffentlicht und iTunes und Apple Music machten Greta Van Fleet zum Künstler der Woche. Damit öffneten sich die Schleusen im wahrsten Sinne des Wortes. Ende des Jahres heimsten sie schon Awards ein und eröffneten einen Abend für die Rocklegende Bob Seger. Und natürlich war ihre erste Tour innerhalb von fünf Minuten komplett ausverkauft.



Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Sänger Josh klingt verdammt nach Robert Plant. Die Ähnlichkeit hat der Led Zeppelin-Sänger selbst schon anerkannt. Andererseits haben schon viele versucht, dem legendären Frontmann nahezukommen, und auf ganzer Linie versagt. Bei Josh ist das einfach das, was aus seinem Mund kommt, wenn er singt. Und auch wenn das junge Quartett nicht leugnet, dass sie die britischen Rockikonen mögen, legen sie doch großen Wert darauf, dass ihre Einflüsse sehr viel vielseitiger sind.

Die Mitglieder von Greta Van Fleet wuchsen mit alten Vinyls auf und da überrascht es nicht, dass ihr Sound viele Einflüsse aus den 60er und 70er Jahren aufweist und dass es sich dabei fast ausschließlich um Rock- und Blues-Acts handelt. Aber obwohl ihre wichtigsten Inspirationsquellen z. B. The Who, Cream, Jimi Hendrix, Black Sabbath, Deep Purple, Janis Joplin, John Lee Hooker und Muddy Waters heißen, hatten sie nie vor, eine Rock’n’Roll-Band zu werden. Aber sie spielen mit dem Herzen, nicht dem Kopf, und so entsteht aus dem Chemie zwischen den vier Musikern unweigerlich Rock’n’Roll.

Greta Van Fleet haben noch nicht einmal ihr Debütalbum veröffentlicht (bisher gibt es nur die Doppel-EP From The Fires), trotzdem legen sie für sich selbst einen hohen Maßstab an. Einige Bands sind dafür berühmt, unvergessliche Debütalben veröffentlicht zu haben – Greta Van Fleet denken da insbesondere an Van Halen, The Black Crowes und Led Zeppelin. Das möchte die junge Band ebenfalls erreichen und unbedingt ein Debütalbum produzieren, über das man noch lange reden wird.

Ohne viel künstliches Tamtam erregt diese kleine Band aus der Kleinstadt Frankenmuth in Michigan gerade viel Aufmerksamkeit in der Rockwelt. Im September 2017 traten Greta Van Fleet zum ersten Mal in Großbritannien, im winzigen, in einer dunklen Seitengasse in Camden versteckten Black Heart Pub auf. Und jetzt hat die junge Rockband über einen Monat vor Erscheinen ihres Debütalbums Anthem Of The Peaceful Army einfach mal zwei Abende im Kentish Town Forum im April 2019 ausverkauft, und die anderen Daten sind nicht weit davon entfernt.



Das vielleicht Beeindruckendste an Greta Van Fleet ist allerdings, dass sie erst 19 (Sam und Danny) und 22 (die Zwillinge) Jahre alt sind. Alter ist natürlich kein Hindernis, aber es bedeutet, dass sie noch wachsen werden und man unmöglich vorhersehen kann, was sie mit mehr Zeit und Erfahrung alles erreichen können. Könnten sie die Retter der Rockmusik sein, die Medien und Festivalveranstalter so verzweifelt suchen? Auf jeden Fall wird es in Großbritannien bald sehr viel mehr Menschen geben, die die Band live sehen, als die 100, die das bisher von sich behaupten können.

Ist Rockmusik tot?… Passt auf!

Mit ständig sinkenden Albumverkäufen in den letzten Jahren mag Michael Jackson für alle Ewigkeit auf Platz 1 der bestverkauften Alben aller Zeiten sitzen. Und Hip-Hop und R&B können gerne im Bereich Streaming und Radio glänzen. Im Livebereich hält die Rockmusik immer noch das Zepter in der Hand. 2017 verdienten Guns N’ Roses mit ihrer Not In This Lifetime…-Tour fast eine halbe Milliarde Dollar. Das ist die vierterfolgreichste Tour aller Zeiten nach den Rockgiganten Coldplay, The Rolling Stones und U2.

Unterm Strich ist die Rockmusik der größte Überlebenskünstler der Musikwelt und hat dem Auf und Ab wechselnder Trends für über sieben Jahrzehnte widerstanden. Legenden werden nicht über Nacht geboren und auch wenn man sich das heute schwer vorstellen kann: Es gab eine Zeit vor Led Zeppelin, The Who, The Beatles, The Rolling Stones, Black Sabbath, usw. Sie alle waren mal unbekannte Bands und nur mit der Zeit und dank ihrer Langlebigkeit können sie über soviele Jahre begeistern. Rockmusik überlebt alle kulturellen Trends und genau um dagegen zu rebellieren gibt es alle der genannten Bands. Wird eine von ihnen 2028 als Headliner bei den großen Festivals auftreten? Wenn wir eine Zeitmaschine hätten, könnten wir es herausfinden.


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