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Popkultur

Zeitsprung: Am 5.3.1970 kommt John Frusciante zur Welt.

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Foto: Promo/Warner Music

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 5.3.1970.

von Timon Menge und Christof Leim

Als Gitarrist einer erfolgreichen Rockband stand er ganz oben, hat aber auch in tiefe Abgründe geblickt. Mehrfachplatin, Heroin, ausverkaufte Tourneen, komplette Verwahrlosung: John Frusciante kennt beide Seiten der Medaille. Am 5. März feiert er seinen Geburtstag.

Hier könnt ihr euch Stadium Arcadium von den Red Hot Chili Peppers anhören:

Das Licht der Welt erblickt John Anthony Frusciante am 5. März 1970 im Stadtteil Queens in New York City. Er wächst bei musikalischen Eltern auf: Seine Mutter singt so gut, dass sie wohl Karriere hätte machen können, doch sie bleibt Hausfrau. Sein Vater hat an einer Eliteuniversität Klavier studiert. Durch die Scheidung der Eltern landen Frusciante und seine Mutter in Los Angeles — bei einem Stiefvater, der die musikalischen Ambitionen des jungen John unterstützt. 

Frusciante fuchst sich in die Punkszene ein, entdeckt die Gitarre für sich und beschäftigt sich mit Künstlern wie Jeff Beck, Jimmy Page, David Gilmour, Jimi Hendrix und Frank Zappa. Mit 16 bricht er die Schule ab, um sich ganz seiner Karriere widmen zu können. Seine zukünftigen Arbeitgeber hat er zu jener Zeit bereits kennengelernt, auch wenn er noch nichts davon weiß: Bereits mit 15 sieht Frusciante die Red Hot Chili Peppers auf der Bühne und entwickelt sich zu einem ihrer größten Fans.

„Ich habe festgestellt, dass ich ein Rockstar sein möchte.“

1988 freundet sich Frusciante mit D. H. Peligro an, dem Schlagzeuger der Dead Kennedys, der ab August 1988 auch kurz für die Chili Peppers trommelt. Bei einer gemeinsamen Jam-Session lernt er einen von dessen Freunden kennen: Chili-Peppers-Bassist Flea. Er und Frusciante harmonieren sofort. Zur gleichen Zeit überlegt der Gitarrist, ob er sich als Musiker für die Band von Frank Zappa vorstellen soll, entscheidet sich aber dagegen, weil Zappa Drogen strikt ablehnt. „Ich habe festgestellt, dass ich ein Rockstar sein, Drogen nehmen und Frauen abbekommen möchte“, berichtet Frusciante. Das sei in Zappas Band nicht möglich gewesen.

Mit den Red Hot Chili Peppers allerdings schon. Nach dem Tod von Gründungsgitarrist Hillel Slovak steigt Frusciante bei den Funk-Rockern ein, sein Studiodebüt gibt er 1989 mit Mother’s Milk. Zwei Jahre später gelingt der Gruppe mit Blood Sugar Sex Magik der internationale Durchbruch. Mehr als 15 Millionen Mal geht das Album über die Ladentheke. Frusciante geht das alles zu schnell, es überfordert ihn. Am 7. Mai 1992 verlässt er die Band zum ersten Mal.

Der Weg nach unten

Schon während seiner Zeit mit den Peppers entwickelte sich seine Affinität zu Drogen immer mehr zum Problem. Gemeinsam mit Flea raucht er kiloweise Marihuana, später entdeckt Frusciante auch das Heroin. Nach seinem Austritt gerät er in eine Abwärtsspirale. Er hat den Glauben an sich verloren, erkrankt an einer starken Depression und zieht sich zurück. Sein Konsum an Rauschmitteln steigt rapide. Später erzählt er in einem Interview mit dem Magazin Spin: „Ich war zu dieser Zeit sehr traurig, habe mich aber immer gut gefühlt, wenn ich auf Drogen war; also musste ich einfach die ganze Zeit Drogen nehmen. Ich habe mich nie schuldig gefühlt. Ich war immer sehr stolz auf meine Sucht.“

Am 8. März 1994 erscheint sein erstes, avantgardistischer klingendes Soloalbum Niandra Lades And Usually Just A T-Shirt. Gesundheitlich geht es weiter bergab. Die New Times LA beschreibt Frusciante in einem Artikel als „Skelett, umhüllt von dünner Haut“. Er stirbt beinahe an einer Blutinfektion. Auf seinen Armen befinden sich permanente Abszesse, bedingt durch missglückte Drogeninjektionen. Frusciante verkriecht sich endgültig und verschanzt sich drei Jahre lang in seinem Haus in den Hollywood Hills, wo die Wände stark beschädigt und voller Graffiti sind. 

1997 veröffentlicht er seine zweite Soloscheibe Smile From The Streets You Hold, das ihn in einem fürchterlichen Zustand zeigt und deshalb später wieder vom Markt genommen wird. So hört man Frusciante während des Songs Enter A Uh zum Beispiel husten. Später räumt er ein, dass er das Album nur veröffentlicht habe, um an Drogengeld zu kommen. 

Der Gitarrenmeister berappelt sich

1996 geht es aufwärts. Nach mehr als fünf Jahren Sucht begibt sich Frusciante auf kalten Entzug, zumindest, was das Heroin betrifft. Mit Kokain und Alkohol kämpft er auch Monate später noch, weshalb er sich 1998 in eine Entzugsklinik begibt. Dort stellen die Ärzte eine Infektion im Mund fest, die sich nur durch das Entfernen seiner verfaulten Zähne und das Einsetzen von Implantaten heilen lässt. Auf seinen Armen bekommt er Hauttransplantationen, damit die Abszesse besser heilen. Einen Monat später verlässt er die Klinik — und stellt sein Leben auf den Kopf. Frusciante ernährt sich gesund, praktiziert Yoga und entsagt dem Sex. „Mir geht es auch ohne sehr gut“, erklärt er in einem Interview. 

Etwa zeitgleich kriselt es bei den Red Hot Chili Peppers. Bassist Flea sagt zu Sänger Anthony Kiedis: „Ich glaube, dass wir nur weitermachen können, wenn wir John zurück in die Band holen.“ Und so kommt es dann auch: Flea besucht seinen alten Kollegen zu Hause und fragt, ob er wieder einsteigen möchte. Frusciante beginnt zu schluchzen und versichert, dass nichts ihn glücklicher machen könnte. Ein Jahr später erscheint Californication und verkauft sich noch besser als der Megaseller Blood Sugar Sex Magik. Mit ihrer nächsten Scheibe By The Way (2002) gelingt den Chili Peppers ein weiterer riesiger Erfolg, mit Stadium Arcadium (2006) belegen sie in 23 Chartlisten den ersten Platz.

Zeitgleich widmet sich Frusciante anderen musikalischen Projekten, zum Beispiel mit The Mars Volta. Im Juni 2004 kündigt er an, dass er sechs Veröffentlichungen in sechs Monaten auf den Markt bringen werde, was dann auch geschieht. Die letzte im Bunde: Curtains, zu deren Single The Past Recedes erstmals auch ein Musikvideo erscheint. „Diese sechs Platten wurden aufgenommen, nachdem ich anderthalb Jahre mit den Red Hot Chili Peppers auf Tour war. Ich habe alle Songs aufgelistet, die ich geschrieben hatte, und das waren etwa 70 Stück. Während der Pause nach der Tour wollte ich so viel aufnehmen wie möglich. Währenddessen habe ich weitere Stücke geschrieben, teilweise die besten meines Lebens. Man hört auf den Veröffentlichungen also bisweilen genauso viele neue Lieder wie alte. Das war definitiv die produktivste Phase meines Lebens.“

Der dritte Frühling

Ende 2007 beschließen die Red Hot Chili Peppers eine Pause, weil sie seit Californication quasi durchgängig gearbeitet haben. Die Unterbrechung dauert bis Herbst 2009, doch die anschließende Phase findet wieder ohne Frusciante statt, der im Dezember 2009 seinen erneuten Austritt bekanntgibt. Die Chili Peppers engagieren Gitarrist Josh Klinghoffer und machen weiter, Frusciante widmet sich seinem inzwischen zehnten Soloalbum The Empyrean (2009). Ab 2010 erfüllt er sich einen Traum und beschäftigt sich intensiv mit elektronischer Musik, zum Beispiel mit Acid House. Auch darüber hinaus veröffentlicht er weiteres Solomaterial. 

Am 15. Dezember 2019 folgt der nächste Erdrutsch: Josh Klinghoffer muss die Red Hot Chili Peppers nach zehn Jahren wieder verlassen, an seine Stelle tritt…? Genau, John Frusciante. Am 8. Februar 2020 steht die Gruppe zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder gemeinsam auf der Bühne, ein Album soll im gleichen Jahr Jahr erscheinen. Doch nun sagen wir erstmal: Happy Birthday!

Zeitsprung: Am 24.9.1991 zelebrieren die Red Hot Chili Peppers „Blood Sugar Sex Magik“.

Popkultur

Als Led Zeppelin facettenreicher wurden: „Houses Of The Holy“

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Led Zeppelin HEADER
Titelfoto: Evening Standard/Hulton Archive/Getty Images

Vier durchnummerierte Platten brauchten Led Zeppelin, um die Spitze des Rockolymp zu erklimmen. Auf ihrer fünften Veröffentlichung Houses Of The Holy schlugen die Briten experimentierfreudigere Pfade ein — mit großem Erfolg. Den Titeltrack mussten sie allerdings auf das nächste Album verschieben.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Houses Of The Holy von Led Zeppelin anhören:

Pause? Für Led Zeppelin ist das zu Beginn ihrer Karriere ein Fremdwort. In gerade einmal drei Jahren veröffentlichen die Briten vier legendäre Alben, touren mehrfach um den Globus und spielen weltweit vor ausverkauften Häusern. Großbritannien, Nordamerika, Japan, Australien — und wieder von vorn. Ein wenig zur Ruhe kommen Led Zeppelin erst 1972, als sie mit der Aufnahme ihres fünften Albums Houses Of The Holy beginnen. Die Gruppe schlägt darauf experimentellere Wege ein und setzt auf aufwändige Arrangements und neue Einflüsse statt auf schnodderigen Hardrock-Sound. Doch wie genau kam es zu dieser Typveränderung — und hatten auch die Fans Freude an den neuen Led Zeppelin?

Houses Of The Holy: Ein Album unter anderen Umständen

Anfang der Siebziger ist das Bankkonto von Led Zeppelin bereits gut gefüllt — so gut, dass sich Gitarrist Jimmy Page und Bassist John Paul Jones ihre eigenen Heimstudios einrichten. Zum ersten Mal können die beiden Musiker ihre Ideen in aller Ruhe aufnehmen, noch einmal hören, bearbeiten und ergänzen. Dadurch werden die Songs ausgeklügelter als sonst — weg vom Bluesrock, hin zum AOR, wenn man so möchte. Als Led Zeppelin mit den offiziellen Aufnahmen von Houses Of The Holy beginnen, sind die vier Musiker deutlich besser vorbereitet als bei ihren vorherigen vier Alben. Zu gut, wie es scheint, denn die Band spielt mehr Songs ein als auf die Platte passen.

Während der Sessions zu Houses Of The Holy sammeln Led Zeppelin so viel Material, dass sie ein paar ihrer neuen Kompositionen für später aufbewahren müssen. Das betrifft zum Beispiel den Song Walter’s Walk, der erst 1982 auf der Zusammenstellung Coda erscheint. The Rover und Black Country Woman packen die Briten auf ihr sechstes Album Physical Graffiti (1975). Besonders kurios: Sogar den Titeltrack verschieben Led Zeppelin auf später, sodass der Song Houses Of The Holy nun nicht auf dem Album Houses Of The Holy zu finden ist, sondern ebenfalls auf dem Nachfolger Physical Graffiti. Trotzdem klingt Houses Of The Holy stimmig — auch wenn „Led Zep“ darauf einige Experimente wagen.

Da wäre zum Beispiel die Funk-lastige Nummer The Crunge, die man den Briten vorher wohl nicht unbedingt zugetraut hätte. Auch das Reggae-beeinflusste Stück D’yer Mak’er klingt nicht wie ein typischer Led-Zeppelin-Song. Genau das war das Ziel, wie Gitarrist Jimmy Page in dem Buch Light & Shade: Conversations With Jimmy Page erklärt: „Auch wenn alle ein zweites Led Zeppelin IV wollten: Es ist sehr gefährlich, sich selbst zu kopieren. Ich werde keine Namen nennen, aber jeder kennt Bands, die sich ewig wiederholen. Nach vier oder fünf Alben sind sie ausgebrannt. Bei uns hingegen wusste man nie, was als nächstes kommt.“

Eine Tour der Superlative — und der anschließende Burnout

Das gilt auch für die Tour zu Houses Of The Holy, mit der Led Zeppelin einmal mehr neue Live-Show-Maßstäbe setzen. Laser, Discokugeln, aufwändige Outfits, Pyrotechnik: Die britischen Rocker lassen sich nicht lumpen und feuern auf ihrer insgesamt dreimonatigen Tour aus allen Rohren. 55 Konzerte geben Led Zeppelin, darunter auch in Nürnberg, München, West-Berlin, Hamburg, Essen und Offenburg. Überall feiert wird die Band gefeiert; später ist sogar die Rede davon, dass die Tour der technische Höhepunkt der Gruppe gewesen sein muss. Doch der Preis ist hoch: Nach der Konzertreise sind Led Zeppelin so fertig, dass sie eine fast zweijährige Pause einlegen.

Was die Verkaufszahlen und den Erfolg von Houses Of The Holy betrifft, geht die Platte im Vergleich zum direkten Vorgänger Led Zeppelin IV beinahe unter. „Nur“ elffaches Platin gelingt den Briten bis heute mit dem Album; bei Led Zeppelin IV ist es mehr als doppelt so viel und auch der Houses Of The Holy-Nachfolger Physical Graffiti kann insgesamt 16 US-Platinveredelungen abräumen. Dennoch: Led Zeppelin zeigen sich auf Houses Of The Holy von ihrer erwachsenen Seite und das kommt an. Drei Alben bringen die Briten anschließend noch raus, bis der Tod von Schlagzeuger John Bonham die Karriere der Gruppe im Jahr 1980 beendet. Doch das ist wieder einmal eine andere Geschichte.

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5 Dinge, die ihr über John Paul Jones von Led Zeppelin noch nicht wusstet

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Zeitsprung: Am 28.3.1985 tritt Alicia Keys zum ersten Mal im TV auf. Sie ist 4.

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Alicia Keys
Paola Kudacki/Sony Music

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 28.3.1985.

von Timon Menge und Christof Leim

Mehr als 150 Preise gewinnt Alicia Keys im Lauf ihrer Karriere, darunter 15 Grammys. Ihre Premiere im Showgeschäft feiert sie allerdings am 28. März 1985 in einer TV-Serie – mit vier Jahren.

Hier könnt ihr euch Here anhören:

Übernachtungsparty! Die kleine Tochter der Familie hat ihre Freunde und Freundinnen eingeladen, alle sind bestens gelaunt, vor allem als sie reihum mit dem Herrn Papa Rodeo spielen. Die Regeln: Wer sitzen bleibt, gewinnt. Ein Mädchen mit Lockenkopf kann sich trotz wildester Bewegungen halten und geht als Siegerin hervor. Vier Jahre alt ist die junge Schauspielerin in dieser Szene der Bill Cosby Show, ihr Name lautet Alicia Cook. Damals kennt sie niemand, heute schon…

In den Achtzigern kann man sich ein Fernsehprogramm ohne die Familie Huxtable kaum vorstellen. In acht Staffeln thematisiert die Sitcom das Leben einer afroamerikanischen Familie aus der Mittelschicht, die sich mit alltäglichen Situationen und Problemen auseinandersetzt. Dass dieses Format auch bei der weißen Bevölkerung gut ankommt, ist zu jener Zeit noch nicht selbstverständlich. Den Familienvater Dr. Heathcliff Huxtable gibt Schauspieler Bill Cosby, nach dem die Sendung auch benannt ist. (Heute ist Cosby weltweit und zurecht in Ungnade gefallen, weil er wegen dreifachen sexuellen Missbrauchs zu mehreren Jahren Haft verurteilt wird. Aber das ist eine andere, unschöne Geschichte.)

Wer ist Alicia Cook?

Diese kleine Alicia Cook, die da einen Gast der Übernachtungsparty der kleinsten Huxtable-Tochter Rudy spielt, lernen wir Jahrzehnte später unter einem anderen Namen kennen: Alicia Keys. Mit dem Auftritt in der Show feiert sie sozusagen ihren Einstand im Showgeschäft. Hier könnt ihr euch den Ausschnitt mit ihr angucken:

In einem späteren Interview mit der Teleschau erzählt Keys: „Ich erinnere mich vor allem daran, dass es ein wahnsinnig langer Tag war. Bis das alles abgedreht war, war es später Abend – und ich und die anderen Kinder waren so müde, dass wir irgendwann einfach auf dem Sofa eingeschlafen sind. Aber ich erinnere mich auch daran, dass es extrem witzig war. Bill Cosby war super. Und hey, immerhin habe ich beim Reite-Spiel auf seinem Knie gewonnen.“

Nur der Anfang

Gewinnen wird Keys nachher noch so einiges, nämlich mehr als 150 Auszeichnungen und 14 Platinschallplatten (allein in den USA). Mit Alben wie Songs In A Minor (2001), The Diary Of Alicia Keys (2003), As I Am (2007) und The Element Of Freedom (2009) räumt sie in den 2000er Jahren wirklich alles ab. Wer hätte 1985 gedacht, dass aus der kleinen Alicia Cook einer der größten Popstars des 21. Jahrhunderts wird?

Zeitsprung: Am 7.9.1984 sind die Jacksons auf Tour und Janet brennt durch.

 

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Zeitsprung: Am 27.3.1970 veröffentlicht Alice Cooper „Easy Action“.

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Alice Cooper Easy Action Cover

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 27.3.1970.

von Bolle Selke und Christof Leim

Die Rock’n’Roll-Welt steht nicht gerade in Flammen für die Alice Cooper Band, als sie am 27. März 1970 ihr zweites Album Easy Action veröffentlicht. Das könnte nicht zuletzt an der lustlosen Produktion liegen. Trotzdem bietet sich hier ein perfektes Zeitdokument einer sich entwickelnden Band, das man fast als Vorproduktion für den Meilenstein Love It To Death im folgenden Jahr ansehen könnte.

Hier könnt ihr euch Easy Action anhören:

Geneigte Fans und Hardrock-Aficionados wissen vermutlich, dass Alice Cooper für eine Band steht, die sich 1975 auflösen wird. Erst danach adaptiert deren Sänger Vincent Furnier den Namen und wird so zu einem hochgeschätzten Heavy-Metal-Entertainer und Gottvater des Shock Rock.

Psychedelische Scheißmusik

1970 allerdings stehen solche Superlative noch in weiter Ferne. Die Truppe schraubt an ihrem zweiten Album, das ebenso wie der Vorgänger Pretties For You bei Frank Zappas Plattenfirma Straight erscheinen soll. An den Reglern sitzt David Briggs, der heutzutage vor allem bekannt dafür ist, mehr als ein Dutzend Neil-Young-Alben produziert zu haben. Schlagzeuger Neal Smith sagt später über Briggs: „David hasste unsere Musik und uns. Ich erinnere mich, dass unsere Song für ihn ‚psychedelischer Scheiß‘ waren. Wenn man mich fragt, klang Easy Action zu trocken, eher wie eine TV- oder Radiowerbung. Er half in keiner Weise beim Arrangement der Lieder oder lieferte irgendwelchen positiven Input.“ Und so wird kein einziges der Stücke von Easy Action nach der Love It To Death-Tour jemals wieder live von Cooper aufgeführt.

Nichtsdestotrotz bezeichnen manche gerade diese Scheibe als das „große unentdeckte“ Cooper-Album. Während Pretties for You eine schwierige Platte ist und Love It to Death ein Klassiker, könnte man Easy Action als das perfekte Bild einer sich entwickelnden Band ansehen. Beim ersten Stück Mr. And Misdemeanor lässt sich zum Beispiel miterleben, wie Sänger Furnier seinen bösartig klingenden Gesangsstil definiert. Alice Cooper steht später für drei Minuten lange Hits mit eingängigen Melodien und negativen Themen, welche dann gegen Ende der Alben durch längere Stücke ergänzt werden. So gesehen liefern die Rocker mit Easy Action also fast eine Vorproduktion für Love It to Death, obwohl die Band auf ersterem mehr Erfindergeist zeigt.

Unisex, roh und gewalttätig

Hinter dem Albumtitel steckt eine Zeile aus einem Lieblingsfilm von Furnier und Bassist Dennis Dunaway, dem Musical West Side Story mit der Musik von Leonard Bernstein. Zitate daraus wie „got a rocket in your pocket“ und „when you’re a Jet, you’re a Jet all the way“ werden auch bei dem Song Still No Air verwendet. Das Motiv der halbstarken Gang aus West Side Story wird auch an anderen Stellen von Alice Copper aufgegriffen. Auf dem Cover wendet sich die Band von der Kamera ab, deren unbedeckte Rücken sind nur durch ihr langes Haar bedeckt. Eine Radiowerbung von 1970 pries die Band dann auch als „unisex, roh, miteinander und gewalttätig – genau wie ihr, amerikanische Mitbürger“.

Easy, Action!

Als ob die Band den fehlenden kommerziellen Erfolg von Easy Action geahnt hätte, beginnt der letzte Song, das psychedelisch abgedrehte Lay Down And Die, Goodbye, mit den Worten des Komikers Tom Smothers: „Ihr seid der einzige Zensor. Wenn euch das, was ich sage, nicht gefällt, habt ihr die Wahl: Ihr könnt mich ausschalten.“

Die Kritiker zerreißen das Album hauptsächlich. Robert Christgau bezeichnet es im Magazin The Village Voice als „unmelodisches Singen, unmelodisches Musizieren, unmelodische Melodien und pseudomusikalischen Beton“. Erst bei Love It To Death entdeckt die Band mithilfe von Produzent Bob Ezrin den Sound für den Alice Cooper heutzutage geliebt wird…

Zeitsprung: Am 5.6.1977 gibt es einen Todesfall bei Alice Cooper – wegen einer Ratte.

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