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Popkultur

Zeitsprung: Am 7.10.1970 feiert der Film „Ned Kelly“ mit Mick Jagger Premiere.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.10.1070.

von Victoria Schaffrath und Christof Leim

Ein Skandal um die Besetzung, Unfälle am Set und ein Suizidversuch: Die Dreharbeiten zum Film Ned Kelly mit Mick Jagger in der Hauptrolle stehen unter keinem guten Stern. Am 07. Oktober 1970 kommt der Film über den australischen Banditen schließlich in die US-Kinos. Werfen wir zum Jahrestag der Premiere einen Blick auf seine holprige Entstehung.

Hört hier in den Soundtrack rein: 

Der Bandenkopf Ned Kelly gilt in Australien als Volksheld. Als einer der letzten Busch-Ranger stilisierte er sich im 19. Jahrhundert zum Robin Hood des Outbacks, trug in einem Schusswechsel mit der Polizei gar eine eiserne Rüstung zum Schutz, bevor man ihn 1880 zum Tode durch Hängen verurteilte. Prima Stoff für die Filmindustrie, die die Lebensgeschichte des Outlaws schon zahlreiche Male verfilmt hat.

Der Stoff von Legenden

In den Sechzigern zählt diese Liste bereits sechs Einträge, doch Gangsterfilme wie Bonnie und Clyde oder Zwei Banditen stehen hoch im Kurs. Warum also das Ganze nicht noch mal und zum ersten Mal auf Farbfilm bannen? Dazu entscheidet sich Regisseur Tony Richardson und verwandelt das Projekt zusätzlich in eine Art Musikfilm, dessen Songs die Handlung vorantreiben. Der beliebte Cartoonzeichner Shel Silverstein darf zu diesem Zweck Texte beisteuern.

Bandit in Blechdose: Mick Jagger auf dem Filmplakat für „Ned Kelly“.

Schwer tut sich Richardson vor allem bei der Besetzung der Hauptrolle: Der Job wandert zunächst von Michael Caine zu Ian McKellen, bevor die ungewöhnliche Wahl auf keinen geringeren als Mick Jagger von den Rolling Stones fällt. 

Sympathy For The Outlaw

Die Stones mischen da bereits seit Mitte des Jahrzehnts mit schnodderigem Bluesrock und öffentlichen Drogeneskapaden die Weltöffentlichkeit auf. 1969 erweist sich als äußerst schwieriges Jahr, das mit dem Tod von Brian Jones am 3. Juli einen traurigen Höhepunkt erreicht. Aber „the show must go on“: Wenige Tage nach dem Ableben des Kollegen muss sich Jagger zum Dreh in Australien einfinden. Die Beerdigung verpasst er.

Doch der Sänger nimmt die Herausforderung ernst: „Kelly wird nichts mit mir gemein haben. Ich will mich darauf konzentrieren, ein Charakterschauspieler zu sein.“ In Performance (1968) durfte er als Darsteller bereits erste, wenn auch nur bedingt überzeugende Erfahrungen sammeln. Kellys Nachfahren und die australische Schauspielergewerkschaft zeigen sich jedenfalls alles andere als begeistert: Sie wünschen sich einen australischen Mimen. Vielleicht zu Recht: Den Akzent meistert Jagger später schlecht bis überhaupt nicht. Die Produktionsfirma jedoch hofft, vom rebellischen Image der Stones zu profitieren und eine jüngere Zielgruppe anzusprechen. Auch auf dem Soundtrack kann man Jagger gebrauchen. Sicher schadet es auch nicht, dass man seine Freundin Marianne Faithfull für die weibliche Hauptrolle gewinnen kann.

Dreharbeiten gone wrong

Während der Dreharbeiten 1969 geht alles Mögliche schief. Jaggers Pistole zündet in einer Szene fehl und verletzt den Briten an der Hand, die Kutsche eines anderen Schauspielers kippt um, und ein Teil der Kostüme fängt Feuer. Die Besetzung von Faithfull erweist sich außerdem als deutlich komplizierter als erwartet. Die Beziehung der beiden Musiker hängt bereits am seidenen Faden; der Tod von Brian Jones und eine Affäre Jaggers bringen die Sängerin kurz nach der Ankunft in Sydney dazu, 150 Schlaftabletten einzunehmen. Jagger schafft es noch, sie rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen, doch Faithfull liegt die nächsten sechs Tage in einem Koma. 

Führen eine problematische Beziehung: Marianne Faithfull und Mick Jagger, hier vor einem Gerichtstermin im Januar 1970. – Foto: Central Press/GettyImages

Die Filmproduktion geht trotz des Suizidversuchs weiter, die weibliche Hauptrolle wird schlicht neu besetzt. Jagger quält sich ebenfalls durch die winterlichen Außeneinsätze. Er schreibt regelmäßig an Faithfull und bittet um Verzeihung. Er empfindet den Dreh im Vergleich zu dem von Performance als Qual, auch Regisseur Richardson verliert den Glauben an das Projekt. Beide erscheinen nicht einmal mehr zur Londoner Premiere, nachdem die internationale Kritik vernichtend ausfällt. In Deutschland erscheint das Werk unter dem Titel Kelly, der Bandit.

Auch später hat Jagger wenig schmeichelnde Worte für den Film übrig: „Das war ein Haufen Scheiße. Ich hab das nur gemacht, weil ich sonst nichts zu tun hatte.“ Stones-Fans dürften sich über diese Langeweile freuen, denn dank der Handverletzung am Set entsteht der Schock-Hit Brown Sugar. Auch Wild Horses lässt sich auf die Zeit in Australien zurückführen, nämlich auf Faithfulls erste Worte nach dem Aufwachen: „Nichtmal wilde Pferde könnten mich hier wegkriegen.“

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