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Popkultur

Zeitsprung: Am 15.12.1967 veröffentlichen The Who ihr drittes Album “The Who Sell Out”

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 15.12.1967.

von Christof Leim

Am 15. Dezember 1967 erscheint die dritte Platte von The Who, und sie hat sich gut gehalten: Das könnte daran liegen, dass die Band  für The Who Sell Out damals ihr Songwriting in viele Richtungen ausbaut. Vor allem vollziehen die Briten einen ersten Schritt in Richtung der Konzeptalben, für die sie in späteren Jahren bekannt werden sollten. Damit fungiert The Who Sell Out als Brücke zwischen A Quick One (1966) und der legendären Rockoper Tommy (1969).

Hört euch The Who Sell Out hier an und lest weiter:

The Who Sell Out ist aufgebaut wie eine Radiosendung, mit Jingles und Werbung zwischen den Stücken. Die Songs an sich folgen allerdings keiner gemeinsamen Story. Ende der Sechziger spielt das Medium Radio allgemein eine große Rolle für alle Krachmusikfans, die Musiker von The Who eingeschlossen. Leider bringen die großen Sendeanstalten wie die altehrwürdige BBC nicht viel Rock’n’Roll, weswegen sich Piratensender großer Beliebtheit erfreuen. The Who Sell Out ahmt explizit einen davon nach, nämlich Radio London, das von einem Schiff in der Nordsee außerhalb der britischen Drei-Meilen-Zone ausgestrahlt wird.

Gefrorene Bohnenpampe

Den ironischen Titel des Albums setzen The Who auf dem Cover bildlich um, auf dem die vier Musiker in nachgestellten Werbeanzeigen mit überdimensionalen Produkten zu sehen sind: Auf der Vorderseite prangt Gitarrist Pete Townshend mit einem riesigen Deo-Stick, daneben Roger Daltrey, der in einer Badewanne voll mit weißen Bohnen in Tomatensoße sitzt (ja, richtig gelesen) und eine XXL-Dose Heinz Baked Beans in die Kamera hält. Angeblich zieht sich der Sänger bei dieser Aufnahme eine Lungenentzündung zu, weil die Bohnenpampe gefroren ist. Autsch. Auf der Rückseite schmiert sich Drummer Keith Moon die fiktive Akne-Creme Medac ins Gesicht. Bassist John Entwistle grinst im Leopardenfell und mit einer Bikinidame im Arm in die Kamera, um Werbung für einen Bodybuilding-Kurs zu machen, der in einem der Werbejingles auf der Platte erwähnt wird.

Rückseite des Covers

Musikalisch bieten The Who hier besten Power-Pop, für die Zeit mitunter ziemlich krachig, vor allem aber vielseitig und vielschichtig. Hier gibt es Gesangsharmonien, die an die Beatles erinnern (Mary Ann With The Shaky Hand), den psychedelischen Opener Armenia City In The Sky und Akustisches wie Sunrise. Die Single I Can See For Miles, vielleicht der typischste Who-Song hier, entwickelt sich zum Hit und erreicht Platz Zehn in den britischen Single-Charts.

Ursprünglich soll die Platte am 17. November erschienen, doch wiederholte Diskussionen über die Songreihenfolge sorgen für eine massive Verschiebung. Am 15. Dezember 1967 steht The Who Sell Out schließlich in den Regalen, und zwar in zwei Versionen: einmal in Mono, einmal in Stereo. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. In England liegt den ersten 1000 Exemplaren ein farbiges Poster bei, das heute als teures Sammlerstück gilt. Mit der Scheibe erreichen The Who Platz 13 in ihrem Heimatland. Vielleicht wäre da noch mehr drin gewesen, denn manche Hörer empfinden die Fake-Werbespots als störend. Auch die Ironie in Inhalt und Verpackung kommt bei der ernsten Underground-Szene der Zeit nicht gut an. Als unkonventionelles künstlerisches Statement funktioniert The Who Sell Out aber heute noch.

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