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Popkultur

Zeitsprung: Am 20.5.1988 erscheint das vergessene Pantera-Album „Power Metal“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 20.5.1988."

von Christof Leim

In Texas gelten Pantera Mitte der Achtziger schon als Lokalhelden. Drei Alben haben sie draußen, die musikalischen Fähigkeiten der noch jungen Musiker verblüffen, regelmäßig füllen sie mit ihrem Hair-Metal-Sound die Bars und Clubs. Doch die beiden Abbott-Brüder Vinnie und Darrell wollen viel härteren Stoff, und sie wollen höher hinaus. In New Orleans finden sie den Sänger Philipp Anselmo und veröffentlichen das Album Power Metal. Später spricht die Band nicht mehr so oft über die Platte…

Pantera schätzen wir für ihren knochenharten Groove-Metal, mit dem sie eine Schneise durch die Neunziger geschlagen haben. Die ersten Lebenszeichen der Band klingen allerdings ganz anders und sehen auch anders aus: Die drei Alben Metal Magic (1983), Projects In The Jungle (1984) und I Am The Night (1985) ziehen ihre musikalischen und optischen Einflüsse klar aus der Welt von Mötley CrüeVan Halen und Def Leppard – Hard Rock mit Glam-Schlagseite also, wie er damals zum guten Ton gehörte.

Noch nicht gut genug

Die Plattentitel und Songs wie Ride My Rocket, Heavy Metal Rules! und Forever Tonight sprechen Bände. Man muss den Buben allerdings auch zu Gute halten, dass sie beim Debüt noch Teenager waren. Spielen können sie wie die Teufel, vor allem Gitarrist „Diamond“ Darrell Abbott gewinnt so viele Talentwettbewerbe, dass er schließlich von der Teilnahme ausgeschlossen wird. Produziert werden die Platten von dem erfolgreichen Country-Musiker Jerry Abbott, dem Vater von Darrell und Schlagzeuger Vincent, veröffentlicht werden sie auf dem eigenen Label Metal Magic. Außerhalb ihres Heimatstaates Texas können die Abbott-Brüder zusammen mit ihren Mitstreitern Bassist Rex Brown und Sänger Terrence Lee alias Terry Glaze allerdings nichts reißen. Kein Wunder: Die Songs sind zwar kompetent geschrieben und gespielt, aber komplett austauschbar und identitätslos, von den kreuzdoofen Klischee-Texten ganz zu schweigen. Kurzum: Das ist echt nicht gut.

Doch die Geschichte geht weiter, ihr fehlt nur ein Energieschub: 1986 und 1987 rollt die Thrash-Welle über den Planeten. In diesen beiden Jahren erscheinen gleich mehrere bahnbrechende Werke: Master Of Puppets von Metallica, Reign In Blood von Slayer, Among The Living von Anthrax und Peace Sells… But Who’s Buying? von Megadeth. Davon infiziert gelüstet es Pantera nach härterem Stoff. Das klappt mit Terry Glaze als Sänger allerdings nicht, und so sucht die Band schon 1986 nach einem neuen Frontmann. Darrell Abbott, der spätere Dimebag Darrell, ist da noch nicht mal 20, Vinnie und Rex sind gerade mal 22.

Frisches Blut

Im 900 Kilometer entfernten New Orleans singt derweil ein 19-Jähriger namens Philip Anselmo in den Bands Razor White und Samhain (nicht zu verwechseln mit der Band von Schinkengott Glenn Danzig). Als Anselmo nach Texas eingeladen wird und zum ersten Mal bei Pantera singt, klickt es sofort. „Wir haben uns unterhalten, dann haben wir einen Haufen Songs von Iron Maiden und Judas Priest gespielt“, erzählt der Sänger 2012 in einem Interview. „Mit Priest kannte ich mich aus. Als Kind habe ich nach der Schule immer Unleashed In the East aufgelegt und mitgesungen, und zwar Note für Note, einschließlich der ganz hohen Stellen.“

Frühes Bandfoto mit Anselmo. Und Haaren.

In seiner Autobiografie erinnert sich Bassist Rex Brown alias Rex Rocker an das erste Zusammentreffen: „Schon als der Typ durch die Tür kam, wurde klar, dass er eine Aura besitzt. Da lag echt Testosteron in der Luft. Wir haben im Wohnzimmer von Dimes Mama geprobt und die Amps auf Zwölf gedreht. Ich hatte eine Flasche Tequila dabei, ein Joint ging rum, und dann haben wir alle Judas-Priest-Songs gespielt, die wir können. Die Vorliebe für Priest hatten Darrell und Phil von Anfang an gemeinsam. Und das hört mal auf Power Metal auch.“ Vor allem klingen die neuen Demos härter, was Anselmo gefällt: „Das kam alles viel aggressiver rüber als ihre sonstigen Lieder. Für mich war klar: Wow, ihr bewegt euch in die richtige Richtung!“ Mit Phil Anselmo haben Pantera also das fehlende Puzzlestück gefunden. Damit kommt 1986 das Line-up zusammen, mit dem die Band bis zu ihrer faktischen Auflösung 2003 die Welt erobern sollte.

Ein Schritt in die richtige Richtung

Den Großteil des neuen Albums schreibt das Quartett noch 1986, die Aufnahmen überwacht wieder Jerry Abbott unter dem Pseudonym „The Eldn’“, doch mit dem härteren Sound kommt der Papa nicht mehr so klar. Die Weltherrschaft hat er für seine Söhne weiter im Blick: Vom Song Proud To Be Loud, den Keel-Gitarrist Marc Ferrari für Pantera geschrieben hatte, erhofft er sich die Aufmerksamkeit der Major-Labels. Das lässt sich durchaus nachvollziehen, denn das Ding klingt wie eine Mischung aus Lick It Up von Kiss und You’ve Got Another Thing Comin’ von Judas Priest, beides dicke Hits im Rockradio der Achtziger.

Generell klingt Power Metal größtenteils nach klassischem Heavy Metal und noch nicht nach dem herrlichen Geknüppel, das folgen sollte. Pantera stehen hier noch zwischen den Welten von Hard Rock und Thrash – und landen irgendwo dazwischen. Dazu passen die härteren Vocals von Anselmo, der hier viel mehr in höheren Lagen herumschreit als später. Die Texte und Songtitel stammen weiter ganz tief aus der Klischeekiste. „Power Metal war eben eine reinrassige Power-Metal-Platte“, blickt Anselmo Jahre danach zurück. „Ich kann allerdings nicht sagen, dass ich stolz darauf bin. Es ist offensichtlich, dass wir als Band damals noch herausfinden mussten, wer wir sind und was wir können. Ich war gefühlt erst zwei Wochen dabei, als wir schon im Studio standen und es hieß: Schreib’ mal schnell Heavy-Metal-Texte! Das habe ich so gut gemacht, wie ich konnte, und sie sind auch härter ausgefallen. Aber das ist nichts, in dem viel Seele steckt. Für diese Songs habe ich nicht so geblutet wie im weiteren Verlauf unserer Karriere.“

Jeans, T-Shirt, Metal

Power Metal erscheint im Frühsommer 1988: Die Wikipedia-Seite zur Pantera-Diskografie nennt den 24. Juni 1988, andere Quellen sprechen vom 20. Mai, der frühesten auffindbaren Variante. Beim Coverartwork wurden offensichtlich sowohl Kosten als auch Mühen gescheut (oder das Budget reichte einfach nicht), und wir können nur betonen: Das sind echt die Pantera! Wir möchten insbesondere auf Anselmos wilde Mähne hinweisen, die nach Rock’n’Roll-Styling-Trick 294 lässig über ein Auge geföhnt wurde. (Mehr coole Fotos aus der Zeit gibt es hier.)

Nicht alle Fans kommen mit dem angefetteten Sound und Image klar, doch nach und nach taucht neue Gefolgschaft auf und macht die Clubs wieder voll. In dieser Phase entscheiden Pantera, sich von Spandexhosen und den Resten ihres Glam-Images zu verabschieden und auch die üblichen Metal-Insignien aus Leder und Nieten im Schrank zu lassen. „Diese magischen Klamotten spielen keine Songs, sondern wir“, verkündet Vinnie Paul bei einem Band-Meeting. „Wir sollten einfach anziehen, worin wir uns wohlfühlen: Jeans, T-Shirt, was auch immer. Und dann sehen wir, was passiert.“

In Vergessenheit

Und es passiert… erstmal nichts Großes. Die Platte erfährt durchwachsene Kritiken, schafft es aber immerhin bis auf Platz 133 in den Charts. Von den drei vorherigen Alben hatte nur eines die Top 200 geknackt. Aber die Welt wird aufmerksam: Diamond Darrell darf bei Megadeth vorspielen, lehnt den Job aber ab, weil sein Bruder nicht auch einsteigen darf. Vor allem aber ebnet Power Metal den weiteren Weg: Pantera haben mittlerweile ganz andere Musik im Sinn, unterschreiben bei einem Majorlabel und bringen 1990 das legendäre Cowboys From Hell auf den Markt.

Damit bricht eine neue Ära in der Karriere der Band und auch in der Welt des Metal an. Power Metal gerät in Vergessenheit, was auch daran liegt, dass Pantera sämtliche Platten vor Cowboys aus ihrer eigenen „Geschichtsschreibung“ tilgen. Weil Power Metal zudem nach 1988 nie neu aufgelegt wird, gelten Originalausgaben auf CD, Kassette oder Vinyl als teure Sammlerstücke. Als Übergangsalbum und Einstand von Phil Anselmo kommt Power Metal durchaus eine Bedeutung zu. Doch der wahre Spaß mit Pantera geht erst danach los…

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Zeitsprung: Am 14.12.2004 wird Pantera-Gitarrist Dimebag Darrell beerdigt

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Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.

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Header-Bild Credit: Kreepin Deth/Wiki Commons

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.

von Christof Leim

Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.

Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:

Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.

Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.

Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“

Längt beschlossene Sache

Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“

Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.

Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.

Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.

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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.

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Popkultur

„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?

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Boygenius HEADER
Foto: Noam Galai/Getty Images

Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.

von Björn Springorum

Hier könnt ihr euch The Record anhören:

Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.

Wie einst Nirvana

Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.

Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.

Die Avengers der Indie-Welt

Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.

Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.

Musste Rick Rubin draußen bleiben?

Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.

The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.

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boygenius: Wer steckt hinter der Indie-Supergroup?

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Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.

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Chuck Berry Johnny B Goode Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.

von Christof Leim

Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.

Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.

Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry

Aus dem Stand ein Hit

Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.

Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.

Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.

Da kommt noch mehr

Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.

Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.

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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.

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