Popkultur
Zeitsprung: Am 5.5.1978 veröffentlichen AC/DC „Powerage“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 5.5.1978.
von Christof Leim
Die Mission stand von Anfang an fest: Rock’n’Roll. Davon rücken AC/DC auch 1978 mit Powerage keinen Millimeter ab. Doch sie verfeinern ihre Formel und bestechen durch hocheffektive Songs und clevere Texte. Weil dieses fünfte Album der Band (das vierte auf dem internationalen Markt) jedoch keine herausragenden Überhits produziert, geht es öfter etwas unter zwischen dem ersten Quantensprung Let There Be Rock und dem Durchbruch Highway To Hell. Allerdings zeigt sich mehr denn je, dass niemand den einfachen, aber höllisch schweren Boogie-Groove so drauf hat wie AC/DC. In Sachen Songwriting sind die Australier sogar so im Schwung, dass sie quasi auf Bestellung eine Radiosingle schreiben und eine andere großartige Nummer für Dekaden verschwinden lassen können. Powerage markiert zudem den Einstand von Bassist Cliff Williams.
Hier könnt ihr in Powerage reinhören:
Powerage soll’s richten. Mit dem ungehobelten Let There Be Rock hatten AC/DC 1977 zum ersten Mal Eindruck beim US-Publikum hinterlassen und die erste Schritte in diesen immens wichtigen Markt machen können. Jetzt soll der Durchbruch klappen: Australien, Europa, USA, Weltherrschaft. Vorher muss allerdings noch der Bassist gehen: Nach einer Tour im Vorprogramm von Black Sabbath im April 1977 wird Bassist Mark Evans gefeuert. Warum genau, kann keiner mehr so recht sagen, offiziell geht es darum, dass er keine Backing-Vocals singt. Doch allem Anschein nach verstehen sich die Young-Brüder Angus und Malcolm einfach nicht (mehr) mit Evans. Und das heißt im Kosmos von AC/DC: Auf Wiedersehen. Mark Evans darf von London, wo die Band damals ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatte, wieder zurück nach Australien fliegen. Als Nachfolger wird der Brite Cliff Williams engagiert, der vorher bei den Gruppen Home und Bandit gespielt hatte.
Der neue Mann am Bass: Cliff Williams. Credit: Ac-dcfreak785.
Die Aufnahmen zu Powerage finden von Januar bis März 1978 in den Albert Studios in Sydney statt, wo AC/DC bisher alle ihre Alben eingespielt haben. Als Produzenten fungieren erneut der ältere Young-Bruder George und Easybeats-Veteran Harry Vanda. Bereits im vorherigen Juli hatte die Band in Australien während der Einarbeitung von Cliff an neuen Songs gearbeitet, darunter auch an einer Frühversion von Touch Too Much von Highway To Hell.
Alles wie gehabt. Gut so.
Mark Evans gibt später zu Protokoll, dass die Basics einiger Nummern bereits während der Arbeit an Let There Be Rock aufgezeichnet wurden – und er deshalb an einigen Stellen von Powerage zu hören sei. Andere Quellen gehen sogar davon aus, dass sämtliche Bassspuren von George Young eingespielt wurden. Die Einzelheiten sind vier Dekaden später untergegangen, aber letztlich ist es auch egal: AC/DC klingen, wie AC/DC zu klingen haben. Das liegt auch daran, dass die Band ihre Stücke wie schon auf Let There Be Rock so „live“ aufnimmt, wie es nur irgendwie möglich ist. In Up To My Neck In You hört man zum Beispiel deutlich, wie Angus für sein Solo in einen anderen Klangkanal umschaltet, weil der Song nicht unterbrochen wird.
Das Resultat: Purer Rock’n’Roll, dem man die Energie in jedem Dezibel anhört. Doch leider wünschen sich die Verantwortlichen ihres Labels Atlantic in den USA wieder eine Radiosingle. (Wo sie die vorher auf Let There Be Rock inmitten der Tracks über Blowjobs, dicke Groupies und die Hölle als netten Ort gefunden haben wollen, ist uns allerdings ein Rätsel.)
Eiliger Nachschlag
Die ersten Testauflagen der Platte laufen in Großbritannien bereits aus der Presse, als die Band noch schnell eine weitere Nummer raushaut. Das sollte einiges an Produktionschaos hervorrufen, wie wir noch sehen werden. Das nachgelegte Rock’n’Roll Damnation enthält Handklatscher, Percussion und nicht mal ein Gitarrensolo – klingt aber trotzdem höchstens ein Millimeterchen radiogefälliger als der Rest des AC/DC-Kanons. Doch die Nummer funktioniert bestens und wird sogar an den Anfang der Platte gesetzt.
Die nachgelegte „Radiosingle“ des Albums: „Rock’n’Roll Damnation“
Alle Songs von Powerage stammen erneut von den beiden Gitarristen Malcolm und Angus Young sowie Sänger Bon Scott. Hier finden sich ein paar spätere Klassiker wie Sin City und Riff Raff, aber nicht die Hits wie Whole Lotta Rosie, die Jahrzehnte später noch auf jeder Setlist stehen. Trotzdem zeichnet sich die Scheibe durch ein bemerkenswert hohes Niveau aus. Es gibt hier keinen Ausfall, alle Stücke fallen in die Kategorie „Songs, die man eigentlich kennen muss“. Das ist der reine Stoff, unglaublich zielgerichtet und komplett frei von allem Schnickschnack, aber trotzdem quicklebendig und bunt. AC/DC wissen mittlerweile ganz genau, was sie da tun, und lassen sich nicht davon abbringen. Rock’n’Roll, der so Spaß machen soll, ist eine verdammt ernste Angelegenheit.
Die Rückseite von „Powerage”: Würden sie diesen Herren ihre Tochter oder ihre Biere anvertrauen?
Immer das Wesentliche
Als Texter brilliert Bon Scott hier auf ganzer Linie: Der damals 30-Jährige erweist sich als weltgewandter Straßenpoet mit viel Augenzwinkern, Lust am Leben und einer agilen Sprache, die nie überzogen daherkommt, aber eben auch nicht doof. Reduktion aufs Maximum war eben immer schon das Geheimrezept von AC/DC. Die Themen mögen Rock’n’Roll-Klischees sein, doch die Worte spielen ziemlich clever damit. Beste Beispiele sind Down Payment Blues über den Geldmangel des Herumtreibers („I got myself a Cadillac, but I can’t afford the gasoline“) und das Lamento Gimme A Bullet über den Abgang der Herzdame („Gimme a bullet to bite on/And I’ll make believe it’s you“). In Gone Shootin’ packt Scott sogar ausnahmsweise mal ein ernstes Thema an, nämlich Heroinsucht, bleibt aber immer auf dem Boden der Tatsachen: „I stir my coffee with the same spoon“. Ausgerechnet dieser Song findet 1996 Verwendung im Soundtrack zu einem Film über zwei Figuren der Hochkultur: Beavis & Butt-head Do America.
Viele der frühen AC/DC-Alben erscheinen damals weltweit in unterschiedlichen Versionen, und Powerage macht da keine Ausnahme. Immerhin kommt die Scheibe – fast – zeitgleich in Australien und in Übersee auf den Markt und besitzt zum ersten Mal nur ein Artwork für alle Varianten. In den USA steht sie am 5. Mai 1978 in den Läden, in Europa am 15. Mai, manche Quellen sprechen auch vom 1.5. oder 25.5.
Durcheinander bei der Tracklist
Die erste UK-Auflage von Powerage jedoch enthält andere Mixe als sämtlich spätere Versionen. Das hört man nicht nur im härteren Sound, sondern auch in den Arrangements, etwa in Down Payment Blues, bei dem das langsame Ende fehlt, und in Kicked In The Teeth, das hier noch einen Eröffnungsakkord enthält, der später abgeschnitten wird. Bei What’s Next To The Moon wurden sogar Soli und Backing-Vocals weggelassen oder waren noch nicht fertig. In den ganz frühen Pressungen fehlt zudem die Single Rock’n’Roll Damnation. Ein Chaos war das. Dafür können sich europäische Fans über den Song Cold Hearted Man freuen, der auf ihrer Vinylversion zu finden ist, aber auf jeder späteren Auflage und in sämtlichen digitalen Formaten fehlt. Erst 2009 wird die Nummer auf der Compilation Backtracks erneut veröffentlicht und erscheint auch 2010 auf dem Iron Man 2-Soundtrack.
In ihrem Heimatland Australien erreichen AC/DC mit Powerage Platz 22, in den USA reicht es mit Platz 133 leider noch nicht für die Oberliga. Doch die Platte besitzt Stehvermögen und hat mittlerweile längst einen Platinbezug für über eine Million verkaufter Exemplare erhalten. Sogar Rolling-Stones-Legende Keith Richards nennt Powerage sein Lieblings-AC/DC-Album. Und mehr noch: AC/DC-Chef Malcolm Young höchstselbst sagte: „Ich weiß, dass eine Menge Leute das Album schätzen, die echten Fans nämlich, die auf puren Rock’n’Roll stehen. Die Platten wird von all unseren Platten am meisten unterschätzt.“
Natürlich begeben sich AC/DC nach Veröffentlichung wieder auf eine ausgiebige Tour und schneiden das herrlich rüde Livedokument If You Want Blood You’ve Got It mit. Schon 1979 kommt das nächste Studioalbum, bei dem sich einiges ändern sollte: Zum ersten Mal wechseln AC/DC den Produzenten und nehmen mit Hitschmied Mutt Lange Highway To Hell auf. Aber das ist mal wieder eine andere Geschichte…
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Zeitsprung: Am 17.3.1985 führt die Spur eines Serienkillers zu AC/DC.

Popkultur
Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.
von Christof Leim
Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.
Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:
Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.
Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“
Längt beschlossene Sache
Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“
Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.
Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.
Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.
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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.
Popkultur
„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?
Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr euch The Record anhören:
Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.
Wie einst Nirvana
Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.
Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.
Die Avengers der Indie-Welt
Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.
Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.
Musste Rick Rubin draußen bleiben?
Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.
The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.
von Christof Leim
Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.
Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.
Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry
Aus dem Stand ein Hit
Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.
Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.
Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.
Da kommt noch mehr
Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.
Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.
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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.
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