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Die Neue von The Who kommt unerwartet, klingt aber wie erwartet

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Nein, Überraschungen darf man nach 55 Jahren The Who keine mehr erwarten. Die hatten Pete Townshend und Roger Daltrey aber auch wirklich zur Genüge in der Hinterhand. Who konzentriert sich auf die Stärken der Mod-Rüpel, kippt aber hin und wieder gen Pathos.

von Björn Springorum

Lässiger und aufsässiger hätte man auch damals in den Sechzigern keine Platte beginnen können: „I don’t care – I know you’re gonna hate this song“ schmettern uns The Who gleich zu Beginn des Openers All This Music Must Fade entgegen. Mir doch egal, ich weiß doch eh, dass du diesen Song hassen wirst. Das ist nicht nur ziemlich clever und ein klares Signal an all die allen hyperkritischen Zweifler*innen da draußen, denen man es eh nicht recht machen kann. Es ist vor allem das genaue Gegenteil von einer gewissen Altersmilde. Einmal Mod, immer Mod.

Das gilt – so können wir gleich mal festhalten – für fast alle anderen Songs auch. Who, das zwölfte Studioalbum, ist zweifellos das Werk, das niemand mehr erwartet hatte. Umso erfreulicher, dass es uns noch geschenkt wurde. Seit dem Tod von John Entwistle 2002 als unverbesserliches Grantler-Duo in bester Statler & Waldorf-Manier unterwegs, beenden Pete Townshend und Roger Daltrey das Rock-Jahr 2019 zwar nicht nicht mit einer neuen Karrierebestleistung; dafür mit einem mehr als soliden Album, auf dem sich einige Glanzmomente eingefunden haben.

Rabaukentum trifft Pathos-Pop

Sie selbst wissen das natürlich am besten. Die britischen Mod-Rabauken treten nicht an, um Tommy oder Quadrophenia zu überflügeln oder um lauter, wilder und tobender zu sein als damals auf ihrem schroffen Debüt My Generation. Sie wollten einfach noch mal gemeinsam ein Album schreiben, das ihnen Spaß macht. Das ist mit Who mehr als gelungen. Der schon erwähnte Opener erinnert angenehm an Pinball Wizard. Ball And Chain hat einen locker-verschleppten Blues-Groove und ist nebenbei hübsch USA-kritisch und Detour gefällt mit süffigem Funk-Aroma und Chören. Hero Ground Zero macht dann deutlich, dass die Band eben gerne auch mal für Pomp und Pathos stand.


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Insbesondere jene bombastischen Momente (etwa auch in Beads On A String mit seinem Sitcom-Appeal) sind es, die ihnen früher noch gelangen, heute aber gerne ins Kitschige abdriften. Logo, es sind eben keine Typen Mitte 20 mehr, die hier Musik machen. Sondern Gentlemen Mitte 70. Und dafür kann man Komponist Townshend nur beeindruckt auf die Schultern klopfen: Von allen noch aktiven Rock-Bands dieser Zeit schreibt er immer noch die besten Songs.

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Starker Schluss, noch stärkeres Cover

Spannend wird Who, übrigens ihr erstes Album seit 13 Jahren und erst ihr zweites seit 1982, dann wieder so richtig zum Schluss. Zugegeben, man muss das seicht und nichtssagend vor sich hinplätschernde I’ll Be Back durchstehen; danach lässt es sich aber in den bittersüßen, kristallklaren Folk-Akkorden von Break The News baden, einem vollkommen zeitlosen Schmuckstück. Und bei Rocking In Rage lassen sie dann ihre Verstärker noch mal so richtig glühen und Daltreys Stimmbänder herrlich kratzig vibrieren. Getreu dem Motto: Jetzt muss ich mich ja eh nicht mehr schonen.

Man sieht also: Auf Who passiert nichts Weltveränderndes und die Rock-Welt wäre ohne dieses Album nicht sehr viel ärmer gewesen. Dass zwei altgediente Vorreiter der englischen Rock-Musik aber selbst nach 55 gemeinsamen Jahren substantielle, bedeutsame Songs erschaffen, ist eine dieser schönen Fügungen, die uns die Musikgeschichte hin und wieder mal beschert. Das müssen die Stones, die uns mit Ausnahme ihrer Blues-Cover auch seit bald 20 Jahren keine neue Platte vorgelegt haben, erst mal schaffen.

PS.: Das wunderbare Artwork der Design-Legende Peter Blake (Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band) ist übersät von Referenzen auf die lange und bewegte Karriere der Band. Allein dafür muss man The Who lieben.

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