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Popkultur

10 Songs, die jeder Fan von Miles Davis kennen muss

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Miles Davis
Foto: Jack Vartoogian/Getty Images

Wenn irgendwo die einflussreichsten Jazzmusiker*innen aller Zeiten aufgelistet werden, steht sein Name meist an erster Stelle. Immer wieder hat er dem Genre neues Leben eingehaucht und Generationen von Musiker*innen den Weg gewiesen. Die wichtigsten Songs aus seiner Diskografie auszuwählen, scheint unmöglich, doch wir haben es versucht. Diese zehn Songs von Miles Davis sollte jeder Fan kennen.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch unsere Miles-Davis-Empfehlungen anhören:

1. Venus de Milo (aufgenommen 1949)

Zur Welt kommt Miles Davis am 26. Mai 1926 in Alton, Illinois. Er wächst in St. Louis auf, später zieht es ihn an die renommierte Universität Juilliard in New York City. Sein Studium bricht er allerdings ab und tritt stattdessen dem Quintett von Jazzlegende Charlie Parker bei. Dort bleibt er bis 1948 an Bord, zeitgleich startet Davis seine Solokarriere. 1949 und 1950 nimmt er einige Songs für Capitol Records auf, die 1957 auf der Compilation The Birth Of Cool erscheinen. Auch dabei: Venus de Milo. Geschrieben wurde das Stück von Saxofonist Gerry Mulligan; Legendenstatus erreicht es durch die Verschmelzung des künstlerischen Ansatzes eines Charlie Parker und des traditionellen Big-Band-Sounds eines Duke Ellington. Dieser Song ist in mehreren Welten zuhause, genau wie Miles Davis es immer war.

2. Solar (aufgenommen 1954)

Dieser lässige Blues stammt aus der Feder von Jazzgitarrist Chuck Wayne, doch die erste Aufnahme des Stücks spielt Miles Davis ein. Der Song erscheint 1954 auf Miles Davis Quintet und gehört heute zu den Standards des Jazz. Auch für Davis selbst scheint Solar wichtig gewesen zu sein, denn die ersten zwei Takte zieren seinen Grabstein auf dem Woodlawn-Friedhof in der Bronx. (Duke Ellingtons Grab ist übrigens ganz in der Nähe.)

3. Générique (aufgenommen 1957)

1957 erhält Miles Davis einen ganz besonderen Auftrag: Er soll den Soundtrack für den französischen Krimi Fahrstuhl zum Schafott komponieren und aufnehmen. Drahtzieher ist Jean-Paul Rappeneau, der damalige Assistent von Regisseur Louis Malle. Rappeneau arrangiert ein Treffen zwischen Davis und Malle und nach einer Privatvorführung nimmt Davis den Job an. Die Aufnahmen gehen am 4. und 5. Dezember 1957 über die Bühne; was die Komposition betrifft, verfolgt Davis seinen ganz eigenen Ansatz. Er bestellt vier Musiker ins Studio, sagt ihnen aber nicht, worum es geht. Vor Ort gibt er ihnen ein paar Akkordfolgen an die Hand, die er im Hotel notiert hat, erklärt ihnen den Plot des Films und lässt die Musiker improvisieren, während die relevanten Filmszenen an die Wand geworfen werden. Mit Générique beginnt der Soundtrack.

4. So What (aufgenommen 1959)

Nach seiner Rückkehr aus Paris trommelt Davis seine Jungs zusammen, darunter auch Saxofonist John Coltrane, der (wie Davis selbst) unter einem Drogenproblem litt, es zu jener Zeit aber überwunden hat. Das Ergebnis: ein Sextett. Dessen Line-up ändert sich zwar noch, wie es bei Davis üblich ist, doch schlussendlich spielen Trompeter Miles Davis, Altsaxofonist Julian „Cannonball“ Adderley, Tenorsaxofonist John Coltrane, Pianist Bill Evan (und Pianist Wynton Kelly), Bassist Paul Chambers und Schlagzeuger Jimmy Cobb das wohl legendärste aller Miles-Davis-Alben ein: Kind Of Blue.

Mit diesem Jahrhundertwerk des Jazz sprengen Davis und seine Mitmusiker die Grenzen des Genres. Das hat mit Kirchentonarten, Halbtonschritten und Modi zu tun, doch die große Theorie lassen wir an dieser Stelle mal außen vor und konzentrieren uns stattdessen auf die Essenz: Davis und seine Band weichen auf Kind Of Blue von den seinerzeit übliche Dur-/Moll-Tonleitern ab und gehen stattdessen sehr viel facettenreicher zur Sache, vor allem durch vielfältige Improvisationen. Auch für diese Aufnahme verteilt Davis vorab nur ein paar grobe Skizzen. Bei So What handelt es sich um den ersten (und wohl bekanntesten) Song der Platte.

5. Blue In Green (aufgenommen 1959)

In der gleichen Session wie So What entsteht auch Blue In Green. (Hier und dort wird behauptet, Kind Of Blue sei das Ergebnis einer einzigen Aufnahmerunde, aber das stimmt nicht. Tatsächlich befindet sich auf der Platte nicht ein einziger „First Take“.) Querelen entstehen hier vor allem wegen des Urheberrechts. So heißt es auf dem LP-Cover, dass Davis das Stück komponiert hat, doch in der Realität scheint Pianist Bill Evans den Song geschrieben zu haben. Der gibt im Mai 1979 in einem Radio-Interview das hier zu Protokoll: „Die Wahrheit ist, dass ich die Musik geschrieben habe … Ich möchte keine Staatsaffäre daraus machen. Die Musik ist da und Miles bekommt die Tantiemen …“ Als Evans das Thema seinerzeit bei Davis angesprochen habe, habe der ihm einen Scheck über 25 US-Dollar ausgestellt. Ein schlechter Deal, denn Kind Of Blue behält seinen Legendenstatus bis heute. Immer noch sind sich zahlreiche Musikexpert*innen einig, dass die Platte die Musikwelt nachhaltig verändert hat. Mehr als sechs Millionen Verkäufe und vierfaches Platin sprechen (in der Jazzwelt, nicht in der Popwelt) für sich.

6. Concierto de Aranjuez (Adagio) (aufgenommen 1959)

Den Grundstein für diese Aufnahme legt Miles Davis’ Frau Frances. Die schleift ihren Gatten nämlich zu einem Auftritt des Flamenco-Tänzers Roberto Iglesias und inspiriert Davis damit zu seiner Platte Sketches Of Spain. Er soll nach dem Konzertbesuch alle Flamenco-Platten bei Colony Records in New York City aufgekauft haben. Für die Umsetzung seiner Idee tut er sich mit Gil Evans zusammen. „Eigentlich hatten wir kein spanisches Album geplant“, erzählt der Pianist in einer Biografie von Stephanie Stein Crease. „Wir wollten nur das Concierto de Aranjuez aufnehmen.“ Und genau das nimmt auch fast die Hälfte der Platte ein. Es handelt sich dabei um eine Komposition des Spaniers Joaquín Rodrigo, die sich Davis durch sein einzigartiges Trompetenspiel völlig zu eigen macht.

7. Joshua (aufgenommen 1963)

Joshua stammt von Davis’ achtem Album Seven Steps To Heaven, das nach großen Umwälzungen aufgenommen wird. Davis hat zu jener Zeit gerade erst einige gesundheitliche Probleme hinter sich gebracht, die dafür gesorgt hatten, dass er zahlreiche Konzerte absagen musste und finanziell nicht mehr so gut dastand. Außerdem quittierte seine komplette Band den Dienst, sodass er neue Musiker engagieren musste, um wieder Geld mit Clubgigs verdienen zu können. Nach einigen Wechseln kann er eine gute Truppe um sich scharen, zu der auch Pianist Herbie Hancock gehört. Und genau sitzt auch bei Joshua am Klavier, der vielleicht stärksten Nummer auf Seven Steps To Heaven.

8. My Funny Valentine (aufgenommen 1964)

My Funny Valentine von 1937 gehört unumstößlich zu den Jazzstandards des 20. Jahrhunderts und wurde auf über 1.300 Alben von mehr als 600 Künstler*innen interpretiert. Darunter auch Miles Davis, der das Stück am 12. Februar 1964 live in der Philharmonie des Lincoln Centers in New York City spielt. Zwei Alben entstehen aus dem Konzert. Zum einen Four & More mit den schnelleren Stücken, zum anderen My Funny Valentine mit den langsameren Songs. Davis’ Biograf Ian Carr stellt fest, dass die Lieder auf Four & More zu schnell und zu wild gespielt worden seien, während Davis auf My Funny Valentine mit „mehr Tiefe und Brillanz spiele“ als zuvor.

9. Right Off (aufgenommen 1970)

Für die Dokumentation Jack Johnson über den gleichnamigen Schwergewichtsboxer begibt sich Miles Davis erneut in die Welt der Soundtracks. In den Liner Notes des Albums beschreibt er, dass er sich mit Johnsons Geschichte identifizieren könne. Johnson sei ein Meister des Boxsports gewesen, habe eine Affinität zu schnellen Autos, Jazz, Kleidung und Frauen gehabt, sei ein authentischer Schwarzer gewesen und habe Weißen gegenüber das einschüchternde Bild eines großen Schwarzen Mannes abgegeben. Musikalisch begibt sich Davis für seinen zweiten Soundtrack in Fusion- und seichte Funk-Gefilde. Bei Right Off handelt es sich um den ersten Song des Albums und er wurde aus verschiedenen Takes und einem Solo von Davis zusammengesetzt.

10. Intro (aufgenommen 1985)

Das Album Aura stammt aus der Feder des dänischen Jazztrompeters Palle Mikkelborg. Inhaltlich verfolgt er auf der Platte einen interessanten Ansatz und benennt die Songs (bzw. Sätze) nach den Farben, die er in Miles Davis’ Aura wahrgenommen haben möchte. Das Intro baut er auf den zehn Buchstaben M-I-L-E-S D-A-V-I-S auf, denen er Töne zuordnet, aus denen er den Grundakkord für das Eröffnungsstück ableitet. Eigentlich sollte Davis selbst nur ein Solo zum letzten Satz beisteuern, doch schlussendlich spielt er in fast allen mit und nimmt sogar Einfluss auf das komponierte Material. Es handelt sich um die letzte Miles-Davis-Veröffentlichung, die zu seinen Lebzeiten erscheint.

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