Popkultur
Der Letzte seiner Art: 7 wilde Geschichten aus dem Leben des Mythos Jerry Lee Lewis
Mit dem Tod von Little Richard ist er offiziell der Last Man Standing: Jerry Lee Lewis ist der letzte Überlebende, der letzte noch lebende Gründervater des Rock’n’Roll. Mit 84 Jahren hat er mehr Anekdoten zu erzählen als die meisten anderen, ist mehr Mythos als Mensch. Hier sind einige besonders denkwürdige aus Licht und Schatten.
von Björn Springorum
Man stelle sich vor, ein Elvis Presley hätte im Januar 2020 ein Gospel-Album aufgenommen. Undenkbar natürlich – sofern man davon ausgeht, dass der King tatsächlich tot ist und es sich nicht in irgendeinem tropischen Paradies fern des Trubels gutgehen lässt. Ein Weggefährte Presleys hat aber genau das getan: mit strammen 84 Jahren ein Gospel-Album aufgenommen und sich damit einen Traum erfüllt. Die Rede ist von Jerry Lee Lewis. Nach einem Schlaganfall 2019 hat sich der streng christlich erzogene Sänger aus Louisiana wieder hochgekämpft, wieder spielen gelernt. Nach dem Tode von Little Richard am 7. Mai 2020 ist der erste wilde Mann des Rock’n’Roll plötzlich der letzte noch lebende Pionier der modernen Musik. Jerry Lee Lewis – der letzte Dinosaurier.
Architekt des Rock‘n‘Roll: Die glanzvollsten Momente von Little Richard
Seine Versionen von Whole Lotta Shakin’ Going On und natürlich Great Balls Of Fire gelten als Initialzündungen des Rock’n’Roll, als Exempel, wie manisch, besessen und entfesselt man diese Musik spielen kann. Der Interpret dahinter ist ein genialer, vollkommen enthemmter Entertainer mit mehr Charisma als die meisten Bands zusammen. Dieser Streifzug durch seine Karriere zeigt aber auch, dass er bei allem Ikonenstatus kein einfacher Typ ist. Und von allen Pilgervätern des Rock der Wildeste war, der nichts ausgelassen hat.
1. Mein Piano brennt
Jerry Lee Lewis ist die Urform des exzentrischen, narzisstischen Rockstars. „Elvis war der Größte, ich war der Beste“, sagt er gern und oft. Er ist berüchtigt dafür, Auftritte kurzfristig und vollkommen grundlos abzusagen. Niemand muss dafür tiefer in die Tasche greifen als er, um Konventionalstrafen abzustottern. Wenn er aber spielt, dann entzündet er nicht nur den gesamten Saal: Mehr als einmal hat er sein Piano, auf das er im Stehen einhackt wie ein Bauarbeiter, in Flammen gesteckt. Das erste Mal passiert es, weil Lewis sauer ist, dass statt ihm sein Kumpel Chuck Berry einen Konzertabend beschließt. Er schüttet Benzin aus einer Coladose über das Klavier – und spielt Great Balls Of Fire im Widerschein der Flammen dann einfach zu Ende. „Mal sehen, wie du das toppst, Chuck“, soll er noch gesagt haben.
2. Meine Cousine und ich
Als Lewis 22 Jahre alt ist, tritt er schon das dritte Mal vor den Traualtar. Ist natürlich seine Sache und insbesondere im Rock’n’Roll bekanntermaßen fast schon Mode. Das Problem ist nur: Seine Ehefrau ist seine gerade mal 13-jährige Großcousine Myra Gale Brown. Der wilde Rock’n’Roller aus den Südstaaten muss seine Tour durch Großbritannien abbrechen, als es an die Öffentlichkeit dringt, seine Karriere erleidet einen Dämpfer, von dem sie sich nie wieder erholen wird. Selbst Schuld, muss man da klipp und klar sagen. Das Schicksal seines Sohnes mit Myra indes ist tragisch: Er ertrinkt 1962, mit gerade mal drei Jahren, in einem Swimmingpool.
3. Meine Eltern geben alles
Wer in den 1930ern in Louisiana geboren wird, hat nicht unbedingt das, was man sich unter einem bequemen und sorgenfreien Leben vorstellt. Die Great Depression trifft die Südstaaten hart, seine fundamental-christlichen Eltern haben kaum genug zu Essen, der Vater landet mal im Knast. Dennoch sehen sie das bemerkenswerte Talent in ihrem blonden Jungen – selbst dann, als sie merken, dass es doch sehr von der Kirchenmusik abweicht, der sie sich fromm widmen. Sie nehmen eine Hypothek auf ihr Haus auf, um Jerry ein Piano zu kaufen und Klavierstunden zu finanzieren. Irgendwas haben sie wohl gespürt in diesem Jungen, der lieber die Musik des Teufels spielt als die des Herrn. Und damit der Größte wird. Andererseits: Eine sehr freie Boogie-Woogie-Version des klerikalen My God Is Real hatte ihn da eh schon vom Southwest Bible Institute in Waxahachie, Texas geschmissen…
4. Meine Knarren, meine Regeln
Eine besonders beunruhigende Legende (insbesondere für uns Vertreter*innen der schreibenden Zunft) besagt, dass Jerry Lee Lewis gern Pistolen zu Interviewterminen mitnimmt. Sobald er sich mit den Journalistinnen und Journalisten an einen Tisch setzt, zieht er sie aus der Tasche und legt sie vor sich auf den Tisch. Dürfte nicht unbedingt zu einer lockeren Gesprächsatmosphäre beitragen – zumal Lewis eh nur sehr selten Bock auf die Presse hat. Auf Knarren schon mehr: Er schläft bis heute mit einer Magnum unter dem Kopfkissen, hat seinem Bassisten Butch Owens schon mal versehentlich in die Brust geschossen.
Einmal, 1976, als ein besorgter Elvis ihn zu sich nach Graceland einlädt, rammt ein reichlich derangierter Lewis um drei Uhr nachts mit seinem Lincoln Continental erst die heiligen Tore des Anwesens, dann purzelt ihm eine Derringer-Pistole vom Armaturenbrett. Er wird festgenommen, weil Elvis fürchtet, Lewis will ihn erschießen. Alles lächerlich, behauptet der. Sein Mugshot, der geht dennoch um die Welt.
Jerry Lee Lewis mug shot pic.twitter.com/0bpmvfo4qs
— peterkidder (@peterkidder) June 26, 2018
5. Mein Jünger John Lennon
Irgendwann Anfang der Siebziger gibt Jerry Lee Lewis, immer noch ganz der entfesselte Teufel hinter den Tasten, ein Konzert im Roxy in Los Angeles. Nach der Show kommt ein bärtiger, bebrillter Mann zu ihm in die Garderobe, sinkt auf die Knie, krabbelt über den Boden zu ihm und küsst ihm die Füße. Lewis hat keine Ahnung, was da vor sich geht, aber er weiß, dass der Typ auf dem Boden John Lennon ist. „Ich möchte nur, dass du weißt, dass du der Kerl bist, der es mir möglich machte, ein Rock-Star zu werden“, soll er gesagt haben. Lewis viele Jahre später: „Bis heute weiß ich nicht, weshalb Elvis das nicht auch getan hat. Das ist das Einzige, das ich an ihm hasse.“
6. Meine legendäre Live-Platte
Alles an Jerry Lee Lewis ist größer als das Leben selbst. Auch seine Live-Aufnahmen: Am 5. April 1964 spielt er mit The Nashville Teens im Hamburger Star Club. Die Mikrofone sind so nah an den Instrumenten wie möglich, zudem werden Mikrofone im Publikum aufgestellt, um die Stimmung einzufangen. Das Ergebnis ist eine der besten Live-Platten der Rockgeschichte – und so etwas wie die Wiedergeburt des Jerry Lee Lewis nach dem Skandal rund um die Hochzeit mit seiner Großcousine.
7. Meine Groupies
Der Verschleiß an Frauen und kurzzeitigen Bekanntschaften ist bei Jerry Lee Lewis höher als bei Led Zeppelin und Mötley Crüe zusammen. Jede Nacht eine andere Stadt, jede Nacht eine andere Frau. Wenn mal eine mit ihm reist, hat er nach wenigen Tagen genug, steckt ihr ein Flugticket zu und verschwindet. Meist ist er weg, ehe die Dame am Morgen aufwacht. Bezeichnend für Typen wie ihn: Die eine Blonde, die mal weg war als er aufwacht, lässt ihn nicht los.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 25.3.2015 fährt James Corden Mariah Carey zur Arbeit
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.03.2015
von Victoria Schaffrath und Christof Leim
„Danke dir, dass du mir mit dem Weg zur Arbeit hilfst. Der Verkehr ist echt übel“, murmelt James Corden da beiläufig Richtung Beifahrersitz. „Ich weiß, es ist unerträglich“, erwidert keine Geringere als Mariah Carey. Am 25. März 2015 startet mit diesem Dialog Carpool Karaoke, die Kultsequenz aus Cordens Late Late Show. Sehen wir uns die Höhepunkte des Formats an.
Schaut euch hier alle Folgen von Carpool Karaoke an
Als James Corden am 23. März 2015 die Late Late Show von Brit-Kollege Craig Ferguson übernimmt, kennt ihn in Amerika kaum jemand. Der Schauspieler und Komödiant hatte sich zwar in Großbritannien einen Namen machen können, doch das Scheinwerferlicht in Kalifornien wirft größere Schatten. Corden weiß, dass er sich beweisen muss. So zieht er zwei Tage nach Amtsantritt ein Ass aus dem Ärmel.
Fahrgemeinschaft 2.0
Der junge Brite importiert ein Format, dass er erstmals für die britische Wohltätigkeitsveranstaltung Red Nose Day 2011 umgesetzt hatte: Da beorderte er George Michael in ein Auto, kurvte mit ihm durch London und trällerte gemeinsam mit dem Sänger dessen Hits. Michael entpuppte sich dabei als charmanter Partner, Corden als kompetenter Gastgeber. Zum Auftakt der US-Show muss also ein ähnlich hochkarätiger Gast her.
So kommt es, dass zwei Tage nach der „British Invasion“ des Abendprogramms Weltstar Mariah Carey in einen LA-typischen SUV steigt. Zunächst kokettiert sie noch, sie könne nach einer durchzechten Nacht nicht mitsingen, aber dann sprengt plötzlich ihr Schmettergesang die Autoscheiben. Dass Corden eine absolut passable zweite Stimme hinbekommt, sorgt bei Stücken wie Always Be My Baby, Fantasy, Thirsty und Vision Of Love mitunter für Ansätze von Gänsehaut.
Erfolgsformel Menschlichkeit
Der Sympath erklärt den durchschlagenden Erfolg des Segments (und demzufolge auch der gesamten Show) recht einleuchtend: „Da schwingt eine Einfachheit und Intimität mit. Einen Star solchen Kalibers in der gleichen Umgebung zu sehen, in der du und ich sonst auf dem Weg zur Arbeit singen, macht ihn menschlich.“
Logisch, dass danach nicht nur Musiktreibende auf Promotour, sondern ganze Musical-Besetzungen mit Corden „zur Arbeit fahren“ möchten. Die Videos, die im Netz häufig viral gehen, bringen so ungewöhnliche Partnerschaften wie Rod Stewart und Rapper ASAP Rocky oder Michelle Obama und Missy Elliott hervor. Ob oberkörperfreie Red Hot Chili Peppers, die Foo Fighters, Paul McCartney oder den gefiederten Elton John: Auch die großen Namen des Rock holt sich Corden gern dazu.
Bei so viel Prominenz lassen die Starallüren nicht zu wünschen übrig: Berufsprovokateur Kanye West sagt gleich mehrfach hintereinander kurzfristig ab und macht aus dem SUV mal eben eine Boeing; zwischen Corden und Dave Grohl gibt es nach der Ausstrahlung ein kleines Missverständnis. Immerhin rettet Anthony Kiedis laut eigenen Angaben während der Dreharbeiten einem Säugling das Leben. Das ist dann doch etwas mehr Aufruhr, als wir morgens auf dem Weg zur Arbeit ertragen könnten.
Zeitsprung: Am 2.3.2014 knipst eine YouTuberin David Gilmour – ohne es zu wissen.
Popkultur
Review: „Das ist los“ von Herbert Grönemeyer ist genau das Album, das wir jetzt brauchen
Herbert Grönemeyer schenkt uns auf Das ist los sinnstiftende Lieder über die Liebe und den Zusammenhalt. Ob er die Gesellschaft damit kitten kann, ist fraglich. Doch alleine der Versuch verdient Hochachtung.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr Das ist los hören:
Herbert Grönemeyer veröffentlicht keine Alben. Herbert Grönemeyer veröffentlicht Bestandsaufnahmen. Seines Lebens, aber auch von unser aller Leben. Immer wenn eine neue Platte von Deutschlands größtem und erfolgreichsten Künstler erscheint, so wirkt es, kommt sie genau zur rechten Zeit. Seine Lieder sind Salben für die Wunden, die wir uns seit seinem letzten Album zugezogen haben, zumeist stille und zurückhaltende Gebäude, in denen wir Schutz suchen können.
„Hoffnung ist gerade so schwer zu finden“ lautet dann auch der erste Satz des Albums. Er stammt natürlich aus der Lead-Single Deine Hand, mit der Grönemeyer schon vor einigen Monaten begeistern konnte. Eine einfühlsame Ode an Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt – wie viele seiner Songs sowohl im Mikrokosmos als auch im Makrokosmos zu sehen. Es geht um tatsächliche Partnerschaft, aber auch um den universellen Zusammenhalt. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir das als Gesellschaft dringend nötig haben.
Nur ein Gutmensch?
Fünf Jahre nach Tumult ist die Welt noch viel tumultartiger geworden. Da braucht es große Künstler, die mit Ruhe, Reflexion und Besonnenheit aufarbeiten, was da eigentlich mit uns und der Welt passiert ist in diesen irren letzten Jahren. Sicher kann man das abtun, verunglimpfen als onkelnde Ratschläge vom alten weißen Mann, als Motivationscoach mit nasaler Stimme. Damit macht man es sich aber zu einfach. Grönemeyer polarisiert, und das schon sehr lange. Die einen echauffieren sich darüber, dass er ja gar nicht singen (geschweige denn tanzen) kann, die anderen halten ihn für einen aufdringlichen Gutmenschen mit Moralkomplex und biederen Thesen. Gutmensch – wie so ein Wort überhaupt zu einer Beleidigung werden konnte, sagt ja auch sehr viel.
Manchmal spielt er seinen Kritiker*innen in die Karten auf diesem Album. Der Titelsong zum Beispiel erinnert eher an Bierzelt oder Schlagerfestival – trotz seines cleveren, defragmentierten Textes, der den Informations-Overkill der heutigen Zeit versinnbildlichen soll. Doch die großen Momente gehören eh den Balladen, das ist bei Grönemeyer schon lange so. Tau zum Beispiel, ein Lied, umrankt von Trauerflor. Der Rest ist mal flott und tanzbar, mal umgarnt von Vintage-Elekronik, mal elegisch mit Streichern.
Songs, die Mut zuflüstern
Um Tod, Verlust und Trauer geht es auch auf Das ist los. Aber nicht als Fixpunkt, sondern als Unausweichlichkeiten des Lebens. Überwiegend möchte Grönemeyer uns stärken, uns Mut zuflüstern, uns als Ganzes wieder zusammenbringen. Man darf sich fragen, wieso ihm das so wichtig ist, warum er denkt, dass ausgerechnet er als Messias zu uns singt. Man darf sich aber auch fragen, warum es sonst niemand tut. Das ist los zeigt uns, dass wir nicht aufgeben sollten, nicht verzagen sollten, nicht den Ist-Zustand beibehalten sollten. Stattdessen sollen wir „Raus in den Sturm“, wie es im dringlichen Genie heißt, rein ins Leben, in die Verantwortung.
Diejenigen, die ihn bisher schon als Gutmenschen abkanzelten, werden sich darauf stürzen und ihn in der Luft zerreißen. Dabei sind es gerade diejenigen, die hier mal genau hinhören sollten. Das ist los ist nicht das beste Grönemeyer-Album, wahrscheinlich nicht mal Top fünf. Es ist aber mal wieder mal genau das Album, was wir jetzt brauchen. Und allein dafür gebührt im Hochachtung.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 24.3.1986 triumphieren Van Halen mit neuem Sänger und „5150“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 24.3.1986.
von Christof Leim
Einen geborenen Frontmann wie David Lee Roth zu ersetzen, ist nicht einfach. Doch Van Halen machen aus der misslichen Lage Gold und Platin: Gleich das erste Album mit Sammy Hagar wird zum Nummer-Eins-Erfolg. Dabei eskalierte ein Streit im Studio so sehr, dass ein alter Kollege sogar die Bänder zerstören wollte. Dies ist die Geschichte von 5150. Und wir haben sogar einen unveröffentlichten Song ausgegraben.
Hier könnt ihr 5150 hören:
Nach dem sechsten Album 1984 geht es nicht mehr weiter: Van Halen haben sich mit David Lee Roth so zerstritten, dass sich der Sänger und überlebensgroße „Showman“ in Richtung Solokarriere verabschiedet. Einen Ersatz allerdings können Eddie Van Halen, sein Bruder Alex und Michael Anthony partout nicht finden. Die Sängerin Patty Smyth von der Band Scandal (nicht zu verwechseln mit der Punkikone Patti Smith) lehnt ab, mit der späteren Mr. Big-Stimme Eric Martin und dem australischen Musiker Jimmy Barnes kommen die Kalifornier ebensowenig zusammen. Irgendwann beginnt das Label, Druck zu machen, und fordert sogar eine Namensänderung, was Alex und Eddie Anfang 1986 in aller Form ablehnen. David Lee Roth feiert währenddessen Erfolge mit seiner Cover-EP Crazy From The Heat (1985). Keine schönen Zeiten im Van Halen-Lager also.
Tipp aus der Werkstatt
Doch dann hilft der Zufall: Als Eddie seinen Luxusschlitten – je nach Quelle ein Ferrari oder ein Lamborghini, aber wir wollen da nicht kleinlich sein – reparieren lässt, empfiehlt ihm der Automechaniker den ehemaligen Montrose-Sänger Sammy Hager, der sich mittlerweile mit Hits wie I Can’t Drive 55 und One Way To Rock als Solokünstler etabliert hat. Die Idee ist gut: Als Eddie und Sammy sich treffen, stimmt die Chemie sofort. Hagar verfügt klar über die bessere, vielseitigere Stimme im Vergleich zu „Diamond Dave“ und spielt hervorragend Gitarre, was neue Möglichkeiten für die Liveshow eröffnet. Schlagzeuger Alex Van Halen vergleicht das allgemeine Bandgefühl nach Hagars Eintritt damit, einen Porsche zu fahren nach jahrelanger Schleicherei in einem Volkswagen. Gitarrengott Eddie schlägt in die gleiche Kerbe: „Ich habe noch nie so eine Inspiration erlebt wie an diesem ersten Tag. Wir haben losgespielt, Sammy hat gesungen – und es hat einfach geklickt. Magisch.“
Im November 1985 startet das Quartett die Arbeit an einem neuen Album, im Februar 1986 ist das Ding im Kasten, nur einen Monat vor der Veröffentlichung. Weil Roth den Van-Halen-Stammproduzenten Ted Templeman bei seinem Abgang mitgenommen hatte, übernimmt der langjährige Toningenieur Donn Landee den Job. Doch Sammy fühlt sich damit unwohl: Er wünscht sich eine „richtige“ Besetzung für den Produktionsjob und vor allem eine neutrale Stimme, kein angestammtes Mitglied des inneren Zirkels. Also wird der platindekorierte Foreigner-Gitarrist Mick Jones angeheuert, um das Steuer zu übernehmen.
Eine harte Drohung
Das geht Landee so dermaßen gegen den Strich, dass er sich – kein Witz – im Studio einschließt und damit droht, die bereits gemachten Aufnahmen zu zerstören. Plötzlich fühlt sich die Atmosphäre sehr, sehr angespannt an, doch kurz vor der Explosion kann die Zündschnur gekappt werden. Landee rückt die Bänder raus, alle Unklarheiten werden beseitigt, und tatsächlich verläuft der Rest der Aufnahmen zur Zufriedenheit aller. Das fertige Album mit neun Songs (ja, damals brauchte man nicht 15 Nummern und ein halbes Dutzend Bonustracks) taufen Van Halen auf den Namen 5150, ausgesprochen „fifty one fifty“. So heißt auch Eddies Studio, benannt nachdem dem kalifornischen Polizeicode für eine geistig gestörte Person.
Das Material klingt runder und musikalischer als die Songs mit „Diamond Dave“, auch mehr nach Mainstream und weniger gewagt, aber – und hier liegt der springende Punkt – ohne jeden Zweifel zu 100 Prozent nach Van Halen. Es finden sich ein paar mehr Love-Songs und Balladen als früher, dazu ein paar ganz dicke Ohrwürmer, allen voran natürlich Why Can’t This Be Love.
Ohrwurm und erste Single von 5150: Why Can’t This Be Love
Start-Ziel-Sieg
5150 marschiert nach der Veröffentlichung am 24. März 1986 ohne Umschweife auf Platz eins der US-Charts, was Van Halen bisher noch nie hinbekommen hatten. (1984 schaffte es bis auf Platz zwei.) Satte fünf Singles werden ausgekoppelt – von insgesamt neun Songs. Das ist schon nicht so richtig schlecht. Die Tracks kennen wir alle: Why Can’t This Be Love, Dreams, Love Walks In, Best Of Both Worlds und Summer Nights . Der Rolling Stone kommentiert damals: „Die Welt gehört Van Halen, ob mit oder ohne David Lee Roth. 5150 gleicht einem bombastischen Feuerwerk einer Band auf dem Höhepunkt ihrer Fähigkeiten.“
Vier der fünf (!) Singleauskopplungen von 5150
Die nächsten zehn Jahre laufen bestens für Van Halen: Jedes (!) der folgenden Alben wird ebenfalls eine Nummer eins in den USA: OU812 (1988), For Unlawful Carnal Knowledge (1991) und Balance (1995). (Die ausführliche Geschichte der letzten Van Halen-Platte mit Sammy, findet ihr hier.)
Bonustrack!
Für die Van Halen-Freaks und Komplettisten haben wir noch ein Schätzchen: Ursprünglich sollte als fünfter Titel auf der zweiten Seite noch der Song I Want Some Action erscheinen, doch der wird nicht veröffentlicht, zumindest nicht offiziell. Zum 30. Geburtstag der Platte stellen Van Halen den Track dann ins Netz. Und hier ist er:
Vorher führte I Want Some Action ein lustiges Schattendasein: Eddie benutzt Teile der Komposition für das bluesige Instrumental Stompin’ 8H, das er 1987 bei Saturday Night Live spielt. Außerdem überlässt er die Nummer seinem Kumpel Steve Lukather, der sie 1989 auf seinem ersten Soloalbum Lukather unter dem Titel Twist The Knife verbrät, nachzuhören hier. Doch das Hauptriff gefällt Eddie so gut, dass er es selbst 1998 nochmal für den Song Dirty Water Dog auf dem Rohrkrepierer-Album Van Halen III (mit Extreme-Sänger Gary Cherone) wiederbelebt.
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Zeitsprung: Am 14.7.1984 steht Eddie Van Halen mit Michael Jackson auf der Bühne.
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