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Popkultur

Auftritte im Gefängnis, Miss Piggy und ein legendärer Mittelfinger: 6 Anekdoten, die nur aus dem Leben von Johnny Cash stammen können

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Johnny Cash
Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Ob als Wehrdienstleistender, als Musiker oder als Outlaw-Ikone: Johnny Cash hat das konservative Country-Geschäft kräftig aufgemischt und dabei immer wieder seinen schlimmsten Dämonen ins Auge geblickt. Diese sechs Geschichten können nur aus seinem wilden Leben stammen.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch American VI: Ain’t No Grave von Johnny Cash anhören:

1. Am 5. März 1953 erfuhr Johnny Cash vor allen anderen von Josef Stalins Tod.

Diese Geschichte könnt ihr im entsprechenden Zeitsprung-Artikel ausführlich nachlesen, aber auslassen können wir diese Story natürlich nicht, wenn es um die interessantesten Anekdoten aus dem Leben von Johnny Cash geht: Am 5. März 1953 erfuhr der angehende Country-Star als Erster von Josef Stalins Tod. Und das kam so: Zu Beginn der Fünfziger war Cash als Mitglied des U.S. Air Force Security Service im deutschen Landsberg stationiert. Dort arbeitete der Musiker als Morsecode-Experte, dessen Aufgabe es war, russische Nachrichten abzufangen und niederzuschreiben. Anfang März 1953 machte Cash dabei eine sensationelle Entdeckung: „Ich habe die erste Nachricht von Stalins Tod abgeschrieben“, kann man in Cashs Autobiografie nachlesen. Was genau „abgeschrieben“ beziehungsweise „kopiert“ in diesem Zusammenhang bedeutet, ist nicht final geklärt, doch eins ist sicher: Als Josef Stalin starb, stand Cash quasi an vorderster Informationsfront.

2. Am 2. April 1956 nahm Cash einen Song auf, den er in nur 20 Minuten geschrieben hatte. Der Titel der Nummer: I Walk The Line.

Manche Menschen gehen innerhalb von 20 Minuten duschen oder telefonieren mit ihrer Oma. Andere kochen möglicherweise das Abendessen oder bringen den Nachwuchs ins Bett. Johnny Cash brauchte Mitte der Fünfziger gerade einmal 20 Minuten, um einen seiner größten Hits zu komponieren: I Walk The Line. „Ich habe den Song eines Abends im Jahr 1956 hinter einer Bühne in Gladewater, Texas geschrieben“, gab Cash später in einem Interview zu Protokoll. „Ich war damals frisch verheiratet und nehme an, dass der Song eine Art Treuegelöbnis sein sollte.“ Mit „I Walk The Line“ meinte Cash also: „Ich benehme mich, versprochen.“ Am 2. April 1956 nahm Cash das Stück in den Sun Studios auf, einen Monat wurde der Song als Single veröffentlicht. Bis heute zählt I Walk The Line zu den bekanntesten Liedern von Johnny Cash.

3. Am 1. Januar 1958 spielte Cash zum ersten Mal für die Häftlinge eines Gefängnisses — allerdings nicht zum letzten Mal.

Cash ist bekannt dafür, dass er sich für Menschen einsetzte, deren Stimmen seiner Meinung nach nicht ausreichend gehört wurden. Vor allem die Behandlung US-amerikanischer Häftlinge war ihm ein Anliegen. Deshalb spielte er am 1. Januar 1958 im kalifornischen San Quentin State Prison ein Konzert für sie. „Er hat sich immer mit den Unterlegenen identifiziert“, erzählte Tommy Cash einmal über seinen Bruder. „Er hat sich mit den Gefangenen identifiziert, weil viele von ihnen ihre Strafen bereits verbüßt hatten und in einigen Fällen sogar rehabilitiert worden waren, aber dennoch für den Rest ihres Lebens dort festgehalten wurden. Er empfand großes Mitgefühl für diese Menschen.“ Das mag daran gelegen haben, dass auch Cash selbst mehrfach mit einem Fuß im Gefängnis stand. Immer wieder wurde er verhaftet, doch jedes Mal kam er mit einem blauen Auge davon. Anders als Country-Legende Merle Haggard, der am 1. Januar 1958 im Publikum saß. Er verbüßte in San Quentin eine Strafe wegen Einbruchs und erinnert sich folgendermaßen an Cashs Auftritt: „Er hatte die richtige Einstellung. Er hat Kaugummi gekaut, sah arrogant aus und hat den Wachen den Stinkefinger gezeigt. Er hat alles gemacht, was die Gefangenen tun wollten. Er war wie eine gemeine Mutter aus dem Süden, die da war, weil sie uns geliebt hat. Als er wegging, war jeder Insasse zu einem Johnny-Cash-Fan geworden.“ Es sollte nicht Cashs letzter Auftritt in San Quentin bleiben, doch dazu gleich mehr.

4. Im Herbst 1967 suchte Johnny Cash die Nickajack-Höhle auf, um dort zu sterben.

1967 steht es schlimm um Cash. Seine Amphetaminsucht hat ihn fest im Griff; das Musikgeschäft möchte nichts mehr von ihm wissen. Zu oft hat Cash seine Geschäftspartner hängen lassen, zum Beispiel in Form unzähliger Konzertabsagen und schlechter Performances. „I was scraping the filthy bottom of the barrel of life“, schreibt Cash in seiner Autobiografie, was übersetzt so viel bedeutet wie: „Ich war ganz unten am Boden.“ Im Oktober 1967 trifft der ehemalige Country-Star eine radikale Entscheidung. Schon seit Tagen hatte Cash weder geschlafen noch gegessen. „Ich hatte mich so weit von Gott und allen anderen stabilisierenden Kräften in meinem Leben entfernt, dass ich dachte, dass es für mich keine Hoffnung mehr gibt“, erinnert er sich. „Ich wusste, was ich zu tun hatte. Ich wollte in die Nickajack-Höhle in der Nähe des Tennessee River im Norden von Chattanooga gehen, damit Gott mich von dieser Erde nehmen und mich dort hinstecken kann, wo er Leute wie mich eben hinsteckt.“ Anders gesagt: Cash möchte sich in die Höhle legen, um dort zu sterben.

Doch dann kommt alles ganz unerwartet. Cash erlebt einen Moment der Erleuchtung, den er folgendermaßen beschreibt: „Die absolute Dunkelheit in der Höhle war angemessen, denn ich war in diesem Moment so weit von Gott entfernt, wie noch nie zuvor. Ich dachte, ich hätte ihn verlassen, aber er hatte mich nicht verlassen. Das konnte ich zuerst nicht glauben. Ich habe etwas sehr Starkes gefühlt, ein Gefühl von vollkommenem Frieden, Klarheit und Nüchternheit. Ich habe es nicht verstanden. Wie konnte ich mich, nachdem ich so lange wach gewesen war, meinen Körper so stark beansprucht hatte und so viele Pillen genommen hatte – Dutzende, ja Hunderte – so gut fühlen? Doch das Gefühl hielt an und mein Geist begann, sich auf Gott zu konzentrieren. Mir wurde dort in der Nickajack-Höhle etwas sehr Einfaches und Klares bewusst: Ich war nicht verantwortlich für mein Schicksal. Ich war nicht verantwortlich für meinen Tod. Ich würde sterben, wenn Gott das wollte und nicht, wenn ich es wollte.“ Ganze 36 weitere Jahre sollte Cash noch leben. Am 12. September 2003 starb er mit 71.

5. Am 24. Februar 1969 zeigte Johnny Cash seinen legendären Mittelfinger — wieder in San Quentin.

Dieses Foto von Johnny Cash kennt wirklich jeder. Aufgenommen wurde es am 24. Februar 1969, also an dem Tag, an dem Cash einmal mehr für die Häftlinge des San Quentin State Prison spielte. (Ein Mitschnitt des Konzerts erschien am 16. Juni 1969 unter dem Titel At San Quentin.) Fotograf Jim Marshall erzählte später, wie es zu dem weltberühmten Schnappschuss kam: „Ich sagte ‚John, lass uns ein Foto für die Wärter aufnehmen‘“, und daraufhin habe Cash seinen Mittelfinger emporgestreckt — so, wie Merle Haggard es bereits 1958 gesehen hatte.

 

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6. Am 11. August 1980 sang er in der Muppet Show ein Duett mit Miss Piggy.

Auch diese Geschichte haben wir an anderer Stelle bereits ausführlich aufgeschrieben, deshalb halten wir es kurz: Am 11. August 1980 stellte Country-Legende Johnny Cash seinen Humor unter Beweis und sang ein Duett mit dem vielleicht berühmtesten Schwein der Welt: Miss Piggy aus der Muppet Show. Zur Songauswahl gehörten Orange Blossom Special sowie Jackson. Es handelte sich um eine der wenigen Gelegenheiten, bei der Cash das Stück Jackson nicht mit seiner Frau June Carter Cash sang. Deren Eifersucht auf Miss Piggy dürfte sich allerdings in Grenzen gehalten haben.

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Seht hier die Kurzdoku: „Hurt – Das Leben des Johnny Cash“

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