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Popkultur

Zeitsprung: Am 13.9.1965 erscheint “Yesterday” als Single. Die Beatles sind skeptisch.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 13.9.1965.

von Christian Böhm und Christof Leim

1965 haben die Fab Four eine gute Zeit: Die Beatlemania ist in vollem Gange. Es scheint, als verschlinge die ganze Welt die Songs der vier Jungs aus Liverpool, mit denen sie seit Jahren die vorderen Plätze der Hitparaden besetzen. Ihr neues Stück Yesterday mögen die Beatles zuerst nicht so recht. Auch ihre englische Plattenfirma möchte die Ballade anfangs nicht aus dem Album Help! auskoppeln auskoppeln. Deshalb erscheint die Single dieses ikonischen Songs am 13. September 1965 zunächst nur in den USA.

Hier kannst du Help! hören:

Ja, die Beatles befinden sich damals auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. In den Jahren vor 1965 haben sie vier Alben samt doppelt so vieler Singles herausgebracht und nach riesigen Erfolgen in Großbritannien und Kontinentaleuropa den Sprung über den großen Teich gewagt. Tausende Fans bereiten ihnen vor üppigem Presseaufgebot am New Yorker Flughafen einen lauten Empfang. Die Beatles spielen in der Ed Sullivan Show, was über 70 Millionen Menschen sehen, danach gehen sie auf Welttournee.

Dies- und jenseits des Großen Teichs

Nachdem die Fans den ersten Kinofilm A Hard Day’s Night schon 1964 bestaunen konnten, kommt 1965 mit Hi-Hi-Life! der zweite Film heraus. Der zugehörige Soundtrack heißt Help!, und die Veröffentlichung steht im August 1965 an – mit unterschiedlichen Liedern in den USA und Großbritannien. Yesterday allerdings kann man auf den Versionen beider Ländern hören. Der Song Help! erscheint als Single und feiert große Erfolge auf beiden Seiten des Atlantiks. Warum also kommt die Single Yesterday im britischen Heimatland der Beatles erst über zehn Jahre nach der Veröffentlichung in den USA heraus?

Plakat zum Film „Help“. Auf dem zugehörigen Album findet sich auch „Yesterday“.

Wagen wir zunächst einen kleinen Rückblick auf die Entstehung der Nummer: Paul McCartney traut seinen Ohren nicht, als ihm Yesterday einfällt.Im Haus seiner damaligen Freundin Jane Asher spielt er eine Melodie und meint, sie schon einmal gehört zu haben. Er hat eine Kryptomnesie, ähnlich einem Déjà-Vu. Will heißen: Er könnte schwören, diese Idee habe es schon gegeben. Aber mehrmaliges Nachfragen im Bekanntenkreis, von wem diese Musik wohl stammt, hilft nichts: Er hat sie wohl selbst komponiert.

Poesie über… Rührei

McCartney schraubt dazu an einem Text, dessen Arbeitstitel Scrambled Eggs lautet. Im Nachhinein können wir froh sein, dass das Lied, welches Paul in Frankreich beginnt und auf einer Reise durch Portugal vervollständigt, am Ende den Titel Yesterday bekommt und nun von einer verflossenen Liebe statt Frühstücksrührei handelt.

Paul McCartneys Bandkollegen zeigen sich nicht komplett begeistert, als er ihnen das balladeske Lied vorspielt. Drummer Ringo Starr findet, es sei für ihn am besten, hier zu pausieren. So kommt Yesterday ohne Schlagzeug daher. Produzent George Martin schlägt vor, die Gitarre mit Streichern zu unterlegen, doch McCartney kontert schockiert: „Ich will keinen Mantovani“ — also groß angelegte Streichorchesterklänge im Hintergrund, für die der italienische Komponist Annunzio Mantovani bekannt war. Für Paul ist das kein Rock’n’Roll! Und überhaupt passe eine solche Ballade nicht zu einer Rock’n’Roll-Kapelle, als die die Beatles gelten wollen.

Zu viele Streicher, wenig Rock’n’Roll

Letztendlich einigen sich alle auf eine abgespeckte Version: Yesterday bekommt Begleitung durch ein Streichquartett und schafft es aufs neue Album. Parlophone, das britische Label der Band, empfindet Yesterday ebenfalls als sehr untypisch für die Band und will es nicht als Single auskoppeln. Die US-amerikanische Plattenfirma Capitol hat weniger Bedenken und bringt die Single heraus.

Das britische Label und die Band haben sich getäuscht: Die Ballade Yesterday avanciert zu einem ihrer größten Erfolge. Live wird sie unterschiedlich umgesetzt: In der Ed Sullivan Show präsentieren die Musiker das Lied mit Streichern vom Band. Beim Konzert der Band im New Yorker Shea Stadium 1966 trägt es McCartney ausschließlich auf der Akustikgitarre vor (und bei der Mischung aus lautem Geschrei der Fans und den damals weniger groß dimensionierten Musikanlagen steht zu befürchten, dass man ihn gar nicht hören konnte).

Großbritannien zieht nach

So oder so kommt die Nummer überall hervorragend an: Chuck Berry wünscht, er hätte Yesterday selbst geschrieben. John Lennon hingegen nervt es, den Song ständig hören zu müssen. Er sagt 1980: „In jedem Restaurant, in das ich gehe, spielt die Kapelle Yesterday!“ In den USA verkauft sich die Single hervorragend. Vier Wochen bleibt sie auf dem ersten Platz der Billboard-Charts, und schon am 2. Oktober 1965 gibt es eine Goldene Schallplatte.

1,8 Millionen Mal geht sie in den ersten zwölf Monaten über die Ladentheken der USA. In Deutschland, wo die Single am 14. September 1965 herauskommt, landet die kleine Scheibe auf Platz sechs der Charts. Da verwundert es nicht, dass UK nachzieht und Yesterday doch noch ausgekoppelt wird, mit Verspätung zwar, dafür in groß: Im März 1966 schiebt Parlophone eine EP mit vier Songs vom Album Help! nach und gibt ihr den Titel Yesterday. Mit der Veröffentlichung der ursprünglichen Single im eigenen Land lässt man sich aber über ein Jahrzehnt Zeit, nämlich bis zum 8. März 1976.

Happy End nach ruppigem Beginn

Ein leicht holpriger Start für einen Song, an dem man heute kaum vorbei kommt: Von Yesterday existieren mehrere tausend Coverversionen, im Jahr 2019 trägt eine Filmkomödie gar seinen Namen.

Beinahe hätte diese Geschichte übrigens ein unschönes Ende genommen: Anfang der 2000er Jahre wird behauptet, die Melodie sei ein Plagiat des neapolitanischen Volkslieds Piccere’ Che Vene a Dicere von1895. Man könnte nun sagen: McCartney hatte eine solche Vorahnung ja bereits beim Komponieren. Da die Anklage jedoch fallen gelassen wurde, bleibt Yesterday offiziell einer der Übersongs der Fabulösen Vier.

Zeitsprung: Am 8.5.1970 erscheint das letzte Album der Beatles: „Let It Be“.

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