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Popkultur

Vor 45 Jahren nerven sich Black Sabbath und die Eagles in einem Studio in Florida

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The Eagles im Jahr 1976. Foto: Michael Ochs Archives/Getty Images

Zwei der größten Rock-Bands aller Zeiten, ein heißer Juni und jede Menge Kokain: Die Genesis von Technical Ecstasy und Hotel California könnte auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein. Geeint wird sie von einer schwierigen Ausgangssituation und jeder Menge Lärm.

von Björn Springorum

Der Juni 1976 ist ein ganz normaler Sommermonat in Florida. Die Sonne brät Spiegeleier auf der Straße, die Thermometer reißen schon vormittags die 30-Grad-Marke, an den Stränden huschen äußerst leicht bekleidete Menschen umher. Auch in Miami, ganz im Süden Floridas, herrscht the big easy, das unbeschwerte amerikanische Leben aus Pool-Partys, Schirmchendrinks und Sünde.

Mittendrin befinden sich die Criteria Studios von Mack Emerman, schon vor 45 Jahren ein Wallfahrtsort für Bands. Bob Dylan, Bee Gees, die Beach Boys oder Lynyrd Skynyrd frequentieren die Studios, man ist Rock-Adel und Pop-Sternchen gewöhnt hier an der Sonnenküste. Da fallen ein paar langhaarige und/oder bärtige Typen mehr oder weniger gar nicht auf, die hier im Juni 1976 ihre Lager aufschlagen.

Ungleiche Helden

Es ist aber nicht irgendwer, der sich hier parallel in die Criteria Studios eingemietet hat. Sondern die Eagles und Black Sabbath. Die Eagles sind die Band der Stunde in den USA und haben die schwere Aufgabe, ihrem Mega-Seller One Of These Nights (1975) einen würdigen Nachfolger an die Seite zu stellen. Black Sabbath wurden von ihrem Management und ihren Anwälten über den Tisch gezogen, sehen ihren Stern in England angesichts der Punk-Revolution sinken und fliehen nach dem frustrierten Sabotage (ebenfalls 1975) über den großen Teich, um sich in der Sonne Floridas neu zu finden. Beides keine leichten Unterfangen. Und doch vollkommen unterschiedliche Geschichten.

Lammwolle auf einer Ritterrüstung

Denn während der Weg der Eagles weiterhin klar nach oben zeigt, befinden sich Sabbath in einer Art Limbus. Nach schlechten Erfahrungen mit der harten Realität des Business hat die Band ihr altes Team gefeuert, ist desillusioniert und verunsichert und versucht verzweifelt, sich neu zu erfinden. Triebfeder ist Gitarrist Tony Iommi, der seine Felle durch den Aufstieg von Punk-Bands wie den Sex Pistols oder radiofreundlichen Rock-Emporkömmlingen wie Fleetwood Mac davonschwimmen sieht. In seiner Autobiografie I Am Ozzy erinnert sich der Sänger daran: „Tony sagte im Studio immer, wir müssen klingen wie Foreigner oder Queen. Ich fand es seltsam, dass die Bands, die wir einst beeinflussten, plötzlich uns beeinflussen.“ Mick Wall beschreibt das in seinem Buch Black Sabbath: Symptom Of The Universe so: „Black Sabbath diesen Sound aufzuzwingen war so, als würde man Lammwolle auf eine Ritterrüstung kleben.“

Das war nicht das einzige Problem in Florida: Gebrandmarkt und verunsichert, hat die Band nicht mal einen Produzenten für die Aufnahmen an dem, was später Technical Ecstasy werden soll. Sie trauen niemandem mehr, sind auf sich und viel zu viele Drogen zurückgeworfen. Ozzy Osbourne, Geezer Butler und Bill Ward nutzen das für sich, lassen sich im Strip-Club die Straße runter volllaufen oder verbringen ihre Tage am Strand. Allein zurück im Studio bleibt Iommi, der sich plötzlich in der Rolle des Produzenten sieht.

Vorbote des Untergangs

Was in Miami passiert, ist ein Vorbote auf all das, was kommt: Nach dem Aufnahmen und der Rückkehr nach England verabschiedet sich Ozzy in eine Entzugsklinik, bei der Tour zum Album stieg er sogar kurzzeitig aus. „Diese Platte war der Anfang vom Ende“, so würde es Geezer Butler 2011 im Magazin Guitar World zusammenfassen. Das merkt man natürlich auch der Musik an: Technical Ecstasy nimmt einen schwierigen Platz im Kanon von Black Sabbath ein: Die Sonne von Florida mag ihnen die Dämonen und die Dunkelheit ausgetrieben haben. An ihre Stelle treten generische Rock-Songs wie Rock‘n‘Roll Doctor, süßliche Balladen wie She‘s Gone oder Plattitüden wie Dirty Women, eine uninspirierte Nummer über den Strip-Club ihres Vertrauens.

Sabbath sind die Lautesten

Dass inmitten dieser schweren Krise immer noch starke Songs wie der Opener Back Street Kids oder das schwere, trotzige You Won‘t Change Me herauskommen, zeigt die Größe der Band selbst in dieser von Enttäuschungen und Drogen geprägten Phase. Obwohl: In Sachen Drogen stehen die Eagles den Engländern in nichts nach. Als Sabbath mal in ein Studio ziehen, in dem zuvor die Eagles gearbeitet hatten, mussten sie nach sorgsam tradierter Legende erst mal die Konsole von Kokain befreien. „Ich schätze, die haben ein Pfund Kokain zurückgelassen“, so Butler.

Das weiße Pulver war nicht der einzige Berührpunkt der ungleichen Kollegen. Weil Sabbath viel zu laut bei den Aufnahmen spielten, mussten die Eagles gleich mehrmals die Aufnahmen abbrechen: Man hörte die lärmenden Briten durch die Wände. Besonders betroffen war die zerbrechliche Abschlussballade von Hotel California, The Last Resort. Die mussten die genervten Eagles ungezählte Male aufnehmen, bis das Ergebnis auch wirklich frei von Sabbath war.

Glücksritter fern der Heimat

Auf ihre eigene Weise kämpften beide Bands um ihr Glück: Die Eagles fern ihrer Heimat, weil Produzent Bill Szymczyk aus Angst vor Erdbeben keinesfalls an der Westküste aufnehmen wollte. Und Sabbath zu einem Zeitpunkt in ihrer Karriere, an dem ein gutes Management und eine ordentliche Therapie so wichtig gewesen wären wie nie zuvor. Was bleibt, sind zwei ganz unterschiedliche Alben: Der düstere Abgesang auf den American Dream von den Eagles und ein unzusammenhängendes, aber immerhin ideenreiches Werk der langsam auseinanderfallenden Black Sabbath.

Schwacher Trost für Sabbath: Auch mit den Eagles ging es nach dem Nachfolgewerk The Long Run unrühmlich zu Ende . Dieser eine Sommer 1976, als zwei der prägendsten Bands nebeneinander aufnahmen und sich nervten, an den werden sich alle Überlebenden für immer erinnern.

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