Popkultur
Die größten Benefizkonzerte aller Zeiten
Wenn man bedenkt, wie lange Musik und Politik schon Hand in Hand gingen, ist es erstaunlich, dass es so lange gedauert hat, bis Musiker*innen realisierten, dass sie wirklich etwas bewirken konnten auf der Welt – und dazu mussten sie einfach nur das tun, was sie am besten konnten: live auftreten. Aber nach George Harrisons Concert For Bangladesh 1971 begann die Idee, sich durchzusetzen. Seitdem haben gigantische Benefizkonzerte weltweit auf Themen wie Hunger oder AIDS aufmerksam gemacht. Sie haben sich zu einem enorm wirkungsvollen Werkzeug im Arsenal politisch interessierter Musiker entwickelt. Hier sind die zehn größten Benefizkonzerte aller Zeiten.
von Jamie Atkins
Concert For Bangladesh: Madison Square Gardens, New York City (1971)
Als der Sitar-Virtuose Ravi Shankar von der schnell eskalierenden humanitären Katastrophe erfuhr, unter der die vertriebenen Ureinwohner Ostpakistans Anfang 1971 litten, vertraute er sich seinem engen Freund George Harrison an. Zunächst wollte Shankar ein eigenes Benefizkonzert veranstalten. Aber mit der Zugkraft eines Ex-Beatles an Bord, einer Partnerschaft mit UNICEF im Rücken und dem Madison Square Garden als Veranstaltungsort ging bald das erste Benefizkonzert dieser Größenordnung über die Bühne.
Genau genommen handelte es sich sogar um zwei Shows an einem Tag und als das hochkarätige Line-up feststand, wurde die Spannung fast unerträglich. Das Concert For Bangladesh war Harrisons erster großer Auftritt seit dem furiosen Start seiner Solokarriere mit All Things Must Pass; obendrein mit einer Band, die aus keinen Geringeren als Eric Clapton, Billy Preston, Leon Russell und Ringo Starr bestand! Für Bob Dylan was es der erste Auftritt seit dem Isle Of Wight Festival 1969.
Die Konzerte fanden am Sonntag, den 1. August um 14.30 Uhr und 20.00 Uhr statt und waren ein durchschlagender Erfolg – nicht nur aus finanzieller Sicht, sondern auch, weil so die Aufmerksamkeit der weltweiten Öffentlichkeit auf das Thema gelenkt wurde. Danach diente das Event als Blaupause für die größten Benefizkonzerte aller Zeiten, denn George Harrison gab seine Erfahrungen an Bob Geldof weiter, der das gigantische Live Aid 1985 veranstaltete. Auch das Album Concert For Bangladesh ist heute noch ein spannendes Zeitdokument.
The Secret Policeman’s Ball (1976-2008)
Hierbei handelt es sich um eine Konzertreihe zugunsten der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die 1976 mit A Poke In The Eye (With A Sharp Stick) begann. Damals standen Top-Comedians wie Peter Cook, Monty Python und The Goodies auf dem Programm. Pete Townshend von The Who war 1979 der erste Musikact, der bei der Veranstaltungsreihe auftrat.
Seitdem geben sich Größen wie Joan Armatrading, Kate Bush, Duran Duran, Morrissey, Sting und U2 die Klinke in die Hand. Besonders erinnerungswürdig war sicherlich der Moment, als die Rockgötter von Spinal Tap Gesellschaft von David Gilmour bekamen!
Rock Against Racism Carnival, Victoria Park, London (1978)
Am 30. April 1978 bewies Rock Against Racism, dass ein großes Benefizkonzert auch ohne bekannte Veranstalter auskommt. Das Event war das Ergebnis einer zweijährigen Kampagne aus antirassistischen Gigs, der Verteilung von Fanzines und mehreren Versammlungen mit dem Ziel, dem wachsenden Rassismus in der Gesellschaft und dem Aufstieg des National Front in der britischen Politik entgegenzutreten.
Die Organisatoren hofften auf circa 20.000 Teilnehmer*innen. Als die Hälfte davon sich schon um 7.00 Uhr morgens im Londoner Trafalgar Square eingefunden hatte, um die vier Meilen zum Victoria Park im Osten Londons für das Konzert zu laufen, wurden die Erwartungen schnell revidiert. Am Ende strömten ungefähr 100.000 Menschen in den Park und erlebten Auftritte von Acts wie The Clash, Tom Robinson, Steel Pulse, X-Ray Spex und Sham 69.
Aufgrund des Erfolgs von Rock Against Racism fanden weitere Konzerte statt, das Thema bekam Aufmerksamkeit und, was besonders wichtig war, normale Menschen hatten das Gefühl, etwas bewegen zu können. Die Unterstützung für den National Front ließ nach und mittlerweile hat er in der Öffentlichkeit einen extrem schlechten Ruf. Rock Against Racism dagegen ging weiter.
Concerts For The People Of Kampuchea, London, Dezember (1979)
Zwischen 1975-79 war das Khmer Rouge Regime unter Pol Pot in Kambodscha für unglaubliches Leid und über zwei Millionen Tote verantwortlich (auch bekannt als die Kampuchea-Periode). Ende 1978 marschierte Vietnam in Kambodscha ein, um den dortigen Führer abzusetzen. Dadurch wurde das ganze Ausmaß des Schreckens, der sich in dem Land versteckt vor den Augen der Welt abspielte, bekannt.
Der damalige UN Generalsekretär Kurt Waldheim organisierte mit Unterstützung von Paul McCartney und UNICEF zwischen dem 26.-29. Dezember eine Reihe von Konzerten im Hammersmith Odeon in London, um Geld für die vom Krieg gebeutelten Menschen von Kambodscha zu sammeln. McCartneys Kontakte kamen ihm sehr zugute und Acts wie Queen, The Who, The Clash, Elvis Costello & The Attractions und Pretenders folgten seiner Einladung. Den Abschluss bildeten Wings mit ihrem allerletzten Auftritt.
Live Aid, Wembley Stadium, London / JFK Stadium, Philadelphia (1985)
1984 erschien der aus der Feder von Bob Geldof und Midge Ure stammende Song Do They Know It’s Christmas?, mit dessen Verkaufserlösen der Hunger in Äthiopien bekämpft werden sollte. Die größten Künstler der britischen Popmusik hatten auf der Single mitgewirkt und mit fünf Wochen an der Spitze der britischen Charts, war sie ein Megahit. Aber die Wirkung des Songs selbst war noch größer als sein finanzieller Erfolg, denn er hat sich tief ins nationale Bewusstsein eingegraben. Das zeigte sich schon, als Culture Club im selben Jahr eine Reihe von Weihnachtskonzerten spielten und das Publikum spontan und wie aus einer Kehle Do They Know It’s Christmas? anstimmte. Boy George war nicht der einzige, dem es komplett die Sprache verschlug.
Aber Bob Geldof legte noch einen drauf – mit einem der größten Benefizkonzerte der Musikgeschichte. Es bestand aus zwei gigantischen Events, die beide am 13. Juli, aber auf unterschiedlichen Kontinenten, stattfanden. Das Line-up war atemberaubend – es sollte die Fans vor Ort begeistern und auch ein möglichst großes Fernsehpublikum erreichen. Und das ist geglückt. Live Aid war ein Megaerfolg und inspirierte die Menschen weltweit. David Bowie, Queen, U2, Elton John, Paul McCartney, Black Sabbath, Madonna, eine Led Zeppelin-Reunion… das ist nur ein winziger Ausschnitt des Aufgebots. Dank Live Aid konnten $127 Mio. dazu verwendet werden, den Hunger zu bekämpfen und den Westen davon zu überzeugen, Getreide aus Überproduktion an verarmte Länder zu spenden.
Farm Aid, Memorial Stadium, Champaign, Illinois (1985)
Bob Dylan hat nie mit seiner Meinung hinter dem Berg gehalten und als er bei der Live Aid-Show in Philadelphia als Mitglied eines leicht ramponierten Trios mit Keith Richards und Ronnie Wood auf der Bühne stand, gab er zu bedenken, dass auch die benachteiligten Bauern in den USA Hilfe gebrauchen könnten. Das sorgte zwar für einen Aufschrei, aber viele fanden auch, dass er nicht ganz Unrecht hatte. Zu denen zählte auch Willie Nelson, der das Event in seinem Tourbus verfolgte.
Nelson beschäftigte sich eingehender mit der Krise, in der sich die Landwirtschaft in den USA befand: Wegen eines Gesetzes, das industrielle Landwirtschaftsbetriebe bevorzugte, hatten Kleinbauern sehr zu kämpfen und viele gingen bankrott. Mit Unterstützung von John Mellancamp und Neil Young veranstaltete Nelson am 22. September 1985 das erste Farm Aid. Das Line-up las sich wie eine Rock And Roll Hall Of Fame-Gästeliste: The Beach Boys, Johnny Cash, Dylan, Emmylou Harris, BB King, Roy Orbison, Lou Reed u.v.m. Und natürlich ließen es sich die Organisatoren selbst auch nicht nehmen, für den guten Zweck aufzutreten.
33 Jahre später ist Farm Aid immer noch eines der größten Benefizkonzerte und hat wahnsinnig viel erreicht – sowohl in direkter Hilfe für die Bauern als auch durch die Finanzierung von Infrastrukturprojekten, die nachhaltige Landwirtschaft ermöglichen. Alles, von Soforthilfen im Katastrophenfall bis hin zu Beratungshotlines, wird von dem großen Publikum bezahlt, welches immer wieder für Farm Aid anreist.
The Freddie Mercury Tribute Concert For AIDS Awareness, Wembley Stadium, London (1992)
Als der Queen-Sänger Freddie Mercury an Folgen seiner AIDS-Erkrankung verstarb, beschlossen seine Bandkollegen, ihn mit einem Benefizkonzert zu ehren, mit dem Geld für die AIDS-Forschung gesammelt werden sollte. Das passte auch deswegen, weil Mercury nur sieben Jahre zuvor bei Live Aid die Performance seines Lebens gegeben hatte.
Nach der Ankündigung bei den Brit Awards 1992 waren die 72.000 Tickets schnell vergriffen und das obwohl die einzige bestätigte Band die kürzlich ihres Frontmanns beraubten Queen waren. Am 20. April wurde keiner der kurzentschlossenen Käufer*innen enttäuscht.
Die erste Hälfte des Konzerts bestand aus kurzen Sets phänomenaler Acts wie Metallica, Def Leppard und Guns N’ Roses, um das Publikum langsam für den Hauptteil des Abends in Stimmung zu bringen. Dieser bestand aus einem sensationellen Queen-Best of mit einer Reihe unglaublicher Sänger. Künstler*innen wie David Bowie, Robert Plant, Elton John, Annie Lennox und Axl Rose stellten sich der Herausforderung. Aber es war George Michael mit seiner leidenschaftlichen und aufregenden Performance von Somebody To Love, der allen die Show stahl. A Concert For Life war eines der größten Benefizkonzerte aller Zeiten und wurde in 76 Ländern ausgestrahlt. Schätzungen zufolge haben eine Milliarde Menschen das Event am Fernseher verfolgt. Alle Einnahmen gingen an eine extra ins Leben gerufene AIDS-Charity. Mercury hätte dem Ganzen bestimmt seinen Segen gegeben.
Tibetan Freedom Concert, Golden Gate Park, San Francisco (1996)
Als Adam Yauch von den Beastie Boy in Kathmandu, Nepal, die Aktivistin Erin Potts traf, erfuhr er alles über die Notlage der im Exil lebenden Tibeter und über Potts Bemühungen, Ihnen zu helfen. Nach der Begegnung blieben sie über Jahre in Kontakt und Potts hielt Yauch über die Aktivist*innen und ihre Arbeit auf dem Laufenden. Irgendwann fiel der Entschluss, ein Benefizkonzert zu veranstalten.
Das erste Tibetan Freedom Concert war eines der größten Benefizkonzerte der 90er: Unglaubliche 100.000 Menschen füllten während der zwei Tage den Golden Gate Park in San Francisco, um Künstler*innen wie Björk, A Tribe Called Quest, Rage Against The Machine, John Lee Hooker, Fugees, Pavement und natürlich die Beasties selbst zu sehen. Aber Potts und Yauch taten alles dafür, dass die Musikfans auch verstanden, worum es bei dem Event ging. Zwischen all den fantastischen Musikacts platzierten sie Ansprachen von Exilant*innen aus Tibet und Experten zu der Geschichte der Region. Die Tibetan Freedom Concerts fanden bis 2003 regelmäßig statt und haben nicht nur das Thema ins öffentliche Bewusstsein gerückt, sondern auch viel Geld gesammelt.
The Concert For New York City, Madison Square Garden, New York City (2001)
Wahrscheinlich war es abzusehen, dass der 11. September 2001 eines der größten Benefizkonzerte, das die USA je gesehen hat, nach sich ziehen würde. Das Concert For New York City am 20. Oktober 2001 ehrte Polizisten und Feuerwehrleute, die zuerst am Schauplatz der Tragödie waren und alle anderen, die an den Rettungs- und Bergungsarbeiten beteiligt waren.
Paul McCartney organisierte ein Konzert mit legendären Rockacts und aktuellen US-Popstars: Mick Jagger und Keith Richards, Bowie, Elton John und James Taylor standen Seite an Seite mit Destiny’s Child, Backstreet Boys und Jay Z. Aber die stürmischste Reaktion bekam der Auftritt von The Who. Ihr kurzes Set hinterließ einen so bleibenden Eindruck, dass die verbliebenen Mitglieder Roger Daltrey und Pete Townshend im Dezember 2008 vom Kennedy Centre ausgezeichnet wurden.
One Love Manchester, Old Trafford Cricket Ground, Manchester (2017)
Jeder hätte es verstanden, wenn sich Ariana Grande nach dem Bombenattentat auf ihr Konzert in der Manchester Arena am 22. Mai 2017 aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hätte. Aber stattdessen zeigte die Sängerin bemerkenswerten Mut und Kampfgeist und organisierte nur zwei Wochen nach dem schrecklichen Attentat ein Benefizkonzert, um den Opfern zu helfen.
Pop- und Rockgrößen waren gerne bereit, ihren Beitrag zu leisten, darunter auch einige direkt aus Manchester – nämlich Take That und Liam Gallagher. Aber eigentlich schauten alle auf Ariana Grande und sie meisterte nicht nur eines der größten Benefizkonzerte aller Zeiten, sondern auch das bis dahin größte Konzert ihrer Karriere. Für viele war der erinnerungswürdigste Moment des Abends, als sie unterstützt von Coldplay, den Oasis-Hit Don’t Look Back In Anger sang, der die Stadt seit dem Ereignis zusammengehalten und ihr Kraft gegeben hat.
Headerbild: Queen Productions Ltd
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Popkultur
Zeitsprung: Am 7.6.1993 ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.6.1993.
von Christof Leim
An seinem 35. Geburtstag ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol. Damit will er gegen seine Plattenfirma protestieren, von der er sich künstlerisch eingeschränkt fühlt. Der Rest der Welt wundert sich…
Hört hier in die besten Prince-Songs rein:
Seinen ersten Plattenvertrag unterschreibt Prince Rogers Nelson 1977. Darin einigt sich der 18-Jährige mit Warner Bros. Records darauf, die völlige kreative Freiheit zu behalten und sämtliche Alben selbst zu produzieren. Das funktioniert für alle Beteiligten gut, macht Prince zum Star und bringt Warner Millionenseller wie Purple Rain (1984) und Sign O’ The Times (1987). Deshalb stört es auch niemanden, wenn der Mann zwischendurch zum Beispiel ein fertiges Album in die Tonne kloppt und schnell mal eben ein neues aufnimmt (siehe Lovesexy, 1988). 1992 wird der Deal sogar verlängert.
Grundlegende Meinungsverschiedenheit
Dem unglaublich produktiven Künstler liegt Anfang der Neunziger viel daran, seine unzähligen unveröffentlichten Songs – angeblich über 500 – so schnell wie möglich unter die Leute zu bringen. Verständlich, denn dafür hat er das Zeug ja geschrieben. Die Plattenfirma lehnt das jedoch ab, denn sie legt (nicht weniger verständlich) Wert darauf, nur das beste Material in die Läden zu stellen und vor allem den Markt nicht zu überschwemmen. Prince macht keinen Hehl daraus, dass ihm das so gar nicht gefällt und malt sich für öffentliche Auftritte das Wort „Slave“ (dt.: Sklave) ins Gesicht. Nur nützt ihm das nichts, denn Warner Bros. besitzen die Rechte an Princes Künstlernamen und kreativem Output, wie es für Plattenverträge völlig üblich ist. Kurz gesagt: Warner wollen nicht einfach Hunderte an Liedern raushauen, Prince will nicht nur eine Marke sein, mit der die Firma Geld verdient.
Also lässt sich unser Mann etwas einfallen: Er verkündet am 7. Juni 1993, seinem 35. Geburtstag, dass er von nun an nicht mehr den Namen Prince nutze, sondern ein Symbol, das aussieht wie ein Mashup aus den astrologischen Zeichen für Mann und Frau. „Es ist ein unaussprechliches Symbol, dessen Bedeutung nicht erklärt wurde“, heißt es in einer kryptischen Erklärung des Künstlers. „Es geht darum, in neuen Wegen zu denken.“ Prince lässt sich das Ding als „Love Symbol #2“ schützen, packt es auf das Cover seines 1992er-Albums und nutzt es fortan als Bezeichnung für sich selbst.
Ändert aber nix…
Das ist natürlich alles ein bisschen unpraktisch. Zum einen kann man das „Symbol“ nicht schreiben, weshalb Warner Floppy Disks mit einer Grafikdatei an die Medien verschickt. Außerdem weiß niemand, wie man dass denn nun jetzt aussprechen soll. MTV lösen das Problem angeblich, indem sie in ihren Sendungen immer ein metallisches „Klonk!“ einspielen, wenn das „Symbol“ genannt werden müsste. Doch es hilft alles nichts, ein Name muss her. Irgendwann einigt man sich auf „The Artist formerly known as Prince“ oder „TAFKAP“. Das ist offensichtlich ziemlich bescheuert, und für die Fans bleibt ihr Held ohnehin Prince. Vor allem aber: Der Vertrag mit Warner gilt natürlich trotzdem weiter, und juristisch, also „in echt“, heißt der Mann weiterhin Prince Rogers Nelson. Und beides weiß er auch.
Added to my collection: 3.5″ floppy given to press when Prince changed his name. Contains a font w/ one symbol in it. pic.twitter.com/mNL0eOHDGI
— Anil Dash (@anildash) 23. Juni 2014
Viele in der Musikindustrie halten die Aktion für verrückt, die Fans wundern sich, aber immerhin bringt „TAFKAP“ seinen Standpunkt deutlich zum Ausdruck. Die folgenden Alben und Singles gelten allerdings nicht als Höhepunkte seines Schaffens, die Verkaufszahlen gehen deutlich zurück.
Erst im Jahr 2000, als der Vertrag mit Warner ausläuft, nutzt Prince wieder seinen alten Namen. Statt sich erneut an eine Firma zu binden und die herkömmlichen Wege für Vertrieb und Vermarktung zu wählen, agiert er als sein eigener Herr, setzt auf das Internet und baut eigene Strukturen auf. In einem Interview mit Larry King erklärt sich Prince beziehungsweise „TAFKAP“ beziehungsweise „Klonk!“.
2014 jedoch setzt sich der Künstler wieder mit Warner an einen Tisch, weil sein Erfolgsalbum Purple Rain zum 30. Jubiläum neu aufgelegt wird. Das Einlenken lohnt sich, denn Prince gewinnt die Rechte an all seinen alten Platten zurück. Leider stirbt der Ausnahmemusiker am 21. April 2016 mit nur 57 Jahren.
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Zeitsprung: Am 10.5.1988 veröffentlicht Prince das kurzfristig aufgenommene „Lovesexy“.
Popkultur
Von Woodstock bis zum Fyre Festival: Die größten, besten und schlimmsten Festivals aller Zeiten
Die Sonne knallt, die ersten Mega-Festivals sind schon über die Bühne gegangen. Zum Start der Freiluftsaison stellen wir Open-Air-Festivals vor, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind – positiv wie negativ.
von Björn Springorum
Sommer, Sonne, Bier in der Hand und eine Band unter freiem Himmel sehen: Seit über 50 Jahren sind Musikgfestivals ein integraler Bestandteil des Sommers und ein Übergangsritus für unzählige Generationen. Manche Festivals sind bis heute unvergessen, manche würde man lieber sofort wieder vergessen – Bühne frei für unsere Top 10 der denkwürdigsten Festivals aller Zeiten.
Der Pionier: Monterey Pop Festival (1967)
Bei der Mutter aller Festivals denken alle immer gleich an Woodstock, und das aufgrund der Symbolkraft auch nicht zu Unrecht. Der eigentliche Pionier der Gegenkulturfestivals findet aber im Juni 1967 statt – also rund zwei Jahre vor Woodstock. In Nordkalifornien wird Musikgeschichte geschrieben, als Jimi Hendrix sein US-Debüt gibt (nur echt mit brennender Gitarre), als The mamas And The Papas, Eric Burdon And The Animals, The Who, The Byrds oder Big Brother And The Holding Company das Zeitalter von Aquarius herufbeschwören. Sogar der offizielle Werbesong San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair) von Scott McKenzie wird zur Legende.
Der Mythos: Woodstock (1969)
Vieles ging schief bei Woodstock. Die Organisatoren waren nicht auf die Massen vorbereitet, statt der geschätzten 50.000 kamen 400.000 überwiegend junge Menschen. Es regnete, alles versank im Schlamm, der Zaum ums Gelände wurde nicht rechtzeitig fertig, die PA war schwach und das Essen ging aus. Alles egal: Woodstock ist dennoch die Urmutter aller Festivals, der Aufschrei des jungen Amerikas gegen den Vietnamkrieg. Fast schon nebensächlich, wer da auf der Bühne spielte (unter anderem Jimi Hendrix, Santana, Jefferson Airplane, The Who, Sly & The Family Stone, Crosby, Stills, Nash & Young, Mountain, The Grateful Dead, Creedence Clearwater Revival und Janis Joplin). Als Jimi Hendrix die Nationalhymne verzerrt besessen spielte, waren nur noch 40.000 Menschen da. Der Hippietraum war bald darauf vorbei, auch Woodstock konnte ihn nicht retten. Der Mythos, der wird aber für immer derselbe bleiben.
Der Riese: Isle Of Wight Festival (1970)
Ein Jahr nach Woodstock ist der Vietnamkrieg immer noch nicht zu Ende. Also kommen auf der Isle Of Wight bei bestem englischen Sommerwetter (nasskalt, windig, grau) 600.000 Besucher zusammen – die bis dato größte Menschenansammlung in Europa. Jimi Hendrix und Joan Baez verbreiten auch in Europa ihre Botschaft des Friedens, außerdem spielen Miles Davis, The Doors, The Who, Lighthouse, Ten Years After, Emerson, Lake & Palmer, Joni Mitchell, The Moody Blues, Leonard Cohen oder Jethro Tull. Ausgerechnet nach dem Event 1970 ist erst mal Schluss mit dem Isle of Wight Festival – bis 2002.
Der Anarchist: Love-And-Peace-Festival
Die Ostseeinsel Fehmarn geht im September 1970 in die Geschichtsbücher ein: Hier spielt Jimi Hendrix sein letztes Konzert vor seinem Tod am 18. September. Der Auftritt ist allerdings lustlos, unmotiviert, überhaupt läuft auf dem Festival nichts wirklich rund: Das Wetter ist schlecht, die Organisation mangelhaft, zudem zwingen 180 Rocker der Bloody Devils die Veranstalter dazu, als Security eingesetzt zu werden. Ganz miese Idee. Procol Harum und Ten Years After sagten ab, die Besucher bauten sich aus den Türen der Latrinen Windschutz. Am Ende spielen Ton Steine Scherben (damals noch als Rote Steine). Während sich die veranstalter mit der Tageskasse aus dem Staub machten, spielte die Band Macht kaputt, was euch kaputt macht – und die Besucher nahmen das sehr ernst. Man kann also sagen, dass das desaströse Festival nicht gerade seinem Namen gerecht wurde.
Der Millionenflop: US Festival (1983)
Schon das erste US Festival 1982 von Apple-Gründer Steve Wozniak wird trotz Fleetwood Mac, The Grateful Dead, The Police oder Tom Petty zum Mega-Flop, der den Veranstalter zwölf Millionen US-Dollar kostet. Hält Wozniak nicht ab, es im nächsten Jahr gleich noch mal zu versuchen. Diesmal kamen Stevie Nicks, David Bowie oder Van Halen (die allein 1,5 Millionen US-Dollar kosteten), doch selbst die 670.000 Besucher können einen weiteren katastrophalen Flop nicht verhindern. Am Ende bricht Chaos aus, es wird randaliert, zwei Menschen sterben. Zu einer dritten Auflage kommt es nicht.
Der Hipster: Coachella (1999)
Die erste Ausgabe von Coachella ist 1999 ein massiver Flop: Die Veranstalter hofften auf 70.000 Besucher, bekamen gerade mal die Hälfte und verloren eine knappe Million US-Dollar. Am Line-Up mit unter anderem Beck, Tool, Rage Against The Machine, The Chemical Brothers und Morrissey kann es zumindest nicht gelegen haben, so oder so sah alles danach aus, dass das erste Coachella gleich auch das letzte Coachella bleiben würde. Nach zwei Jahren Pause war Coachella wieder da – und wurde dann sehr schnell das beliebteste Festival der USA. Nur Rage Against The Machine treten hier mittlerweile wahrscheinlich nicht mehr auf.
Der Gewalttätige: Woodstock 1999 (1999)
30 Jahre nach Woodstock wird das zweite Sequel des Hippe-Jahrhundertereignisses zur Katastrophe: Über 200.000 Leute kommen in den Bundesstaat New York, doch statt love, peace and music wird das Festival zum Kriegsgebiet: Essen und Getränke sind extrem teuer, die sanitären Anlagen in schlechtem Zustand, es kommt zu zahlreichen Vergewaltigen, sexueller Nötigung, Diebstahl, Plündereien, Brandstiftung und brutaler Gewalt. Der Name Woodstock wurde 1999 für immer beschmutzt
Der Kriminelle: Fyre Festival (2017)
Auch dank der Netflix-Doku ging das Fyre Festival als größter Betrug in die Festivalgeschichte ein. Gepusht von Influencern als paradiesisches Glamour-Event auf den Bahamas, fanden die Festivalbesucher Notzelte und verpackte Sandwiches statt Strandvillen und Gourmetküche vor. Das Festival wurde angesagt, Veranstalter Billy McFarland musste für sechs Jahre ins Gefängnis und wurde zu 26 Millionen US-Dollar Schadenersatz verklagt. Im April 2023 verkündete er dann tatsächlich, dass es Fyre Festival II geben soll. Das kann ja was werden.
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Zeitsprung: Am 28.5.1983 bringt das 2. US Festival tolle Bands und verheerende Kosten.
Popkultur
45 Jahre „The Cars“: Wie eine Bostoner Band die Zukunft der Rockmusik erfand
Das selbstbetitelte The-Cars-Debüt klingt ein bisschen so wie David Bowie und Queen auf einem Roadtrip durch die USA. Auch 45 Jahre nach der Veröffentlichung hat das visionäre The Cars nichts von seinem melodischen Zauber verloren.
von Björn Springorum
Die späten Siebziger sind für die klassische Rockmusik keine einfache Zeit. Links wird sie von räudigem, schnoddrigen Punk überholt, rechts scheren schon die Synthesizer aus, um Wave und Synth-Pop in Position zu bringen. Mittendrin: The Cars aus Boston, die mit ihrem wegweisenden Debüt The Cars den Verlauf der Musik ändern sollen.
Aller Anfang ist schwer
Die Bandgründer Ric Ocasek und Benjamin Orr sind damals alles andere als Greenhorns. Beide über 30, beide schon in diversen Bands in Ohio oder Michigan gewesen. Auf die synthetische Zukunft der Rockmusik haben sie aber erst mal keinen Bock: Sie spielen in der Folk-Band Milkwood, die nach Crosby, Stills And Nash duftet und 1972das Album How’s The Weather hervorbringt. Die Musikwelt interessiert sich damals dafür nicht – und das eigentlich zu Unrecht, wie man hier hören kann:
Mit Folk wird es anscheinend nichts, also versuchen sie es erst mit der Band Richard And The Rabbits und dann mit dem Akustikduo Ocasek And Orr. Man kann also auch sagen, dass sie einfach so lang alle Genres abgrasen, bis mal irgendwas auf offene Ohren stößt. Nächste Station: Cap’n Swing, ebenfalls eine weitgehend vergessene Band, in der aber immerhin auch der spätere The-Cars-Gitarrist Elliot Easton spielt. Irgendwann hat Ocasek genug vom ganzen Misserfolg und den ganzen vergeblichen Anstrengungen. Kostet ja auch Zeit und Kraft. Also holt er sich den Keyboarder Greg Hawkes in die Band und entwickelt ein neues Konzept.
Mit Rockabilly und Punk in die Zukunft
Unter den Namen The Cars gründet sich 1976 eine Band, die aus dem Rockabilly der Fünfziger, dem Minimalismus des Punk und den ungeahnten Möglichkeiten der neuen Synthesizer einen neuen Sound macht. The Cars klingen in ihren frühen Tagen stark nach David Bowie oder Queen, aber eben hinter dem Steuer eines US-amerikanischen Cabrios auf einem Roadtrip durch die Harmonien des Great American Songbook. Hier entsteht Musik, die so klingt wie die Vergangenheit und die Zukunft der Rockmusik.-
Und irgendwie funktioniert alles plötzlich ganz schnell. Am Silvesterabend 1976 spielen sie ihre erste Show auf einer Air Force Base, bei einer ausgedehnten Frühjahrstour 1977 durch New England entwickeln sie im Pink-Floyd-Stil die Songs ihres Debüts. Und die erzeugen schnell einen ordentlichen Buzz um diese neue Band: Ein Demotape wird von Bostoner Radiosendern praktisch im Loop gespielt, schnell ist auch das Interesse großer Plattenfirmen da. Hier war etwas Neues im Busch, da will niemand zu spät auf den Zug aufspringen. Aus Businesssicht sind The Cars damals schon recht clever: Sie entscheiden sich für einen Deal mit Elektra Records (damals auch die Heimat der übermächtigen Eagles), weil das Label im Vergleich zum Mitbewerber Arista Records keine New-Wave-Acts unter Vertrag hat. Man würde, so schlussfolgert die Band, folglich mehr herausstechen.
Aufgenommen wird in London
Und der Plan geht so was von auf: Nach den Aufnahmen in London mit Queen-Hitmaker Roy Thomas Baker erscheint am 6. Juni 1978 The Cars und kann bis auf Rang 18 der erbittert umkämpften US-Charts klettern. Alle Singles charten ebenfalls, aus Radios im ganzen Land dröhnen sehr bald Good Times Roll oder Just What I Needed. Aber warum eigentlich? Warum verkauft sich The Cars über sechs Millionen Mal und bekommt sechsfach Platin? Weil die Rockmusik im Wandel ist. Und The Cars als einer der Zukunftsboten auf den Plan treten.
Das Album erscheint in einer Übergangsphase, in einer Zäsur. Zwar haben AC/DC gerade erst Powerage veröffentlicht, aber zur selben Zeit kommen eben auch Kraftwerk mit ihrem Maschinenmanifest Die Mensch-Maschine und die Rolling Stones mit dem wavigen Some Girls um die Ecke. Es passiert was in der Rockmusik, das klassische Line-Up aus Gitarre, Bass, Drums wird zunehmend weniger nachgefragt. Da passen The Cars mit ihrem eklektischen Sound perfekt.
Jeder Song sitzt
Die Harmonien des Pop, die Melodien des Radio-Rock, die Extravaganz des New Wave und der Simplizismus des Punk erschaffen einen originellen, frischen, eingängigen Sound, der der Band endlich die erhoffte Aufmerksamkeit bringt. Auch nicht unwichtig: Die Songs sind allesamt grandios geschrieben und arrangiert. Und funktionieren bis heute. „Wir scherzten früher, dass wir unser erstes Album eigentlich The Cars Greatest Hits nennen sollen, so meinte Gitarrist Elliot Easton mal.
Das Spannende ist aber auch, wie brückenbauend The Cars damals sind: Die übliche Kluft zwischen Rockern und Poppern wird von ihnen mühelos überbrückt. Für Rocker ist The Cars gerade noch hart und gitarrenlastig genug, für New-Waver sind die Songs in Sachen rockiger Härte gerade noch erträglich.
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