Popkultur
Die musikalische DNA von John Lennon
Wir können über die Spinner*innen und Träumer*innen dieser Welt so lange lachen, wie wir wollen: Wir sind bitter auf sie angewiesen, wenn die Aussichten nicht erfreulich sind. John Lennon war ein Spinner, ein Träumer, ein Fantast und ein Hans-Guck-in-die-Luft. Außerdem war er eine der wichtigsten Figuren, welche die Pop-Welt jemals hervor gebracht hat. Ob mit den Beatles, gemeinsam mit Yoko Ono oder solo: Seine Songs ließen und lassen die Menschheit träumen. Von einer besseren Welt, von einem Mit- statt einem Gegeneinander.
Hör dir hier die musikalische DNA von John Lennon als Playlist an während du weiter liest:
Bevor sich Lennon aber als Rädelsführer einer neuen Friedensbewegung profilierte, begann er seine Karriere als Rebell. Seine Tante wollte um jeden Preis verhindern, dass der Neffe sich mit Musik die Zeit vertrieb. Seine Mutter starb, als Lennon gerade 17 Jahre alt war und hinterließ eine Lücke in seinem Leben, die niemals jemand schließen konnte. Der Teenager wurde aufrührerisch und respektlos gegenüber allen Autoritätsfiguren, wie er sich auch später als Musiker über alle Konventionen hinwegsetzen sollte.
John Lennon mag ein Träumer gewesen sein, der Preis dafür aber war hoch und nicht selten mussten ihn andere bezahlen: seine erste Frau Cynthia und ihr gemeinsamer Sohn Julian genauso wie die Mitglieder seiner ehemaligen Band, allem voran Paul McCartney. Aber Lennon wurde einiges verziehen. Kein Wunder, drehte sich bei ihm doch alles um Vergebung, Verständnis und Güte, soll heißen: Frieden für alle! Was ihn zu einem der außergewöhnlichsten und vielleicht sogar – wie nicht wenige meinen – dem zweifelsohne besten Songwriter aller Zeiten machte, das erfahren wir mit Blick auf seine musikalische DNA.
1. Fats Domino – Ain’t That A Shame
„Das Christentum wird irgendwann nicht mehr sein. Es wird verschwinden und schrumpfen… Wir sind zurzeit bekannter als Jesus – ich weiß nicht, ob der Rock’n’Roll oder das Christentum zuerst an ihr Ende kommen.“ Diese legendäre Interviewaussage hat dem damals jungen Lennon einigen Ärger eingehandelt. Blasphemie hin oder her: In ihr offenbart sich sein Glaube an die Kraft des Rock’n’Roll, wie sie zuerst in Gestalt von Fats Domino und dem King des Genres, Elvis Presley, zu ihm kam.
Der Rock’n’Roll wurde John von seiner geliebten Mutter fast buchstäblich in die Wiege gelegt. Während seine Tante Mimi ihn mit Literatur versorgte, spielte ihm Julia Lennon die Platten des Kings vor und brachte ihm die ersten Kniffe auf dem Banjo bei. Einer der Songs, die er zuerst lernte, war Ain’t That A Shame von Fats Domino. 1975 besann er sich auf seinem sechsten Solo-Album auf seine musikalischen Wurzeln und spielte für die Platte unter anderem eine Interpretation des Domino-Stücks ein, das ihn solange begleitet hatte. Wie die LP hieß? Na klar, Rock’n’Roll!
2. George Formby – George Formby Medley Parts 1 and 2
Nicht allein die Musik, sondern auch das Kino und die zahlreichen Varieté-Shows der fünfziger Jahre faszinierten den jungen Lennon. Gemeinsam mit Cousin Stanley Parkes und Cousine Leila Harvey reiste er von der Liverpooler Vorstadt Woolton häufig in die Küstenstadt Blackpool, um dort im Tower Circus das Programm zu genießen. Besonders angetan hatte es ihm George Formby, dem vielleicht legendärsten Comedian, Sänger und Music Hall-Entertainer seiner Zeit. Dass ausgerechnet Formby dem jungen Lennon gefiel, mag wohl auch an der Wahl seines Instruments gelegen haben: „Meine Mutter kann genauso gut Banjo und Ukulele spielen wie der“, protzte der junge John angeblich, als er nach einem Formby-Film das Kino verließ.
Formby, der einen vielleicht noch größeren Fan im Beatles-Kollegen George Harrison finden sollte, wird Lennon neben seinen musikalischen Tricks und einigen Lektionen in Sachen Bühnenpräsenz auch viel über Humor beigebracht haben. Lennons Wortspielereien sind heute noch legendär. Ein Denkmal setzte der dem Jugendidol mehr oder minder unbewusst im Song Free As A Bird, den er allerdings vor seiner Ermordung nicht mehr vollenden konnte. Nicht nur ist im dazugehörigen Video ein Formby-Lookalike zu sehen, sondern die erstmals 1995 von wiedervereinten Beatles auf ihrer Anthology 1 veröffentlichte Komposition endet auch auf einem enigmatischen Sprachsample. Es sind die rückwärts eingespielten Worte „it’s turned out nice again“, einem Trademark-Ausspruch Formbys.
3. Bill Justis – Raunchy
Damit ist Free As A Bird, das Lennon 1977 als Skizze auf eine Audiokassette einspielte und welches McCartney, Starr und Harrison erst 1994 vollenden sollten, eine Art doppelte Widmung an den stilprägenden Formby einerseits und den ermordeten Beatle andererseits. Aus ihrer Bewunderung gegenüber Lennon haben seine drei Kollegen nie einen Hehl gemacht. Einfach hatten sie es allerdings nun wirklich nicht mit dem Querkopf!
Zuerst musste das George Harrison am eigenen Leib erfahren. Als McCartney den jungen Gitarristen an Lennon empfahl, war der zuerst skeptisch. Harrison schien ihm mit seinen frischen 15 Jahren schlicht zu jung für die Skiffle-Band, die sich gerade in der Formation befand. Beweisen musste sich Harrison unter erschwerten Bedingungen: Nachdem er bei einer Probe die damals noch unter dem Namen Quarrymen firmierende Band nicht überzeugen konnte, spielte er ihnen auf dem Oberdeck eines fahrenden Liverpooler Busses seine Version von Bill Justis’ Raunchy vor. Gut, dass sich Lennon davon breitschlagen ließ…
4. Buddy Holly – Peggy Sue
Dass aus den Quarrymen die Beatles wurden, ist bekannt. Die Inspiration dafür lieferte Buddy Holly, der seine Band die Crickets genannt hatte. Das clevere Wortspiel der Pilzköpfe war gleichzeitig eine Hommage an ihn, wie es ihre Musik charakterisierte. Das indes ist bei weitem nicht das Einzige, was der tragischer Weise so jung verstorbene Holly den Fab Four mit auf den Weg gab. Schließlich wurde sein Song That’ll Be The Day aus dem Jahr 1957 für das Gespann Lennon-McCartney so wegweisend, dass sie ihn als ihren ersten Song überhaupt mit ins Aufnahmestudio nahmen.
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Auf seinem Rock’n’Roll-Album widmete Lennon dem US-amerikanischen Blues-Musiker ein weiteres Cover: Seine Version von Peggy Sue erweiterte die minimalistische Komposition um eine opulente Instrumentierung und psychedelische Stimmeffekte. Eine schöne Widmung an den Musiker, der neben anderen Helden wie Little Richard die Motivation für zwei Liverpooler Knirpse lieferte, sich an eigenen Songs zu versuchen, statt nur die Hits der Stunde zu covern. Seine Songs interpretierten die Beatles als Band wie auch Lennon solo jedoch immer wieder. Ehre, wem Ehre gebührt!
5. Chuck Berry – Sweet Little Sixteen
So vollmundig Lennon auch immer wieder sein eigenes Können anpries: Noch wärmere Worte fand er stets für seine Helden. „Wenn du Rock’n’Roll einen anderen Namen geben müsstest, dann könnte der nur ‚Chuck Berry‘ lauten“, sagte er einst. Wie weit der Einfluss der Rock-Legende reichte, lässt sich auf Come Together von den Beatles nachhören. Vergleicht den Song mal mit Berrys You Can’t Catch Me…
Wir verbuchen das mal unter Jugendsünde und stellen ansonsten fest, dass Lennon dem älteren Kollegen ansonsten immer seinen verdienten Credit zugesprochen hat. Einige Berry-Stücke fanden sich in seinem Repertoire: Rock and Roll Music und Sweet Little Sixteen beispielsweise. Auch sein Sweet Little Sixteen-Cover war auf der LP zu hören, mit denen sich Lennon vor seinen frühen Helden verbeugte: Rock’n’Roll. Warum er das Album aber nicht schlicht Chuck Berry genannt hat…?
6. Bob Dylan – My Back Pages
Aber Spaß beiseite. Seine Inspiration fand John Lennon nicht nur in den Rock-Helden der fünfziger Jahre, denen er mit seiner LP ein Denkmal setzte, sondern auch in der Gegenwart. Bob Dylan wirkte aktiv an der Bewusstseinserweiterung des Beatles mit – und das meinen wir ganz wortwörtlich! Dass sich die Beatles schon zu Hamburger Zeiten einiges reingepfiffen hatten, um die anstrengenden Bühnenabende zu überstehen, ist weitreichend bekannt. Wusstet ihr aber, dass sie damals ziemlich unbeeindruckt von den grünen Räucherwaren waren, die ihnen im Rotlichtbezirk zugesteckt wurden?
Das änderte sich mit Bob Dylan, der seinen eigenen Slogan „Everybody must get stoned“ aus dem Song Rainy Day Women #12 & #35 mehr als wörtlich nahm und die Pilzköpfe zum Qualmen animierte. Den nasal gesungenen Folk-Einschlag des US-Amerikaners arbeitete Lennon schon zu Zeiten von Help! in die Musik der Fab Four ein. Der Song You’ve Got To Hide Your Love Away klingt stark nach Dylan, im Titelstück selbst zitiert Lennon den Kollegen sogar indirekt. “I was so much older then / I’m younger than that now”, heißt es Dylans My Back Pages. Klingt doch vertraut, oder?
7. John Cage – Fontana Mix
Wie viele seiner Zeitgenossen wurde Dylan als Freund der Band auch in Lennons Privatleben zu einer einflussreichen Persönlichkeit. Mehr noch lässt sich das von einer anderen Person sagen, die sein Leben von Grund auf änderte: Yoko Ono. Derweil sich alle Welt sicher zu sein scheint, dass die Japanerin am Ende der Band schuldig ist, weiß niemand so genau, wie Ono und Lennon aufeinander trafen. Eine Legende besagt, dass Lennon die Künstlerin bei einer ihrer Ausstellungen kennen lernte. Einer anderen zufolge brachte die Musik John Cages die beiden einander näher: Angeblich hatte sie ihn nach Manuskripten des Avantgarde-Komponisten gefragt.
Mit Cage verstanden sich die beiden prächtig, wie beispielsweise ein Videoausschnitt aus der Dokumentation John Cage: Journeys In Sound beweist. Nicht nur diskutieren die drei lebhaft über die Eigenarten der menschlichen Stimme und wie sie sich in sozialen Kontexten verändern, nein, Cage singt den beiden sogar ein ganz besonderes Ständchen. Lennons Interesse an den experimentellen Kompositionen und Produktionstechniken des verschrobenen Genies lebte er noch zu Beatles-Zeiten im Studio aus: Revolution 9 beispielsweise war direkt von Cage und dessen deutschem Kollegen Karlheinz Stockhausen inspiriert. Und was Lennon und Ono selbst auf den drei LPs Unfinished Music No. 1: Two Virgins, Unfinished Music No. 2: Life with the Lions und dem Wedding Album anstellten, entstand auch unter dem Eindruck von Cages elektronischen Klangcollagen.
8. Paul and Linda McCartney – Too Many People
Im Laufe seiner Karriere, so sagte Lennon einmal, habe er nur mit zwei Menschen gezielt zusammengearbeitet: Yoko Ono und Paul McCartney. „Keine schlechte Wahl“, meinte er ebenso großspurig wie wahrheitsgetreu. Mit beiden stand es aber nicht immer zum Besten. Denn Ono und Lennon lebten eine Zeit lang getrennt voneinander. Und den Beatles-Kollegen bezeichnete Lennon mal als „zerstrittenen Verlobten“. Nach dem Ende der Beatles nämlich sah es zwischen den beiden Genies alles andere als rosig aus.
Der Song How Do You Sleep? von Johns Imagine-LP antwortete mit bitterbösen Worten auf die Sticheleien von Too Many People auf Pauls Album RAM, welches er gemeinsam mit seiner Frau Linda aufgenommen hatte: „That was your first mistake / You took your lucky break and broke it in two / Now what can be done for you? / You broke it in two“. McCartney erinnerte sich viel später in einem Interview an den Song: „Ich schrieb ‚Too many people preaching practices‘, glaube ich. Ich nehme mal an, dass das ein kleiner Hieb in Richtung John und Yoko war.“ Das sahen die beiden offenkundig genauso! Im Laufe der Jahre aber besserte sich das Verhältnis zwischen John und Paul zum Glück, wenngleich sie aber ihre musikalische Partnerschaft nie wieder aufnahmen.
9. Elton John – Lucy In The Sky With Diamonds
Übrigens: Nicht allein mit Ono und McCartney ging Lennon eine produktive Zusammenarbeit ein! Nicht immer wurden Johns Solo-Alben von der Kritik gut aufgenommen und auch der kommerzielle Erfolg blieb im stellenweise verwehrt. Erfolgreicher war in den siebziger Jahren Elton John, den sich Lennon für die Aufnahme von Whatever Gets You thru the Night ins Studio holte – seiner einzigen Nummer-Eins-Single in den USA! Neben Gastauftritten bei Ringo Starr und sogar David Bowie war die Zusammenarbeit mit dem exzentrischen Rocket Man-Sänger seine wohl erfolgreichste.
Zeitsprung: Am 28.9.2009 stirbt die echte „Lucy In The Sky With Diamonds“ viel zu früh.
Als John den Kollegen Lennon nach einer verlorenen Wette im November 1974 auf die Bühne des Madison Square Gardens bewegen konnte, winkte der gegenüber den wartenden Journalisten mit den Worten „Das hat echt Spaß gemacht, ich würde damit ungern meinen Lebensunterhalt bestreiten wollen“ ab. Eine prophetische Aussage, denn es sollte sein letzter öffentlicher Auftritt bleiben. 1975 noch half er selbst an der Gitarre im Studio aus, als Elton John ein Cover des Beatles-Klassikers Lucy In The Sky With Diamonds einspielte. Auch die Nummer sollte ein voller Erfolg werden und die Charts stürmen. Eine traurige Ironie des Schicksals.
10. Soulfly – Son Song (feat. Sean Lennon)
John Lennon hinterließ der Welt nicht nur einfühlsame Balladen, spritzige Rock-Songs und denkwürdige musikalische Experimente, sondern auch zwei talentierte Kinder. Sein Sohn aus erster Ehe, Julian, hatte den Songwriter mit einer Zeichnung zum Stück Lucy In The Sky With Diamonds inspiriert. McCartney gab zudem an, Hey Jude zuerst unter dem Namen Hey Jules für den jungen Knirps verfasst zu haben. Auf einer Lennon-Platte ist Julian sogar zu hören: Im Alter von elf spielte er auf dem Album Walls and Bridges Schlagzeug auf dem Lee Dorsey-Cover Ya Ya.
Auch mit Yoko Ono hatte Lennon einen Sohn, Sean. Während er Julian zu Zeiten der Beatlemania mehr oder minder vernachlässigt hatte, bekam Sean von seinem Vater alle nur erdenkliche Aufmerksamkeit. Wie Julian trat er ebenfalls eine musikalische Karriere an und arbeitete mit einer Vielzahl von Artists zusammen. Gemeinsam mit der brasilianischen Metal-Band Soulfly nahm er 2000 ein Stück namens Son Song auf. „Look at the sun, / look at the sky / Another day, another sign / And every moment is precious / And everything will turn to dust”, singt er im Refrain. Bewegende Abschiedsworte an einen Vater, der viel zu früh aus dieser Welt schied.

Popkultur
Zeitsprung: Am 7.6.1993 ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 7.6.1993.
von Christof Leim
An seinem 35. Geburtstag ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol. Damit will er gegen seine Plattenfirma protestieren, von der er sich künstlerisch eingeschränkt fühlt. Der Rest der Welt wundert sich…
Hört hier in die besten Prince-Songs rein:
Seinen ersten Plattenvertrag unterschreibt Prince Rogers Nelson 1977. Darin einigt sich der 18-Jährige mit Warner Bros. Records darauf, die völlige kreative Freiheit zu behalten und sämtliche Alben selbst zu produzieren. Das funktioniert für alle Beteiligten gut, macht Prince zum Star und bringt Warner Millionenseller wie Purple Rain (1984) und Sign O’ The Times (1987). Deshalb stört es auch niemanden, wenn der Mann zwischendurch zum Beispiel ein fertiges Album in die Tonne kloppt und schnell mal eben ein neues aufnimmt (siehe Lovesexy, 1988). 1992 wird der Deal sogar verlängert.
Grundlegende Meinungsverschiedenheit
Dem unglaublich produktiven Künstler liegt Anfang der Neunziger viel daran, seine unzähligen unveröffentlichten Songs – angeblich über 500 – so schnell wie möglich unter die Leute zu bringen. Verständlich, denn dafür hat er das Zeug ja geschrieben. Die Plattenfirma lehnt das jedoch ab, denn sie legt (nicht weniger verständlich) Wert darauf, nur das beste Material in die Läden zu stellen und vor allem den Markt nicht zu überschwemmen. Prince macht keinen Hehl daraus, dass ihm das so gar nicht gefällt und malt sich für öffentliche Auftritte das Wort „Slave“ (dt.: Sklave) ins Gesicht. Nur nützt ihm das nichts, denn Warner Bros. besitzen die Rechte an Princes Künstlernamen und kreativem Output, wie es für Plattenverträge völlig üblich ist. Kurz gesagt: Warner wollen nicht einfach Hunderte an Liedern raushauen, Prince will nicht nur eine Marke sein, mit der die Firma Geld verdient.
Also lässt sich unser Mann etwas einfallen: Er verkündet am 7. Juni 1993, seinem 35. Geburtstag, dass er von nun an nicht mehr den Namen Prince nutze, sondern ein Symbol, das aussieht wie ein Mashup aus den astrologischen Zeichen für Mann und Frau. „Es ist ein unaussprechliches Symbol, dessen Bedeutung nicht erklärt wurde“, heißt es in einer kryptischen Erklärung des Künstlers. „Es geht darum, in neuen Wegen zu denken.“ Prince lässt sich das Ding als „Love Symbol #2“ schützen, packt es auf das Cover seines 1992er-Albums und nutzt es fortan als Bezeichnung für sich selbst.
Ändert aber nix…
Das ist natürlich alles ein bisschen unpraktisch. Zum einen kann man das „Symbol“ nicht schreiben, weshalb Warner Floppy Disks mit einer Grafikdatei an die Medien verschickt. Außerdem weiß niemand, wie man dass denn nun jetzt aussprechen soll. MTV lösen das Problem angeblich, indem sie in ihren Sendungen immer ein metallisches „Klonk!“ einspielen, wenn das „Symbol“ genannt werden müsste. Doch es hilft alles nichts, ein Name muss her. Irgendwann einigt man sich auf „The Artist formerly known as Prince“ oder „TAFKAP“. Das ist offensichtlich ziemlich bescheuert, und für die Fans bleibt ihr Held ohnehin Prince. Vor allem aber: Der Vertrag mit Warner gilt natürlich trotzdem weiter, und juristisch, also „in echt“, heißt der Mann weiterhin Prince Rogers Nelson. Und beides weiß er auch.
Added to my collection: 3.5″ floppy given to press when Prince changed his name. Contains a font w/ one symbol in it. pic.twitter.com/mNL0eOHDGI
— Anil Dash (@anildash) 23. Juni 2014
Viele in der Musikindustrie halten die Aktion für verrückt, die Fans wundern sich, aber immerhin bringt „TAFKAP“ seinen Standpunkt deutlich zum Ausdruck. Die folgenden Alben und Singles gelten allerdings nicht als Höhepunkte seines Schaffens, die Verkaufszahlen gehen deutlich zurück.
Erst im Jahr 2000, als der Vertrag mit Warner ausläuft, nutzt Prince wieder seinen alten Namen. Statt sich erneut an eine Firma zu binden und die herkömmlichen Wege für Vertrieb und Vermarktung zu wählen, agiert er als sein eigener Herr, setzt auf das Internet und baut eigene Strukturen auf. In einem Interview mit Larry King erklärt sich Prince beziehungsweise „TAFKAP“ beziehungsweise „Klonk!“.
2014 jedoch setzt sich der Künstler wieder mit Warner an einen Tisch, weil sein Erfolgsalbum Purple Rain zum 30. Jubiläum neu aufgelegt wird. Das Einlenken lohnt sich, denn Prince gewinnt die Rechte an all seinen alten Platten zurück. Leider stirbt der Ausnahmemusiker am 21. April 2016 mit nur 57 Jahren.
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Zeitsprung: Am 10.5.1988 veröffentlicht Prince das kurzfristig aufgenommene „Lovesexy“.
Popkultur
Von Woodstock bis zum Fyre Festival: Die größten, besten und schlimmsten Festivals aller Zeiten
Die Sonne knallt, die ersten Mega-Festivals sind schon über die Bühne gegangen. Zum Start der Freiluftsaison stellen wir Open-Air-Festivals vor, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind – positiv wie negativ.
von Björn Springorum
Sommer, Sonne, Bier in der Hand und eine Band unter freiem Himmel sehen: Seit über 50 Jahren sind Musikgfestivals ein integraler Bestandteil des Sommers und ein Übergangsritus für unzählige Generationen. Manche Festivals sind bis heute unvergessen, manche würde man lieber sofort wieder vergessen – Bühne frei für unsere Top 10 der denkwürdigsten Festivals aller Zeiten.
Der Pionier: Monterey Pop Festival (1967)
Bei der Mutter aller Festivals denken alle immer gleich an Woodstock, und das aufgrund der Symbolkraft auch nicht zu Unrecht. Der eigentliche Pionier der Gegenkulturfestivals findet aber im Juni 1967 statt – also rund zwei Jahre vor Woodstock. In Nordkalifornien wird Musikgeschichte geschrieben, als Jimi Hendrix sein US-Debüt gibt (nur echt mit brennender Gitarre), als The mamas And The Papas, Eric Burdon And The Animals, The Who, The Byrds oder Big Brother And The Holding Company das Zeitalter von Aquarius herufbeschwören. Sogar der offizielle Werbesong San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair) von Scott McKenzie wird zur Legende.
Der Mythos: Woodstock (1969)
Vieles ging schief bei Woodstock. Die Organisatoren waren nicht auf die Massen vorbereitet, statt der geschätzten 50.000 kamen 400.000 überwiegend junge Menschen. Es regnete, alles versank im Schlamm, der Zaum ums Gelände wurde nicht rechtzeitig fertig, die PA war schwach und das Essen ging aus. Alles egal: Woodstock ist dennoch die Urmutter aller Festivals, der Aufschrei des jungen Amerikas gegen den Vietnamkrieg. Fast schon nebensächlich, wer da auf der Bühne spielte (unter anderem Jimi Hendrix, Santana, Jefferson Airplane, The Who, Sly & The Family Stone, Crosby, Stills, Nash & Young, Mountain, The Grateful Dead, Creedence Clearwater Revival und Janis Joplin). Als Jimi Hendrix die Nationalhymne verzerrt besessen spielte, waren nur noch 40.000 Menschen da. Der Hippietraum war bald darauf vorbei, auch Woodstock konnte ihn nicht retten. Der Mythos, der wird aber für immer derselbe bleiben.
Der Riese: Isle Of Wight Festival (1970)
Ein Jahr nach Woodstock ist der Vietnamkrieg immer noch nicht zu Ende. Also kommen auf der Isle Of Wight bei bestem englischen Sommerwetter (nasskalt, windig, grau) 600.000 Besucher zusammen – die bis dato größte Menschenansammlung in Europa. Jimi Hendrix und Joan Baez verbreiten auch in Europa ihre Botschaft des Friedens, außerdem spielen Miles Davis, The Doors, The Who, Lighthouse, Ten Years After, Emerson, Lake & Palmer, Joni Mitchell, The Moody Blues, Leonard Cohen oder Jethro Tull. Ausgerechnet nach dem Event 1970 ist erst mal Schluss mit dem Isle of Wight Festival – bis 2002.
Der Anarchist: Love-And-Peace-Festival
Die Ostseeinsel Fehmarn geht im September 1970 in die Geschichtsbücher ein: Hier spielt Jimi Hendrix sein letztes Konzert vor seinem Tod am 18. September. Der Auftritt ist allerdings lustlos, unmotiviert, überhaupt läuft auf dem Festival nichts wirklich rund: Das Wetter ist schlecht, die Organisation mangelhaft, zudem zwingen 180 Rocker der Bloody Devils die Veranstalter dazu, als Security eingesetzt zu werden. Ganz miese Idee. Procol Harum und Ten Years After sagten ab, die Besucher bauten sich aus den Türen der Latrinen Windschutz. Am Ende spielen Ton Steine Scherben (damals noch als Rote Steine). Während sich die veranstalter mit der Tageskasse aus dem Staub machten, spielte die Band Macht kaputt, was euch kaputt macht – und die Besucher nahmen das sehr ernst. Man kann also sagen, dass das desaströse Festival nicht gerade seinem Namen gerecht wurde.
Der Millionenflop: US Festival (1983)
Schon das erste US Festival 1982 von Apple-Gründer Steve Wozniak wird trotz Fleetwood Mac, The Grateful Dead, The Police oder Tom Petty zum Mega-Flop, der den Veranstalter zwölf Millionen US-Dollar kostet. Hält Wozniak nicht ab, es im nächsten Jahr gleich noch mal zu versuchen. Diesmal kamen Stevie Nicks, David Bowie oder Van Halen (die allein 1,5 Millionen US-Dollar kosteten), doch selbst die 670.000 Besucher können einen weiteren katastrophalen Flop nicht verhindern. Am Ende bricht Chaos aus, es wird randaliert, zwei Menschen sterben. Zu einer dritten Auflage kommt es nicht.
Der Hipster: Coachella (1999)
Die erste Ausgabe von Coachella ist 1999 ein massiver Flop: Die Veranstalter hofften auf 70.000 Besucher, bekamen gerade mal die Hälfte und verloren eine knappe Million US-Dollar. Am Line-Up mit unter anderem Beck, Tool, Rage Against The Machine, The Chemical Brothers und Morrissey kann es zumindest nicht gelegen haben, so oder so sah alles danach aus, dass das erste Coachella gleich auch das letzte Coachella bleiben würde. Nach zwei Jahren Pause war Coachella wieder da – und wurde dann sehr schnell das beliebteste Festival der USA. Nur Rage Against The Machine treten hier mittlerweile wahrscheinlich nicht mehr auf.
Der Gewalttätige: Woodstock 1999 (1999)
30 Jahre nach Woodstock wird das zweite Sequel des Hippe-Jahrhundertereignisses zur Katastrophe: Über 200.000 Leute kommen in den Bundesstaat New York, doch statt love, peace and music wird das Festival zum Kriegsgebiet: Essen und Getränke sind extrem teuer, die sanitären Anlagen in schlechtem Zustand, es kommt zu zahlreichen Vergewaltigen, sexueller Nötigung, Diebstahl, Plündereien, Brandstiftung und brutaler Gewalt. Der Name Woodstock wurde 1999 für immer beschmutzt
Der Kriminelle: Fyre Festival (2017)
Auch dank der Netflix-Doku ging das Fyre Festival als größter Betrug in die Festivalgeschichte ein. Gepusht von Influencern als paradiesisches Glamour-Event auf den Bahamas, fanden die Festivalbesucher Notzelte und verpackte Sandwiches statt Strandvillen und Gourmetküche vor. Das Festival wurde angesagt, Veranstalter Billy McFarland musste für sechs Jahre ins Gefängnis und wurde zu 26 Millionen US-Dollar Schadenersatz verklagt. Im April 2023 verkündete er dann tatsächlich, dass es Fyre Festival II geben soll. Das kann ja was werden.
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Zeitsprung: Am 28.5.1983 bringt das 2. US Festival tolle Bands und verheerende Kosten.
Popkultur
45 Jahre „The Cars“: Wie eine Bostoner Band die Zukunft der Rockmusik erfand
Das selbstbetitelte The-Cars-Debüt klingt ein bisschen so wie David Bowie und Queen auf einem Roadtrip durch die USA. Auch 45 Jahre nach der Veröffentlichung hat das visionäre The Cars nichts von seinem melodischen Zauber verloren.
von Björn Springorum
Die späten Siebziger sind für die klassische Rockmusik keine einfache Zeit. Links wird sie von räudigem, schnoddrigen Punk überholt, rechts scheren schon die Synthesizer aus, um Wave und Synth-Pop in Position zu bringen. Mittendrin: The Cars aus Boston, die mit ihrem wegweisenden Debüt The Cars den Verlauf der Musik ändern sollen.
Aller Anfang ist schwer
Die Bandgründer Ric Ocasek und Benjamin Orr sind damals alles andere als Greenhorns. Beide über 30, beide schon in diversen Bands in Ohio oder Michigan gewesen. Auf die synthetische Zukunft der Rockmusik haben sie aber erst mal keinen Bock: Sie spielen in der Folk-Band Milkwood, die nach Crosby, Stills And Nash duftet und 1972das Album How’s The Weather hervorbringt. Die Musikwelt interessiert sich damals dafür nicht – und das eigentlich zu Unrecht, wie man hier hören kann:
Mit Folk wird es anscheinend nichts, also versuchen sie es erst mit der Band Richard And The Rabbits und dann mit dem Akustikduo Ocasek And Orr. Man kann also auch sagen, dass sie einfach so lang alle Genres abgrasen, bis mal irgendwas auf offene Ohren stößt. Nächste Station: Cap’n Swing, ebenfalls eine weitgehend vergessene Band, in der aber immerhin auch der spätere The-Cars-Gitarrist Elliot Easton spielt. Irgendwann hat Ocasek genug vom ganzen Misserfolg und den ganzen vergeblichen Anstrengungen. Kostet ja auch Zeit und Kraft. Also holt er sich den Keyboarder Greg Hawkes in die Band und entwickelt ein neues Konzept.
Mit Rockabilly und Punk in die Zukunft
Unter den Namen The Cars gründet sich 1976 eine Band, die aus dem Rockabilly der Fünfziger, dem Minimalismus des Punk und den ungeahnten Möglichkeiten der neuen Synthesizer einen neuen Sound macht. The Cars klingen in ihren frühen Tagen stark nach David Bowie oder Queen, aber eben hinter dem Steuer eines US-amerikanischen Cabrios auf einem Roadtrip durch die Harmonien des Great American Songbook. Hier entsteht Musik, die so klingt wie die Vergangenheit und die Zukunft der Rockmusik.-
Und irgendwie funktioniert alles plötzlich ganz schnell. Am Silvesterabend 1976 spielen sie ihre erste Show auf einer Air Force Base, bei einer ausgedehnten Frühjahrstour 1977 durch New England entwickeln sie im Pink-Floyd-Stil die Songs ihres Debüts. Und die erzeugen schnell einen ordentlichen Buzz um diese neue Band: Ein Demotape wird von Bostoner Radiosendern praktisch im Loop gespielt, schnell ist auch das Interesse großer Plattenfirmen da. Hier war etwas Neues im Busch, da will niemand zu spät auf den Zug aufspringen. Aus Businesssicht sind The Cars damals schon recht clever: Sie entscheiden sich für einen Deal mit Elektra Records (damals auch die Heimat der übermächtigen Eagles), weil das Label im Vergleich zum Mitbewerber Arista Records keine New-Wave-Acts unter Vertrag hat. Man würde, so schlussfolgert die Band, folglich mehr herausstechen.
Aufgenommen wird in London
Und der Plan geht so was von auf: Nach den Aufnahmen in London mit Queen-Hitmaker Roy Thomas Baker erscheint am 6. Juni 1978 The Cars und kann bis auf Rang 18 der erbittert umkämpften US-Charts klettern. Alle Singles charten ebenfalls, aus Radios im ganzen Land dröhnen sehr bald Good Times Roll oder Just What I Needed. Aber warum eigentlich? Warum verkauft sich The Cars über sechs Millionen Mal und bekommt sechsfach Platin? Weil die Rockmusik im Wandel ist. Und The Cars als einer der Zukunftsboten auf den Plan treten.
Das Album erscheint in einer Übergangsphase, in einer Zäsur. Zwar haben AC/DC gerade erst Powerage veröffentlicht, aber zur selben Zeit kommen eben auch Kraftwerk mit ihrem Maschinenmanifest Die Mensch-Maschine und die Rolling Stones mit dem wavigen Some Girls um die Ecke. Es passiert was in der Rockmusik, das klassische Line-Up aus Gitarre, Bass, Drums wird zunehmend weniger nachgefragt. Da passen The Cars mit ihrem eklektischen Sound perfekt.
Jeder Song sitzt
Die Harmonien des Pop, die Melodien des Radio-Rock, die Extravaganz des New Wave und der Simplizismus des Punk erschaffen einen originellen, frischen, eingängigen Sound, der der Band endlich die erhoffte Aufmerksamkeit bringt. Auch nicht unwichtig: Die Songs sind allesamt grandios geschrieben und arrangiert. Und funktionieren bis heute. „Wir scherzten früher, dass wir unser erstes Album eigentlich The Cars Greatest Hits nennen sollen, so meinte Gitarrist Elliot Easton mal.
Das Spannende ist aber auch, wie brückenbauend The Cars damals sind: Die übliche Kluft zwischen Rockern und Poppern wird von ihnen mühelos überbrückt. Für Rocker ist The Cars gerade noch hart und gitarrenlastig genug, für New-Waver sind die Songs in Sachen rockiger Härte gerade noch erträglich.
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