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Popkultur

Von Magic Mushrooms und Rockstarqualitäten: Die große Transformation des Harry Styles

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Harry Styles
Foto: Rich Fury/Getty Images for Spotify

Mit Gitarre, Rüschenbluse und verschwitzter Wallemähne: 2020 gibt es kaum einen Popstar, der mehr androgynen Rockstar-Appeal versprüht als Harry Styles. Inspiriert von Musiklegenden wie Mick Jagger und David Bowie fügt er sich optisch nahtlos in die Ära seiner Helden ein. Doch auch musikalisch zeigt das Ex-Boybandmitglied Rockstarqualitäten. Wir gehen dem Phänomen Harry Styles auf den Grund.

von Sina Buchwitz

Hört hier in Harry Styles Erfolgsalbum Fine Line rein:

Am 1. Februar 1994 wird Harry Edward Styles im englischen Redditch geboren. Seine Liebe zur Musik entdeckt er schon in Kindertagen, als sein Großvater ihm eine Karaokemaschine schenkt. Seine ersten Songs? Vor allem die von Opas Liebling Elvis Presley, doch auch Harrys Eltern üben musikalischen Einfluss auf ihren Sohn aus.

In einem Radiointerview erzählt er: „Ich hatte einen guten Mix aus meiner Mutter und meinem Vater. Mein Vater mochte Fleetwood Mac, The Beatles, The Rolling Stones, Pink Floyd und Queen; während meine Mutter Norah Jones und Savage Garden präferierte.“

Per Castingshow in den Popstarhimmel

2010 wird Styles durch seine Teilnahme bei der britischen Castingshow The X Factor in den Pophimmel katapultiert. Zusammen mit Niall Horan, Liam Payne, Louis Tomlinson und Zayn Malik gründet er One Direction. Damals ist er gerade zarte 16 Jahre alt.

Ab da geht es nur noch höher, schneller, weiter: Bis 2015 verzeichnen die Jungs gleich fünf Nummer-eins-Alben, räumen unzählige Preise ab und touren um die Welt. Drei ihrer Alben (Midnight Memories, Four und Made In The A.M.) nimmt die Band sogar an freien Tagen zwischen den Konzerten auf. Dieses Tempo fordert seinen Tribut: Inmitten einer Tour zieht Zayn Malik in Hong Kong 2015 die Reißleine und verlässt die Band, ein paar Monate später geben auch die restlichen Mitglieder bekannt, One Direction mache eine Pause.

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I’ve been struggling to put into words how grateful I am for everything that’s happened over the last ten years. I’ve seen things and places that I’d only ever dreamt of when I was growing up. I’ve had the pleasure of meeting and working with some of the most incredible people, and gained friendships that I know I will treasure for the rest of my life. None of this would be possible without the support you’ve given along the way. And for that, I will be forever thankful. I just can’t believe it’s been ten years. Thank you to our crew, our team, and everyone else who helped us along the way. To all the fans, I love you, and I thank you with all my heart. You did it all, and you changed everything. And finally.. to the boys, I love you so much, and I couldn’t be prouder of everything we achieved together. Here’s to ten. H

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Doch wer jetzt denkt, Harry Styles hätte in George-Michael-Manier seine Lederjacke verbrannt, um den Übergang vom Boyband-Sänger zum Solokünstler möglichst dramatisch zu markieren, der irrt. Es gehört zu Styles Mentalität, positiv auf die Dinge zu blicken. So sagt er im Interview: „Ich weiß, das ist das, was immer passiert. Wenn jemand aus einer Band kommt, heißt es plötzlich: ‘Das war alles nicht ich. Ich wurde zurückgehalten.’ Aber das alles war ich. Ich fühle mich überhaupt nicht so, als wäre ich zurückgehalten worden. Es hat so viel Spaß gemacht. Wenn ich die Zeit nicht genossen hätte, hätte ich das alles gar nicht getan.“

Dieser tolerante und positive Blick aufs Leben ist es, den Styles-Fans schätzen. Er strahlt eine Mühelosigkeit aus, die seine Anhänger*innen dazu einlädt, ebenfalls sie selbst zu sein. Schon zu One-Direction-Zeiten macht er etwa, Boyband-untypisch, aus seiner sexuellen Ambiguität keinen Hehl.

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SATURDAY NIGHT LIVE.

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Auf die typische Interviewfrage: „Wonach suchst du bei einem Date?“ antwortet ein Bandkollege 2014 (sinngemäß) mit: „weiblich“. Harry zuckt daraufhin mit den Schultern, wirft ein simples „Find ich nicht so wichtig“ in die Runde und schockiert den Moderator damit zutiefst. Auf Konzerten schwenkt er stolz die Regenbogenflagge für die LGBTQ-Gemeinschaft.

Styles Style: Eine Ode an die Rockgeschichte

Wie einst Jagger und Bowie lässt auch Styles die Geschlechtergrenzen verschwimmen. Für Saturday Night Live wird er im rosa Tutu abgelichtet, zur Met Gala erscheint er mit Ohrringen, dunklem Nagellack und durchsichtiger Spitzenbluse. Auf der Bühne lässt er den Sex Appeal früherer Rockstars mit gewagten Bühnenoutfits wiederauferstehen.

2017 ist dann auch musikalisch klar, in welche Richtung es geht: Seine erste Solo-Single Sign Of The Times, offensichtlich eine Hommage an Prince, klingt wie eine Rockballade aus vergangener Zeit, die auch Pink Floyd oder Oasis gut gestanden hätten. Das sechsminütige Stück mutet in den ersten Sekunden an wie Robbie Williams’ Angels, um dann Space-Oddity-ähnlich von der Erde abzuheben.

Styles Helden: Stevie Nicks, Van Morrison und Mick Jagger

Die musikalische Neuorientierung kommt nicht von ungefähr. Harrys Liste an Inspirationen ist voller Rockhelden der Siebziger. So nennt er in einem Interview zum Beispiel Van Morrisons Album Astral Weeks als sein „Lieblingsalbum aller Zeiten“, schwärmt von Paul McCartney als Songschreiber und heimst von Mick Jagger sogar selbst Komplimente ein. Der sagt über Styles: „Ja, ich kann meinen Einfluss auf ihn erkennen. Aber ich gebe ihm keine Ratschläge, ich sage ihm nur, dass er gut aussieht. Ich mag ihn. Er ist sehr anständig.“

Mit Rock’n’Roll-Legende Stevie Nicks pflegt Styles eine besondere Beziehung: Sie nennt ihn ihre „kleine Muse“, 2019 geht er auf die Knie, um seiner Heldin während der Hall-Of-Fame-Zeremonie ihren Award zu überreichen. Den Fleetwood-Mac-Song Landslide performten sie in den letzten Jahren mehrfach miteinander.

Im selben Jahr baut er seine Rockqualitäten mit dem Album Fine Line weiter aus. Das Album schlägt ein wie der Blitz: Es verkauft sich in der ersten Woche doppelt so häufig wie Styles Debütalbum und verweilt auch sieben Monate nach der Veröffentlichung noch immer in den Top 10 der Billboard 200 Album Charts. Die Singles Adore You und Watermelon Sugar schaffen es ebenfalls in die Top 10.

Obwohl beide Titel eindeutig dem Pop zuzuordnen sind, ist der Entstehungsprozess dem eines Rockstars durchaus würdig. Styles nimmt während der Aufnahmen Psychedelika ein und erzählt im Interview: „Wir nahmen Magic Mushrooms, legten uns ins Gras und hörten Paul McCartneys Ram in der Sonne.“ Dann zeigt er unvermittelt auf eine Ecke im Raum und sagt: „Hier stand ich, als wir Pilze nahmen und ich mir die Zungenspitze abbiss. Also versuchte ich zu singen, während mir all dieses Blut aus dem Mund sprudelte.“

So entstehen auch Titel wie She, auf dem Gitarrist Mitch Rowland mit einem Gitarrensolo glänzt. „Mitch hatte Pilze genommen, als er hier die Gitarre spielte. Wir alle waren high. Später hatte er keine Ahnung mehr, was er in dieser Nacht gespielt hatte, also musste er alles vom Track neu lernen“, erinnert sich Styles. Das Ergebnis: ein abgedreht-episches Stück, das an Pink Floyds Shine On You Crazy Diamond erinnert.

Für andere Songs wie Canyon Moon nennt Styles Joni Mitchell als Inspiration. Es gelingt ihm sogar, Joellen Lapidus ausfindig zu machen, die Frau, die Joni Mitchell einst ihren Mountain Dulcimer angefertigt hatte. Lapidus höchstpersönlich gibt Styles daraufhin seine ersten Unterrichtsstunden für das Instrument.

Styles holt den Classic Rock in die Gegenwart

So mühelos wie Styles mit seinem Look Geschlechtergrenzen verschwimmen lässt, so verschmilzt er auch Pop und Rock miteinander. Seine liebevolle Hommage an den Rock der Siebziger ist respektvoll und durchdacht, ohne dass er dabei den Blick auf die musikalische Gegenwart verliert. Zusammen mit einer gehörigen Portion Selbstironie und Sex Appeal könnte Harry Styles so die Zukunft des Rock mitbestimmen.

Ist Rockmusik tot? Nicht wenn ihr richtig hinhört!

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