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Popkultur

Review: Auf „Forever“ zelebrieren Bon Jovi die eigene Karriere

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Bon Jovi
Foto: Mark Seliger


Es war lange nicht klar, ob es dieses Album geben würde. Mit Forever melden sich Bon Jovi nach der Stimmband-OP ihres Anführers zurück – gewandelt, aber voller Spielfreude, Ohrwürmer und mit mehr als einem Bein in der ruhmreichen Vergangenheit.

von Björn Springorum

Am Sunset Strip in Los Angeles sieht man besonders gut, wie die Zeit vergangen ist. Wo früher Glam-Hedonisten in toupierten Haaren durch die Straßen zogen, entstehen heute Luxus-Resorts, siedeln sich die teuersten Marken der Welt an. Es ist eben nicht mehr 1984, und im Grunde ist das auch fast schon alles, was man über die neue Bon-Jovi-Platte Forever wissen muss.

Die Band ist nicht mehr als die zu erkennen, die mit Runaway durchgestartet ist, zu Zeiten höchster Libidoaufregung und MTVs Allmacht. Natürlich schon längst nicht mehr: Schon als sich Sex-Symbol Jon Bon von den langen Haaren trennt, ist der Aufschrei groß, das neue Jahrtausend starten sie dann mit dem Pop-Rock-Gigantismus von It’s My Life. Natürlich ist das Produzent und Pop-Alchemist Max Martin zu verdanken, der unter anderem Blinding Lights für The Weekend, Shake It Off für Taylor Swift oder …Baby One More Time von Britney Spears geschrieben hat.

Ungezwungenes Spätwerk

Die letzten Platten, insbesondere die nach dem Ausstieg von Gitarrist Richie Sambora, verhalten sich da schon deutlich unauffälliger, und die letzte, 2020, steigt in den USA „nur“ auf Rang 19 ein. Viele sahen Bon Jovi damals schon am Ende, aber eben nicht zum ersten Mal. Irgendwie haben sie Grunge überstanden, sind durch Zeiten gekommen, in denen Alternative oder Indie Rock jedwedes Interesse an gutem alten Dad-Rock auszulöschen drohten. Und haben mit Forever jetzt tatsächlich ein neues Album veröffentlicht.


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Es ist das Spätwerk eines 62-jährigen Künstlers, der viel zu feiern, aber so gar nichts mehr zu beweisen hat. Es ist das erste Album seit seiner Stimmband-OP und den damit verbundenen Problemen. Es ist das Album, das niemand braucht, aber trotzdem Spaß macht. Vielleicht klingt es deswegen auch so gelöst, ungezwungen. Der Opener Forever klingt nach einer Gartenparty in Nashville, We Made It Look Easy zitiert seinen New-Jersey-Kollegen Bruce Springsteen, Living Proof bringt sogar den unverwechselbaren Talkbox-Effekt zurück, der schon Livin’ On A Prayer so ikonisch macht.

„Ich wollte unser Vermächtnis nicht versauen“

Man merkt schon, dass Bon Jovi hier Bilanz zieht. Zurückschaut und merkt: Hey, das war doch alles ganz schön großartig. 130 Millionen verkaufte Platten, die größten Shows auf dem ganzen Planeten, Hölle, dieser Kerl ist in den Achtzigern mehr oder weniger im Alleingang dafür verantwortlich, dass Rockmusik über Mötley Crüe und Ratt hinauskommt. Als er dann 2022 eine Tour beendet und merkt, dass es einfach nicht mehr so klappt mit der Stimme, will er eigentlich schon alles an den Nagel hängen. „Ich wollte unser Vermächtnis nicht versauen“, sagte er dem Kerrang! Magazin. „Ich wollte nicht da rausgehen und halbherzig auftreten. Das ist es einfach nicht mehr wert. Wenn ich nicht mehr dieser Typ sein und so auftreten könnte, würde ich es überhaupt nicht mehr tun.“

Man hört auch Forever an, dass er noch nicht seinen vollen Stimmumfang zurückhat. Und wahrscheinlich niemals zurückbekommen wird. Seine Stimme klingt verwittert, sein Vibrato ist wackelig, vielleicht wurde auch etwas im Studio nachgeholfen. Im melancholischen Waves (mit kleiner Blaze Of Glory-Referenz) merkt man das besonders gut, weil er da einige erstaunliche Höhen trifft, aber irgendwie passt das auch. Es ist immer noch Bon Jovi, der hier singt, diese Stimme vergisst man einfach nicht. Sie klingt aber eben anders, gewandelt, ein wenig brüchig. Johnny Cash hat das auf seinen American Recordings zu seinem neuen Markenzeichen gemacht. Warum also nicht auch Jon Bon?

Rückgriffe auf glorreiche Zeiten

Die zwölf Songs sind alle eingängig, meistens vorhersehbar und manchmal kitschig. Warum hört man ihm dann dennoch gern dabei zu? Weil er gelungene Rückgriffe auf seine glorreichen Zeiten einbaut und sich spürbar gut damit fühlt. Weil er Hooks praktisch erfunden hat. Das führt zu manchem Cringe-Moment wie bei Kiss The Bride, eine Art exemplarischer Boomer-Song. Aber das ist okay. Im abschließenden Hollow Man reflektiert er mit Nebraska-Vibe über das Ende einer langen Reise. Ist es der letzte Bon-Jovi-Song? Denkbar. Und wenn es so ist, dann ist das ein guter, ein würdiger Abschluss.

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