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Popkultur

Zeitsprung: Am 15.2.1975 veröffentlichen Rush „Fly By Night“ mit Neu-Drummer Neil Peart.

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Foto: Albumcover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 15.2.1975.

von Tom Küppers und Christof Leim

Oft haben wir schon vom „fehlenden Puzzleteil“ gehört und gelesen, gerade in der Geschichte der Rockhistorie. Doch es gibt vielleicht kein zweites Beispiel, das den Wahrheitsgehalt dieser These so untermauert wie die Geschichte des am 15. Februar 1975 veröffentlichten Albums Fly By Night. Denn mit der Platte werden Rush erst dank der Hinzunahme von Drummer und Lyriker Neil Peart zu Prog-Rock-Göttern.

Hier könnt ihr mit Fly By Night wegfliegen:

Dabei sah alles am Anfang – wie bei jeder aufstrebenden Band – so rosig aus. Nachdem die beiden Schulfreunde Geddy Lee (Bassist und Sänger) und Alex Lifeson (Gitarrist) schon seit 1968 in verschiedenen Formationen gemeinsam Musik machen, kommt mit dem Schlagzeuger John Rutsey ein wenig Stabilität ins Line-Up. Dessen Bruder ist es dann übrigens, der dem Trio den Bandnamen Rush vorschlägt. Unter diesem Banner ziehen die drei durch die Bars und über die Schulfeste der Gegend, veröffentlichen 1974 ihr Debüt und landen mit Working Man einen ersten kleinen Hit. 

Neuer Schlagzeuger

Kritiker attestieren der Band (nicht ganz zu Unrecht) eine Led Zeppelin-Schlagseite, im Rückblick lässt sich der Einstand der Kanadier als solide, aber unspektakuläre Rockmusik einordnen. Doch schon wenige Monate nach der Veröffentlichung hängt der Haussegen zwischen Rutsey und den anderen schief. „Was er und wir musikalisch machen wollten, war nicht das selbe“, erinnert sich Geddy Lee, Lifeson verweist auf gesundheitliche Probleme. „John litt an Diabetes und hat sich immer sehr darum gesorgt, ob es auch auf Reisen gut geht“. 

Die klassische Rush-Besetzung: Lee, Lifeson, Peart

Die Nachricht, dass Rush einen neuen Schlagwerker suchen, spricht sich schnell herum, so dass Lee und Lifeson gleich etliche Musiker austesten dürfen. Eines Tages sind das sogar fünf Stück nacheinander, darunter der Drummer der nach dem gleichnamigen Deep-Purple-Song benannten Band Hush: Ein seinerzeit gerade mal 22 Jahre junger Neil Peart. Lee und Lifeson erinnern sich immer wieder gerne den Erstkontakt mit ihrem zukünftigen Partner und betonen unablässig, wie Peart in kurzen Hosen aus einem ziemlich abgerockten Wagen kletterte und sein Schlagzeug in Mülleimern transportierte. Als erstes setzen die beiden dem potenziellen Kandidaten einen neuen Song namens Anthem vor, der in Sachen Komplexität und Progressivität deutlich fordernder als bisherige Werke der Band ausgefallen ist. 

Reindreschen hilft

„Geddy und ich hatten sofort einen Draht zueinander“, blickt Peart zurück und spricht von einem fast identischen Geschmack in Sachen Literatur und Musik. Die Aufwärmphase gegenüber dem Gitarristen dauert länger: „Alex hatte an dem Tag, warum auch immer, schlechte Laune, weswegen wir uns nicht so viel zu sagen hatten.“ Nach Experimenten mit Ideen und Rhythmen wird das Vorspielen für beendet erklärt, und Peart denkt sich selbstkritisch: „Meine Güte, war das grausam.“Wie unterschiedlich doch die Wahrnehmungen sein können, denn der mutmaßlich griesgrämige Lifeson erinnert sich ausdrücklich daran, dass er direkt begeistert war. „Neil hatte etwas von Keith Moon und hat unheimlich in die Felle gedroschen. Die Unterhaltung nach der Session zeigte außerdem, dass er nicht auf den Kopf gefallen war.“ Damit steht die Entscheidung fest, und schon geht es im Spätsommer 1974 für die neuformierte Truppe im Vorprogramm von Uriah Heep und Manfred Mann auf Tour. 

Das erste gemeinsame Album Fly By Night wird dann in einer nur fünftägigen Pause zwischen zwei Gastspielreisen eingehämmert. Peart bringt die Band nicht nur musikalisch durch sein Spiel in eine andere Liga, sondern auch als Texter. Für Anthem orientiert sich Peart an der gleichnamigen dystopischen Novelle von Ayn Rand, einer Autorin, die das Schaffen der Band noch weiter prägen wird, für Rivendell bedient er sich dann bei Der Herr Der Ringe. Doch sein Talent zeigt sich insbesondere auf By-Tor & The Snow Dog, dem ersten aus mehreren Teilen bestehenden Miniepos der Band. 

Die Geschichte der zwei Hunde

Den sonderbare Titel der Nummer kommentiert Lifeson mit „ein kleiner Insider-Scherz, den Neil in eine kraftvolle Geschichte verwandelt hat“, Lee erklärt erfrischend offen: „Jeder glaubt immer, wir seien eine sehr ernsthafte Band. Aber wir sind ganz normale Idioten, und das war einer dieser Gags, der ausser Kontrolle geraten ist. Unser Manager hatte damals zwei Hunde. Unser Lichtmann hat den einen „Biter“ und den anderen „Snow Dog“ getauft. Irgendwann haben wir uns dann mal einen Song über die beiden vorgestellt, und Neil hat den halt geschrieben. Ich glaube, an dem Tag waren wir ziemlich bekifft“. 

Als Fly By Night dann am 15. Februar 1975 veröffentlicht wird, reagieren die Kritiker irritiert (eine Rezension verwendet sogar den Begriff „entsetzlich“ ), die Fans sind allerdings begeistert. Geddy Lee bringt die Bedeutung von Fly By Night für die Entwicklung von Rush wunderbar auf den Punkt: „Plötzlich waren wir eine andere Band. Mit Neil hat sich in der Art, wie wir Musik komponieren und darbieten, ganz viel verändert. Und von dem Punkt an fühlte es sich so an, als könnten wir alles machen.“ Was dann die Geschichte auch ziemlich gut bewiesen hat. 

Zeitsprung: Am 19.10.1993 erscheint das fünfzehnte Rush-Album „Counterparts“.

 

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