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Popkultur

Zeitsprung: Am 25.8.1992 überraschen Warrant mit „Dog Eat Dog“.

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Warrant Dog Eat Dog Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.8.1992.

von Christof Leim

Als die Party-Rocker Warrant im Sommer 1992 mit Dog Eat Dog um die Ecke kommen, staunen die Fans nicht schlecht: Nach den fluffigen Hairspray-Megahits der ersten beiden Scheiben klingen die Amis plötzlich ein gutes Stück härter, musikalisch ambitioniert und sogar richtiggehend ernsthaft…

Hier könnt ihr Dog Eat Dog anhören:

Damit passt die Band durchaus in die Zeit, denn 1992 hat sich der Glam Metal der Achtziger zusehends erledigt. Die große Zäsur der Neunziger passiert gerade, Nevermind steht seit einem Dreivierteljahr in den Läden. Die neuen Sounds aus Seattle speisen sich aus alten Tugenden der Rockmusik, nämlich Punk, Black Sabbath und weniger aufgeblasenem Glitzer, doch nicht nur Nirvana, Soundgarden et al. sorgen für die Abkehr von Gepose, Image und unterhaltsamem, aber gefälligem Hard Rock.

Das Ende der Hair-Metal-Ära

Dafür braucht der Hair Metal die Grunge-Meute gar nicht mal: Die Szene vom Sunset Strip in Hollywood mit Mötley Crüe, Poison und Konsorten als Galionsfiguren und Hunderten von Klonen läuft sich zusehends tot: zu viel Wiederholung, zu viel Uniformität. Hedonistische Fantasiewelten und musikalischer Eskapismus sind natürlich etwas Feines, aber die Leute haben zusehends genug davon. Doch ganz am Anfang der Neunziger bringen die bisherigen platindekorierten Bands weiterhin beachtenswerte Platten raus. Man könnte sagen: Die beiden Szenen und Strömungen laufen parallel. (Zumal ja ohnehin nichts dagegen spricht, Badmotorfinger und Girls, Girls, Girls nacheinander zu hören.)

Warrant 1992 auf dem Cover der „Bitter Pill“-Single

Die guten unter den klassischen Hard-Rock-Bands begegnen dem mit Runterschrauben der Poserei, Hinwendung zu „ehrlicheren“ Inhalten und Konzentration auf gutes Songwriting. Und genau das tun Warrant 1992. Damit erinnern sie ein bisschen an das großartige Slave To The Grind von Skid Row aus dem Vorjahr, das ebenfalls von Michael Wagener produziert wurde.

Die Texte können was

Auf Dog Eat Dog, der letzten Warrant-Platte im Original-Line-up, glänzt vor allem Sänger Jani Lane als vielseitiger und kompetenter Songwriter. Er singt eben nicht nur und nicht mal hauptsächlich über Wein, Weib und Gesang beziehungsweise Beziehungen, sondern auch über Psychopathen (Andy Warhol Was Right), Drogensucht (All My Bridges Are Burning), Materialismus (Hollywood) und düstere, orwellsche Zukunftsvisionen (April 2031). Damit zeigt der 28-jährige Lane, dass er durchaus (und immer schon) mehr drauf hat als Lieder über Kirschkuchen. Auch das aufgetakelte Haarspray-Image hatte sich mit der Platte erledigt: Auf den Bandfotos sieht man die Band in schwarzem Leder, mit zugetackerten Armen und herkömmlichen Rock’n’Roll-Zottelhaaren, die nicht bis zum Himmel toupiert wurden.

Musikalisch bietet Dog Eat Dog immer noch Hard Rock und wirkt viel weniger orientierungssuchend als der Nachfolger Ultraphobic. Aber das Quintett klingt gereift. Die Aufnahmen beginnen sie im heimischen Los Angeles, der Rest passiert in den Morrisound Studios in Tampa, Florida, dem führenden Tempel für Death Metal – was damals in den Musikmagazinen durchaus für Erwähnung und hochgezogene Augenbrauen sorgt.

Diesmal dürfen die Gitarristen selber

Zu diesen Zeiten kursiert noch das Gerücht, dass die beiden Gitarristen Joey Allen und Erik Turner insbesondere bei den Soli nicht viel zu den zwei Vorgängerplatten beigetragen haben sollen (was sich auch als korrekt entpuppt). Deshalb schreibt Produzent Wagener in die Liner Notes: „Niemand außer den Genannten hat in irgendeiner Form auf diesem Album gespielt“, Bandboss Lane widmet das Werk Joey Allen, „einem der unterschätztesten Gitarrist im Rock dieser Tage“. Und tatsächlich: Verstecken muss sich Allen nicht.

„Tough“ soll es aussehen: Das Cover der „Machine Gun“-Single

Als erste Single wird der Stadionrocker Machine Gun veröffentlicht, es folgt das pianogetragene The Bitter Pill mit einem opernhaften Mittelteil. Für die Chöre verpflichtet Wagener alle, die er kriegen kann: Sicherheitsleute, das Team der Tontechnik und den Hausmeister. Der kaum verständliche Text enthält die deutschen Zeilen „Liebe ist eine bittere Pille“ und, nun ja, „Ich will besoffen sein“, die vermutlich nur der Produzent versteht. So kann man sich bei der Arbeit auch amüsieren. Neben dem vollen Brett gibt es auch eine Akustikversion der Nummer.

Die Zeiten ändern sich

Kurz nach der Veröffentlichung der Platte am 25. August 1992 bemerkt Jani Lane im Foyer von Columbia Records in L.A., dass ein großes gerahmtes Warrant-Poster durch ein Bild der Labelkollegen Alice In Chains ersetzt worden ist. (Einen Monat später erscheint deren Knaller Dirt.) Da weiß der Sänger, was die Stunde geschlagen hat und was kommen würde. Und tatsächlich hält sich die Unterstützung der Plattenfirma, der Radiosender und nicht zuletzt der Marktmacht MTV in Grenzen.

Warrant stehen mit Dog Eat Dog leider zwischen den Stühlen: Die Altfans wundern sich ein bisschen über die „Unfluffigkeit“, vor allem aber kann die neue Szene wenig mit Songwritern anfangen, die nicht zum Lachen in den Keller gehen. Deshalb fahren Warrant mit Dog Eat Dog „nur noch“ Gold ein und nicht mehr Mehrfachplatin wie früher, aber unter Hard-Rock-Fans wird die Scheibe als ihr bestes Werk gehandelt. Lustigerweise nennen die Crossover-Helden Dog Eat Dog, das sind die mit No Fronts, ein Jahr später ihre erste EP Warrant – angeblich als lustig gemeinter Seitenhieb auf die Ex-Hair-Metaller. Was bleibt, ist ein wirklich hervorragendes Hard-Rock-Album vom Ende einer Ära, das in den folgenden Jahren schlicht untergeht – und die Band gleich mit. Schade eigentlich.

Zeitsprung: Am 31.1.1989 erscheint das erste Album von Warrant.

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