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Popkultur

10 Reggae-Songs, die man kennen muss

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Foto: Pete Still/Redferns/Getty Images

Pünktlich zum International Reggae Day am 1. Juli liefern wir zehn essenzielle Songs des Genres, die ihr kennen solltet. Wer allerdings denkt, bei den lässigen Tönen ginge es nur um Sonnenschein, sollte genauer hinhören: Die Musik rund um das jamaikanische Lebensgefühl ist von Haus aus politisch.

von Victoria Schaffrath

Paradies und Polizeigewalt, Armut und Aberglaube, Gesellschaftskritik und Gott: In kaum einer Musikgattung liegen Gegensätze so mystisch nah beieinander wie im Reggae. Dank Einflüssen aus Ska, Rocksteady, R&B, Jazz und dem folkloristischen Mento ensteht in Jamaika in den späten Sechzigerjahren ein Genre, das seitdem die Welt erobert und auch vor dem deutschsprachigen Raum nicht Halt gemacht hat. Seine Auswüchse kommen so vielseitig daher wie sein Ursprungsland selbst und vereinen gekonnt die Leichtigkeit des Seins und dessen Schattenseiten.

1. Do The Reggay – Toots and the Maytals

Beginnen wir die Liste mit dem Lied, das den Reggae begründete: Als einer der ersten Songwriter verwendet Autor Toots Hibbert hier das Wort „Reggae“. 1968 besingt er „the new dance going around the town“, der Name bleibt und der aufkeimende Stil erreicht erstmals ein größeres Publikum. Der BBC gegenüber erklärt Hibbert, das Wort beschreibe „jemanden, der nicht gerade gepflegt wirkt“. Der Versuch, das gängige Klischee über Rastafari zu untergraben, gelingt leider nur teilweise: Bis heute gibt es Vorurteile gegenüber Dreadlocks, Reggae und der damit verbundenen Religion.

2. Get Up, Stand Up – Bob Marley

Dass diese Liste nicht ohne Bob Marley auskommt, müssen wir kaum rechtfertigen. Als eindeutig größter Exportschlager der Stilrichtung krempelt Marley mit seiner Botschaft „One Love“ auch mürrische Zweifler*innen um; gleichzeitig gelingt es dem Titan aber auch, sein Volk zum Widerstand gegen ungerechte Bedingungen aufzurufen. Mit Get Up, Stand Up liefert er 1973 einen der wichtigsten Protestsongs überhaupt; auf dem dazugehörigen Album Burnin’ befindet sich außerdem I Shot The Sheriff. Get Up kommt zwei Jahre vor seinem Welterfolg mit der Live-Version von No Woman, No Cry, das auf Kreolisch übrigens „Nein, Frau, weine nicht“ bedeutet und nicht sinngemäß „Keine Frauen, keine Probleme“.

3. Beat Down Babylon – Junior Byles

1970 wendet sich Bob Marleys Lieblingsproduzent Lee „Scratch“ Perry neuen Projekten zu. Bei seiner Suche stößt dieser auf den stark gläubigen Junior Byles, bis dahin bekannt als King Chubby. Der Rastafari scheut sich nicht, wachsende gesellschaftliche Missstände in Jamaika anzusprechen und liefert mit Beat Down Babylon eine vernichtende Kritik an der Regierung. Das Stück von 1971 bewegt sich im Bereich des Roots-Reggae, der noch stärker vom Glauben an Jah und der erhofften Befreiung durch den ausgerufenen Messias Haile Selassie geprägt ist.

4. Welcome To Jamrock – Damian Marley

Ein jüngerer Vertreter des Genres, interpretiert von keinem geringeren als Bob Marleys Sohn. Auch Junior nimmt sich der Misere an, die in Jamaika immer noch um sich greift; prangert vor allem die Glorifizierung von Verbrechen und Gewalt an, der sich die dortige Jugend aufgrund von Armut gegenüber sieht. Der deutlich hörbare Rap-Einfluss verpasst dem Genre eine Verjüngungskur, die (genau wie die Musik seines Vaters) Grenzen überwindet und zum globalen Erfolg wird.

5. Legalize It – Peter Tosh

Während wir uns über holländische Coffee-Shops und CBD-Öl amüsieren können, stellte die Illegalität von Cannabis in Jamaika lange eines der grundlegenden gesellschaftlichen Probleme dar. Im Rastafari-Glauben gilt die Pflanze nämlich als heilig; ihr Konsum stellt ein Sakrament dar. Gemeinsam mit der vorherrschenden Armut entstand ein Kreislauf aus Verbrechen und Gewalt, der in einen korrupten Justizvollzug mündete. Seit 2015 gibt es gelockerte Gesetze; Toshs Appell bleibt jedoch zeitlos: Legalize It dient nach seiner Wailers-Zeit mit Bob Marley als Solo-Debüt und lässt keine Zweifel an seiner Überzeugung zu.

6. Cherry Oh Baby – Eric Donaldson

Zwar genießt Eric Donaldson 1971 mit Cherry Oh Baby innerhalb seines Heimatlandes großen Erfolg, außerhalb von Jamaika bekommt jedoch niemand etwas von dem Lied über eine unglückliche Liebe mit. Fünf Jahre später versionieren dann die bekennenden Reggae-Fans der Rolling Stones das Stück und sorgen so dafür, dass die Ballade zu einem der meist-gecoverten Songs des Genres wird. Unter anderem versuchen sich auch UB40 oder SEEED am Meisterwerk. Donaldson betreibt heute eine Bar mit dem Namen Cherry Oh Baby Go-Go.

7. Bam Bam – Sister Nancy

Punktgenau auf der Schwelle zwischen Reggae und Dancehall schwebt Bam Bam von Sister Nancy. Als eines von 15 Geschwisterkindern kennt sie sich mit dem Teilen aus, bedient sich also 1982 an der Vorlage von Toots and the Maytals and tobt sich auf dem tausendfach verwendeten Stalag 17-Riddim aus. Ihre Version inspiriert zehn Jahre später wiederum Chaka Demus & Pliers zum Hüftschwinger Murder She Wrote. Sister Nancy schreibt nebenher auch als erste weibliche Dancehall-DJane Geschichte.

8. Who Knows – Protoje & Chronixx

Wenn eine ikonische jamaikanische Sängerin und ein Calypso-König aus St. Vincent ein Kind bekommen, scheint eine Musikkarriere vorbestimmt. So geschehen bei Lorna Bennetts Sohn Protoje, der seit 2005 die Reggae-Szene aufmischt. 2014 gelingt ihm mit dem Sänger Chronixx ein besonderer Coup: Die Single Who Knows fängt die unbeschwerte Seite des jamaikanischen Lebensgefühls ein und katapultiert das Duo an die Front des sogenannten „Reggae Revival“. Ganz klar: Um die neue Generation muss sich niemand sorgen.

9. You Don’t Love Me (No, No, No) – Dawn Penn

In den Neunzigern regnet es einen wohltuenden Sommerschauer aus modernen Reggae-Stücken. Da gibt es das bereits erwähnte Murder She Wrote; Diane King bohrt sich mit Shy Guy in die Gehörgänge der Welt und Ini Kamoze macht das Genre mit Here Comes The Hotstepper endgültig wieder cool. Den Überraschungsgast auf der Liste gibt Dawn Penn, die uns 1994 You Don’t Love Me (No, No, No) beschert. Die Künstlerin hatte nach einer erfolgreichen Zeit in der Rocksteady-Ära eigentlich mit der Musik abgeschlossen, legt nach 17 Jahren Pause aber ein Comeback hin, das sich gewaschen hat. 2014 geht’s sogar noch einmal nach Glastonbury.

10. Iron Lion Zion – Bob Marley & The Wailers

Marley verstand es wie kein zweiter, die goldene Mitte zwischen Systemkritik, Spiritualität und purer Freude an der Musik zu finden. Besonders eindrucksvoll demonstriert das Iron Lion Zion, der 1992 erst über zehn Jahre nach Marley Tod erscheint. Wohl um 1974 entstanden, erzählt das Lied vom gelobten Land der Rastafari. Doch die Produktion macht’s: Vor Veröffentlichung holt man I Three (Marleys ehemalige Background-Sängerinnen, darunter seine Witwe Rita) und den Saxophonisten Courtney Pine ins Boot. Vor deren Können entfaltet der Gesang von Robert Nesta Marley eine solch enorme Strahlkraft, dass auch die größten Reggae-Kritiker*innen mitwippen.

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