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Popkultur

Die besten letzten Platten aller Zeiten

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Viele Bands fangen stark an und hören schwach auf. Es gibt sie aber, die Musiker, die ihre Karriere mit einem Knall beendeten – freiwillig oder nicht. Ein Blick auf einige der besten letzten Alben der Musikgeschichte.

von Björn Springorum

Für ein Debüt hat man meist deutlich mehr Zeit als für alle nachfolgenden Alben. Das nutzten viele legendäre Formationen der Musikwelt clever für sich, um die Bühne mit einem wahrhaftigen Urknall zu betreten. Wenige verlassen sie aber auch mit einer solchen Eruption, versinken in Bedeutungslosigkeit oder treten ihren mühsam aufgebauten Ruhm mit Lederstiefeln. Diese Künstler hier nicht.

The Beatles – Abbey Road

Grillt uns nicht: Wir wissen, dass Let It Be technisch das letzte jemals erschienene Beatles-Album ist. Abbey Road ist aber eben das letzte, das die Band gemeinsam im Studio aufgenommen hat. Ein angemessener Schwanengesang für die beispielloseste Karriere der Musikgeschichte, aufgenommen im Sommer 1969 und versehen mit einem Albumcover, das zur Top-Sehenswürdigkeit in London wurde: Wer mit so einem Meisterwerk einen Schlussstrich unter sein eigenes Werk ziehen kann, kann im Grunde nicht vollkommen menschlich sein.

Johnny Cash – American IV: The Man Comes Around

Seine zerrüttet-melancholische Version von Nine Inch Nails‘ Hurt machte den Man in Black zu Beginn des 21. Jahrhunderts einer breiten Audienz bekannt. American IV: The Man Comes Around war das letzte vor seinem Tod 2003 erschienene Album – und ein ebenso tiefer wie dunkler Blick in die Seele des vom Leben gezeichneten Country-Giganten. Aufgenommen in intimer Isolation mit Rick Rubin, ließen es sich auch Fiona Apple, Nick Cave und Don Henley nicht nehmen, den Meister mit ihrem Gesang zu unterstützen. Das Ergebnis ist ein essentielles Werk der Musikgeschichte – und das nach fast 50 Jahren und über 80 aufgenommenen Platten!

The Smiths – Strangeways, Here We Come

Hier wollen wir uns ausnahmsweise mal nicht über Morrissey aufregen und stattdessen die unerreichte Genialität der Smiths feiern. Strangeways, Here We Come, ihr viertes Werk von 1987, war zugleich ihr letztes und erschien nach ihrer Trennung von Rough Trade Records. Ihr reifstes und nach Ansicht vieler bestes Werk war zugleich ihr anspruchsvollstes: Eher White Album als Post-Punk-Gebirge, eher ausproduziert als bewusst roh gehalten: ein äußerst eleganter und würdevoller Abgang eben.

The Birthday Party – Junkyard

Was für ein Brett: Auf ihrem dritten und letzten Album Junkyard (1983) zeigten Nick Caves The Birthday Party dem Rest der Musikwelt, wo der Post-Punk-Hammer hängt: Schroff, wild, dämonisch, knietief durch Southern-Gothic-Topoi watend und von dissonanter Tollwut ist dieser Abschied, der schon sehr von den Inhalten und gesanglichen Exorzismen vorgab, die Nick Cave bei seinen bald nach der Auflösung von The Birthday Party gegründeten Bad Seeds aufgreifen sollte. Bis heute entströmt der Platte eine ungezähmte, unheimliche Kraft und Energie. Wahnsinn, wenn man direkt danach Ghosteen hört…

Nirvana – In Utero

Nachdem Nirvana vom Nevermind-Erfolg eher erschlagen denn euphorisiert worden waren, versuchten sie verzweifelt und vergeblich, das unfreiwillige Rockstar-Image wieder loszuwerden. Sie engagierten Produzent Steve Albini und prügelten In Utero binnen zweier fiebriger Wochen im Pachyderm Studio (Minnesota) ein. Das Ergebnis war zunächst mal ein tiefe Wunden schlagender, roher und Gift spritzender Sound, der nicht mehr viel mit der relativ glattproduzierten Nevermind-Produktion aus den Händen Butch Vigs zu tun hatte. Dem Label war die Chose aber zu ruppig, weshalb Scott Litt (R.E.M.) an Bord gebracht werden musste. Dem grandiosen Album hat es glücklicherweise nicht geschadet: In Utero zeigte Nirvana als Band, die zu mehr in der Lage war als dem Wiederholen der eigenen Erfolgsformel. Ihr Image als Posterboys des Grunge wurden sie dennoch nicht los: In Utero verkaufte sich schlanke 15 Millionen Mal.

Jimi Hendrix Experience – Electric Ladyland

Von den ersten dumpfen Trommeln und verzerrten Worten bis zu den singenden Funk-Gitarren im abschließenden Voodoo Child (Slight Return) atmet dieses Album mit jeder Note das Wort „Klassiker“. Das dritte und finale Album von Jimi Hendrix Experience ist mit über 70 Minuten nicht nur überlang; es ist das einzige, das auch von Hendrix produziert wurde. Ursprünglich nicht sonderlich geliebt, wird das Doppelalbum mittlerweile als eines der definitiven Werke der Rock-Musik und als Gipfel im Schaffen des Jimi Hendrix bezeichntet. Seine Kreuzung aus Psychedelic Rock und Blues bleibt bis heute grandios. Ebenso wie sein Cover von All Along The Watchtower, dem vorletzten Song dieses Geniestreichs.<

David Bowie – Blackstar

Nach 25 Studioalben noch mal ein überragendes Werk zu veröffentlichen, dazu sind nicht viele Künstler*innen in der Lage. David Bowie schon. Und nicht nur das: Sein Tod zwei Tage nach der Veröffentlichung von Blackstar 2016 legte offen, dass Bowie dieses Werk ganz bewusst als Schwanengesang und Abschiedsbrief konzipiert hatte. Durchzogen von debattierbaren Hinweisen auf seinen nahenden Tod, ist sein Abschied ein großes, ein erhabenes Werk, das sich ebenso jedweder Kategorisierung entzieht wie sein Schöpfer selbst.

T.Rex – Dandy In The Underworld

Wenige Monate nach der Veröffentlichung des zwölften T.Rex-Albums Dandy In The Underworld 1977 kam Frontmann Marc Bolan bei einem Autounfall ums Leben. Die Tragik dieser Ereignisse wird aus musikhistorischer Sicht noch erschwert, weil T.Rex nach zwei eher schwächeren Platten gerade wieder dabei waren, die Kurve zu kriegen. So bleibt Dandy In The Underworld als unfreiwilliger Abschied einer großen Glam-Rock-Band, die ganz offensichtlich noch einiges in petto gehabt hätte.

Leonard Cohen – You Want It Darker

Noch so ein Album, das durch seine Hintergründe eine fast schon gruselige Intensität entfaltet: Leonard Cohens You Want It Darker ist eines der düstersten Alben der Pop-Geschichte. Ein rabenschwarzer Dialog zwischen dem damals 82-jährigen Crooner und seinem vermeintlichen Schöpfer. Gerade noch rechtzeitig, wie es scheint: Das Album erschien wenige Tage vor seinem Tod. Dem zynischen und bis zuletzt humorvollen Cohen dürfte das irgendwie gefallen haben.

Nick Drake – Pink Moon

Gerade mal 28 Minuten dauert Nick Drakes letztes Album Pink Moon von 1972. Die vergisst man aber nicht allzu schnell: Spärlich und karg instrumentiert, begegnen wir einem 24-jährigen Nick Drake, der Atlas gleich die Bürde der Welt auf seinen Schultern trägt und tief melancholisch, introvertiert und von der Welt abgekehrt über seine Depression singt. All das mit seiner unvergleichlich sanften Stimme und ebenso einfachen wie sublimen Akkorden. Zwei Jahre später nahm er sich das Leben.

Anmerkung: Natürlich ist auch Joy Divisions Closer ein mehr als grandioses und wegweisendes letztes Album. Es war aber eben erst ihr zweites, weshalb es in dieser (unvollständigen) Auflistung ebenso fehlt wie das Anarchie-Manifest Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols, bekanntlich zugleich Debüt und letztes Album.

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