Popkultur
Die besten Zitate von Chris Cornell: Der legendäre Sänger in seinen eigenen Worten
Chris Cornell war einer der charismatischsten Musiker in der Geschichte der Rockmusik; ein unangepasster Künstler, wie es ihn vielleicht nie wieder geben wird. Und er fehlt jeden Tag. Wenn man wahllos in einen Stapel von Chris Cornell-Zitaten greift, findet man dort einen gebildeten und nachdenklichen Mann, der ehrliche und tiefe Einblicke in sein Leben und seine Kunst gibt.
von Tim Peacock
Am bekanntesten ist er wohl als Gesicht der Seattle-Grunge Kultband Soundgarden. Aber Cornell hat auch drei großartige Alben mit der Rock-Supergroup Audioslave aufgenommen und unterhielt parallel dazu noch eine sehr erfolgreiche Solokarriere. All das endete mit seinem tragischen und viel zu frühen Tod im Mai 2017. Dank seines großen Bekanntheitsgrades war er ein gefragter Interviewpartner und in seinen Gesprächen war er immer offen, freundlich und aufmerksam.
Wir haben die besten Chris Cornell-Zitate gesichtet und präsentieren euch hier die einzigartige Karriere eines außergewöhnlichen Singer-Songwriters in seinen eigenen Worten.
Über die Anfänge und seinen Weg zum Sänger
„Ich hatte schon immer ein Talent für Musik. [Als Teenager] kaufte ich ein Schlagzeug für ungefähr 50 Dollar und drei Wochen später war ich in einer Band. Und nicht nur das, die Leute sagten sogar, dass ich echt gut bin. Für jemanden mit einer kurzen Aufmerksamkeitsspanne, der keine Geduld für irgendwas hat, war das nicht übel. Und ich fand es auch nicht anstrengend. Ich setzte mich einfach hin und legte direkt los. Einen einfachen Rockbeat konnte ich sofort spielen. Dafür brauchte ich keine Geduld und darum habe ich es wahrscheinlich durchgezogen.” (Request, Oktober 1994)
„Am Schlagzeug fing ich dann auch an, Backing Vocals zu singen. Ich dachte mir, wenn ich daran arbeite, dann bin ich irgendwann so gut, dass mich irgendeine tolle Band anrufen wird. Das ist nicht passiert. Zwischen 17 und 21 war ich in verschiedenen Bands, aber dann wurde mir klar, wenn ich Musik spielen wollte, die mir wirklich gefällt, musste ich diese Musik selbst schreiben. Und so entstand Soundgarden. Wir dachten, ‘Okay, wir suchen jetzt einfach noch einen Drummer oder einen Sänger und schauen mal, wer zuerst kommt’. Darum bin ich Sänger.” (Spin, 2006)
Hört hier das Album Higher Truth von Chris Cornell an:
Über Nirvana
„Meine erste Erinnerung an Nirvana ist eine Kassette mit Demos, aus denen irgendwann das Album Bleach entstand. Absolut jeder fand, dass die Band großartig und die Songs genial waren. Und sie zeigten mal wieder, dass im Nordwesten etwas Tolles passierte. Dass ein Trio so klingen konnte, war schon heftig und wenn man dann noch versuchte zu verstehen, wie ein Typ einen Song wie Floyd The Barber schreiben konnte – wo kommt sowas her?” (Rolling Stone, 2014)
Über Seattle und den Aufstieg des Grunge
„Ich habe meinen Schwager mit hochgenommen [nach Seattle]. Er ist Drehbuchautor und nach ein paar Tagen stellte er fest, dass er nicht arbeiten konnte – der düstere Himmel, der ständige Regen und das bedrückende Gefühl. Ich hatte das völlig vergessen. Oder vielleicht hatte ich mich schon daran gewöhnt.” (Classic Rock, 2012)
„Die Szene in Seattle profitierte stark von der MTV-Kultur und wegen der Art, wie Nirvana sich präsentierten und wegen ihres Looks stießen sie weltweit auf Begeisterung. Die Rockszene war hedonistisch geworden: 35-jährige Kerle flogen mit einem Helikopter bis an die Bühne, gingen mit Supermodels aus und taten einfach alles dafür, nichts mit ihrem Publikum zu tun zu haben. Nirvana waren härter, extrem originell und sahen dabei aus wie deine Highschool-Kumpel. Ich glaube, das war das Geheimnis.” (Rolling Stone, 2014)
Credit: Marty Temme
Über Musikindustrie-Awards
„Ich will nicht respektlos sein, aber ich hoffe wirklich, dass keiner denkt, dass der Grammy für mich oder den Rest der Band eine Notwendigkeit war oder dass wir irgendwie unsere Legitimation daraus zogen, denn das war garantiert nicht der Fall. Das war für uns wirklich nicht wichtig. Sowas passt besser zu anderen. Das würde ich nie öffentlich sagen und wenn einem das wirklich gegen den Strich geht, dann bleibt man der Veranstaltung am besten fern.
„In zehn Jahren sehe ich das vielleicht anders und denke ‘Wow, das ist uns passiert – das war schon ungewöhnlich. Nicht jeder bekommt die Chance, einen Grammy mit nach Hause zu nehmen’. Es lenkt halt einfach von dem ab, wofür wir brennen – Musik zu machen, Platten aufzunehmen und an nichts weiter zu denken; ob das jetzt Verkaufszahlen sind oder die Meinung anderer Leute. Für uns ist der Schlüssel zum Erfolg in der Band eigentlich immer, alles außerhalb der Band zu vergessen.” (RockNet, Mai 1996)
Über Soundgardens Meilenstein Superunknown
„Für mich war das eine Zeit, wo ich das Gefühl hatte, dass viel Verantwortung auf mir lastet und viel Druck, uns beweisen zu müssen. Wir wollten zeigen, dass wir eigenständig waren und nicht Teil einer zufällig passenden Gruppe, zu der wir aus geographischen Gründen gehörten. Es hat mich nicht gestört, mit den anderen Bands aus Seattle in einen Topf geworfen zu werden. Ich fand das super. Aber ich fand trotzdem, dass wir alle beweisen mussten, dass wir auch eigenständig existieren und international spielen konnten; dass wir nicht nur Teil eines Trends waren wie die British Invasion oder eine New York Noise-Szene. Superunknown hat das für mich geleistet. Das Album zeigte, dass wir nicht einfach nur der Geschmack des Monats waren. Wir mussten die Gunst der Stunde nutzen und ich denke, das haben wir getan.” (Rolling Stone, 2014)
Über die Entstehung ihres Durchbruch-Hits Black Hole Sun
„Black Hole Sun habe ich komplett in meinem Keller geschrieben und aufgenommen – 16 Stunden am Tag. Und dann habe ich ein Band des fertigen Songs der Band vorgelegt, die ihn dann gelernt hat. Das war für einen Moment irgendwie erfrischend und cool, weil wir so noch nicht gearbeitet haben und wir hatten Ideen, uns als Band neu zu erfinden.” (Classic Rock, 2005)
„Ich habe mich gefreut [dass es ein Hit wurde]. Wir hatten so viele verschiedene Songs und es hat mich gefreut, dass dieser Song stilistisch jenseits aller Genregrenzen unterwegs war und man ihn mit nichts vergleichen konnte, was es davor oder danach gegeben hat. Er ist komplett eigenständig. Und er passte absolut zu Soundgarden. Aber ich bilde mir definitiv nicht ein, dass ich mich einfach hinsetzen und einen Hit schreiben kann.” (Rolling Stone, 2014)
Über den Straßenmusiker Artis The Spoonman aus Seattle und wie er seine Solokarriere beeinflusst hat
„Er hat mein Leben insoweit verändert, dass das einzige, was ich neben Soundgarden mache, diese Solo-Akustik-Geschichte ist, mit der ich auf Tour gehe. Er hat mich wahnsinnig inspiriert – dass ein Mensch so etwas reißen konnte. Ich erinnere mich, wie ich mit acht oder zehn Leuten in einem Raum saß und er kam rein mit einer Art Ledermappe, die er immer bei sich trägt, und holte seine Löffel raus. Und uns fiel die Kinnlade runter. Ich dachte, ‘Das ist Wahnsinn. Dieser Typ tritt bei Festivals auf, auf Märkten und an Straßenecken. Der kommt einfach rein und bekommt eine Reaktion.
„Ich fühlte mich plötzlich so klein und irgendwie verlegen. Ich nenne mich einen Sänger und Songwriter, ein Musiker, und ich habe Millionen von Platten verkauft und war weltweit auf Tour, aber das, was er kann, kann ich nicht. Ich kann nicht einfach einen Raum betreten, mir ein Instrument schnappen und alle unterhalten, sodass es ihnen die Sprache verschlägt. Das habe ich nicht mehr aus dem Kopf bekommen und irgendwann habe ich den Gedanken weiter verfolgt. Er war die wichtigste Inspiration dafür.” (Rolling Stone, 2014)
Zeitsprung: Am 20.7.1964 kommt Chris Cornell von Soundgarden zur Welt.
Über Songwriting
„Ich habe immer gesagt, dass meine Alben Tagebücher meines Lebens sind. Ich gehöre nicht zu denen, die aus dem Fenster gucken, etwas beobachten und dann nach Hause rennen und darüber schreiben. Ich beobachte ständig. Ich rede nicht viel. Stattdessen schaue ich und denke nach und erinnere mich an seltsame Dinge. Ich erinnere mich vielleicht nicht an dieselben Dinge, an die du dich erinnern würdest, oder meine Frau, aber ich sehe Dinge, die dann irgendwann später wieder an die Oberfläche kommen. Und dann schreibe ich einen Song und merke währenddessen, dass er sich um eine solche Erinnerung dreht.” (Billboard, 2015)
„Ich schreibe meine Texte nicht, um etwas Bestimmtes zu sagen. Ich liebe es, mit meinen Texten Gemälde zu erschaffen – ausdrucksstarke Bilder.” (Facebookpost, 2013)
„Wenn man seine eigenen Texte schreibt, dann analysiert man manchmal zu viel. Eben noch klang alles super und kurz danach ist es Müll. Und ich möchte persönliche Dinge ausdrücken können, ohne mich dabei wie ein Idiot zu fühlen.
„Ich erinnere mich, wie ich dachte, ‘so schlecht ich mich auch fühle, ich sehe aus wie ein Surfer’. Und so kam ich auf die Zeile: ‘I’m looking California/And feeling Minnesota’ aus dem [Soundgarden-] Song Outshined. Und kaum hatte ich es aufgeschrieben, klang es schon total bescheuert. Aber als wir dann mit dem Album auf Tour waren, sangen alle diese spezielle Zeile mit. Das war ein Schock. Niemand konnte wissen, dass das eine der persönlichsten Zeilen war, die ich je geschrieben habe. Es war nur eine kurze Zeile. Aber ich schätze, gerade weil sie so persönlich war, legte sie diesen Schalter um.” (Details, Dezember 1996)
Über Temple Of The Dog
„Direkt nachdem Andy Wood [von Mother Love Bone] gestorben war, flogen wir [Soundgarden] nach Europa und es war schrecklich, weil ich nicht darüber reden konnte und es war niemand da, der ihn so geliebt hat. Ich habe zwei Songs geschrieben, Reach Down und Say Hello 2 Heaven. So habe ich mich damit auseinandergesetzt. Als wir zurückkamen, habe ich sie sofort aufgenommen. Sie klangen anders, als Soundgarden das üblicherweise tun, aber sie passten zusammen. Sie klangen wie Songs, die ihm gefallen hätten.
„Mir kam die Idee, sie als Single zu veröffentlichen und dass zumindest Stone [Gossard] und Jeff [Ament] oder alle von [Mother] Love Bone darauf spielen sollten. Ich trug die Idee ein paar Tage mit mir rum und entschied dann – mal wieder mit dem typischen mangelnden Selbstbewusstsein des Künstlers –, dass es eine dumme Idee war. Aber irgendwie hörten die Jungs das Band und waren wirklich positiv aufgeregt. Stone und Jeff und unser Drummer Matt hatten an einem Demo gearbeitet, aus dem später Pearl Jam wurde. Also beschlossen wir, eine E.P. oder ein Album zu machen und vielleicht sogar ein paar von Andys Solostücken aufzunehmen.” (Rip Magazine, Oktober 1991)
Über Liveauftritte
„Jedesmal, wenn ich weiß, wir gehen auf Tour, dann gibt es ungefähr drei oder vier Wochen, wo ich richtig Angst habe; wo ich denke: Das bin ich nicht, ich bin nicht Freddie Mercury! Dann gehe ich auf die Bühne und es ist, wie wenn man in die eiskalte Meeresbucht von Puget Sound springt, nachdem man fünf Wochen auf Hawaii verbracht hat – es ist ein absoluter Schock, aber die Angst lässt nach. Man gewöhnt sich daran, was ziemlich cool ist, denn wenn ich nicht mehr auftreten würde, dann könnte ich einfach verschwinden und würde ein schräger Vogel werden, der in Lumpen gekleidet die Straße entlangläuft und dabei Selbstgespräche führt und auf den Boden starrt.” (Details, Dezember 1996)
„Es ist wie Magie – wenn man einen Song singt, zu dem man eine emotionale Bindung hat, dann fühle ich meine Emotionen. Ein aufmerksames Publikum lässt sich davon einfangen. [Sie denken], ich fühle deinen Schmerz nicht, ich weiß nicht, was du erlebt hast, aber dank dir fühle ich jetzt meinen eigenen Schmerz und meine eigenen Emotionen und das ist unbeschreiblich. Das ist das Erstaunliche an Musik. Filme können das auch, Kunst kann das, aber Musik macht es extrem gut.” (Billboard, 2015)
Über Johnny Cash
„Ich habe [Johnny Cash] ein- oder zweimal getroffen und er war so gütig, und ein riesiger Einfluss auf mich als Musiker. Und er hat [Soundgardens] Rusty Cage gecovert. Seitdem denke ich, dass er vielleicht eine noch größere Figur in meinem Leben ist, was Musiker angeht, von denen ich ein Fan bin.” (Rolling Stone, Februar 2017)
„Vor ein paar Jahren dachte ich daran, etwas kürzer zu treten, weil ich irgendwie die ganze Zeit der Meinung war, dass es einen Schlusstrich geben müsste. Ich bin so nicht konstruiert. Ich schaue mir jemanden wie Johnny Cash an und denke, der kennt das überhaupt nicht anders und dann ist das auch nicht wirklich Arbeit. Für mich ist Musik auch nicht wie Arbeit. Abgesehen davon, dass Familienzeit noch weiter oben auf meiner Liste steht.” (Spin, 2006)
Soundgarden: Die 10 wichtigsten Meilensteine der Seattle-Rocker

Popkultur
Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.
von Christof Leim
Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.
Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:
Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.
Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“
Längt beschlossene Sache
Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“
Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.
Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.
Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.
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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.
Popkultur
„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?
Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr euch The Record anhören:
Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.
Wie einst Nirvana
Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.
Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.
Die Avengers der Indie-Welt
Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.
Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.
Musste Rick Rubin draußen bleiben?
Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.
The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.
von Christof Leim
Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.
Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.
Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry
Aus dem Stand ein Hit
Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.
Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.
Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.
Da kommt noch mehr
Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.
Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.
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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.
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