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Popkultur

„God Hates Us All“: Wie Slayer zu alter Stärke zurückfanden

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Slayer
Foto: Markus Cuff/Corbis via Getty Images

Hätten Slayer gewusst, was am 11. September 2001 passieren würde, hätten sie die Veröffentlichung ihres neunten Albums God Hates Us All vielleicht verschoben. Angesichts der schrecklichen Terroranschläge an jenem Tag wirkt der Titel wie der blanke Hohn. Kleinere Bands hätte ein solcher Zufall die Karriere kosten können. Slayer hingegen finden ihren Groove wieder.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch God Hates Us All von Slayer anhören:

Um die Jahrtausendwende nimmt die Krachmusik wieder Fahrt auf. Nach einem gleichermaßen schwierigen wie uninspirierten Metal-Jahrzehnt hat sich das Thema Grunge totgelaufen. Stattdessen übernehmen Bands wie System Of A Down, Slipknot, Killswitch Engage und Trivium den Mainstream. Das bedeutet einerseits, dass eine ganz neue Zielgruppe für harte Töne entsteht. Der zweite Metal-Frühling bedeutet aber auch, dass sich die alte Garde neu erfinden und von den Achtzigern verabschieden muss. Slayer gelingt das mit Bravour.

Erste Schritte in Richtung Modernisierung unternehmen Tom Araya, Kerry King und Co. bereits Ende der Neunziger: Nach dem Punk- und Hardcore-Coverklopper Undisputed Attitude (1996) stimmen die Bay-Area-Thrasher auf Diabolus In Musica (1998) ihre Gitarren runter, legen mehr Wert auf einen satten Groove und gestalten ihren Sound deutlich düsterer. Damit mag auch der Erfolg des Nu Metal zu tun haben, denn kurz vor der Jahrtausendwende dominieren Gruppen wie Limp Bizkit, Korn und Deftones das harte Geschehen in der Welt. Das können Slayer natürlich nicht auf sich sitzen lassen.

„Das sind Slayer, Alter!

2001 melden sich die Metal-Legenden zurück und lassen keinen Zweifel daran: Slayer sind im 21. Jahrhundert angekommen. Auf ihrem neunten Album God Hates Us All klatscht die Gruppe der Welt ab der ersten Sekunde einen dicken Hassbatzen aus Religionskritik und Nonkonformität vor den Latz, wie es eben ihre Art ist. Die Texte stammen in neun von 13 Fällen aus der Feder von Gitarrist Kerry King, der durchaus weiß, wie seine Truppe wirkt: „Das sind Slayer, Alter“, warnt er. „Das soll brutal sein. Wenn das nicht einige Leute ankotzen würde, würden wir unseren Job nicht richtig machen. Ich bin der Erste, der zugibt, dass Slayer nicht jedermanns Sache sind. Wenn du das nicht magst, hör’ es dir verdammt nochmal nicht an.“ Dem Magazin Guitar World erzählt er: „Ich wollte mehr Realismus in die Texte bringen, mehr Tiefe. God Hates Us All ist nicht anti-christlich gemeint, sondern ein Gedanke, mit dem sich viele Menschen im Alltag identifizieren können. In einem Moment lebst du noch dein Leben, doch dann wirst du plötzlich von einem Auto angefahren oder dein Hund stirbt, und du denkst: ‚Gott hasst mich heute wirklich.‘”

Die restlichen Lyrics steuern Frontmann Tom Araya und der inzwischen verstorbene Gitarrist Jeff Hanneman bei. „Wenn ich mit Jeff zusammenarbeite, sind wir meistens auf einer Wellenlänge“, erzählt Araya in einem Interview. „Kerry macht lieber alles alleine. Wenn er einen Text schreibt, war’s das. Den singe ich dann. Jeff ist ziemlich offen für meine Ideen. Er schreibt auch Texte. Ich schaue mir dann an, was er hat und ergänze meine eigenen Gedanken. Am Ende wird es eine echte Zusammenarbeit.“

Der typische Slayer-Sound im modernen Gewand

Musikalisch gelingt Slayer die Verbindung ihres modernen Ansatzes auf Diabolus In Musica mit ihrem gewohnten Metal-Gewitter. So stimmen King und Hanneman auf God Hates Us All erneut ihre Gitarren runter, teilweise sogar noch tiefer als auf dem Vorgänger. Doch die Thrash-Legenden finden auch zu ihrer eigenen Identität zurück und meistern auf diese Weise den Sprung in das neue Zeitalter des Metal. Wo es in den Neunzigern teilweise aussah, als würden sich Slayer bloß über Wasser halten wollen, strotzt God Hates Us All nur so vor Energie und roher Gewalt.

Zum ersten Mal seit Reign In Blood ohne Rick Rubin

Auf ihren Haus- und Hofproduzenten Rick Rubin müssen die Metalheads für God Hates Us All zum ersten Mal seit 1986 verzichten, denn der Mischpultmeister mit dem Rauschebart fühlt sich ausgebrannt. Stattdessen übernimmt Matt Hyde (Monster Magnet, Parkway Drive, Hatebreed) die Schieberegler. „Zwischen Rick und uns gab es keinen Streit“, versichert Gitarrist Kerry King. „Wir wollten nicht mehr mit ihm arbeiten. Wir wollten eine Veränderung. Unser Versuch mit Matt lief gut, also haben wir das Album mit ihm aufgenommen.“

Als Slayer God Hates Us All im Kasten haben, gehen sie wieder auf Tour. Während der Konzertreise verletzt sich Schlagzeuger Paul Bostaph am Ellbogen uns muss die Band nach neun Jahren verlassen. „Paul hat seinen Job fantastisch erledigt“, findet King. „Aber er hat uns erzählt, dass er eine Sehnenscheidenentzündung im Ellbogen hatte und unser Material nicht mehr spielen konnte, weil es zu schnell war.“ Anschließend habe Hanneman vorgeschlagen, wieder Gründungstrommler Dave Lombardo an Bord zu holen. Genau so kommt es dann auch.

Lombardos Rückkehr

„Mein Ausstieg war fast zehn Jahre her“, berichtet Lombardo später über jene Zeit. „Ich war aufgeregt und wollte es tun. Aber ich dachte auch: ‚Moment, wie sind ihre Persönlichkeiten? Werde ich mit ihnen zurechtkommen?‘ Als wir wieder zusammen waren, war das aber alles Schnee von gestern. Es war wie: ‚Ihr habt euer eigenes Ding gemacht, ich meins. Wir haben uns bewiesen, dass wir ohne den jeweils anderen überleben können. Jetzt lass uns rausgehen und zerstören.’”

Lombardo beendet die Tour zu God Hates Us All mit Slayer, anschließend wirkt er an den Alben Christ Illusion (2006) und World Painted Blood (2009) mit, bevor Paul Bostaph die Trommelstöcke wieder übernimmt. Doch das sind wieder einmal andere Geschichten.

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