------------

Popkultur

55 Jahre Monterey Pop Festival: Der Summer of Love erblüht

Published on

Jimi Hendrix
Foto: Paul Ryan/Michael Ochs Archives/Getty Images

Ein Welthit als Werbesong, die Beatles im Organisationskomitee und eine brennende Gitarre: Vor 55 Jahren beginnt das Monterey International Pop Festival. Und macht San Francisco endgültig zur Hippie-Hochburg.

von Björn Springorum

Woodstock, Woodstock, alle reden immer nur über Woodstock. Das weitaus wichtigere Event für die Gegenkultur der Sechziger fand jedoch zwei Jahre früher und 4.000 Kilometer weiter westlich statt: Während Woodstock zur Grabrede der Hippie-Zeit wurde, ist das Monterey Pop Festival bis heute das Monument des Summer of Love, das für viele erste richtige Popfestival – und zudem das Event, auf dem Künstler*innen wie Jimi Hendrix, Janis Joplin oder The Who zu Weltstars wurden. Am 16. Juni 1967 begann es. Und sollte bei seinem Schlussakt am 18. Juni 1967 die Welt mit einer brennenden Gitarre verändert haben.

Der Summer of Love begann aber natürlich nicht ganz plötzlich vor 55 Jahren. Schon am 14. Januar kommt es im Golden Gate Park in San Francisco zum Human Be-In zusammen, einem friedlichen Stammestreffen, das als Ouvertüre zum Summer of Love gelten darf. Seither pilgerten immer mehr junge Menschen, Kriegsgegner*innen, Hippies und Existentialist*innen in die Bay Area, um einen alternativen Lebensstil zu kultivieren.

Der Publizist der Beatles hat große Pläne

Ein wenig südlich, in dem Küstenstädtchen Monterey, bekommt man davon nicht allzu viel mit. Seit 1958 findet hier das Monterey Jazz Festival statt – klar, als Hochkulturereignis von einigem Renommee. Das will Derek Taylor ändern. Der Publizist der Beatles möchte die Anerkennung der Popmusik steigern und plant ein Festival. Er wählt Monterey als Ort, weil man dort schon erfolgreich Festivals veranstaltet und die dafür nötige Infrastruktur hat. Er schnappt sich Lokalmatador John Phillips von The Mamas & The Papas und Produzent Lou Adler, holt die Beatles und die Beach Boys ins Organisationskomitee – und stampft binnen kürzester Zeit das erstaunlich gut und professionell organisierte Event aus dem Boden, das eine Schlüsselrolle in der Rockgeschichte einnehmen wird. Und als Blaupause für zahlreiche andere Festivals dient.

Um die Öffentlichkeit zu beruhigen und sanft auf den erwarteten Ansturm der Massen vorzubereiten, lässt Derek Taylor einen gewissen Scott McKenzie den Song San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair) einsingen. Im Mai 1967 erscheint der Song, transzendiert aber rasch seine Funktion als PR-Stunt und wird zur Hymne des Summer of Love. Seinem Ruf folgen viele: Vom 16. bis 18. Juni 1967 halten sich geschätzt 200.000 Besucher*innen in Monterey auf – mit Blumen in den Haaren. Die eigentliche Bühne, eine Art Amphitheater, hatte allerdings nur eine Kapazität von 7.000 Menschen, was natürlich bedeutet, dass die meisten keine einzige Band sehen. Und eher wegen des Happenings hier sind.  Alle spüren, dass Wandel in der Luft liegt. Sie wollen ganz nah dran sein an dieser Umwälzung.

Der LSD-Papst predigt

Klar, Drogen nehmen wollen auch viele. LSD-Papst Owsley Stanley bringt große Mengen der mittlerweile verbotenen Droge mit nach Monterey, nennt seine lysergische Spezialanfertigung Monterey Purple und verteilt sie wie ein abgespacter Nikolaus großzügig unter Besucher*innen wie Künstler*innen. Er nimmt seinen Job sehr ernst und berauscht einfach mal das gesamte Festival. Viele Auftritte, so sagen die Bands selbst, wären ohne Stanley nicht dieselben gewesen.

Und das wäre sehr, sehr schade: In den drei Tagen Monterey kommt es zu Konzerten, die in die Musikgeschichte eingehen, die an den Grundfesten der Popkultur rütteln, die eine neue Ära einläuten. Natürlich denkt man dabei immer sofort an Jimi Hendrix und sein furioses Finale im Widerschein seiner brennenden weißen Stratocaster. Und auch wenn dieser Gig pure Ikonografie ist, ein Stück schwelender Mythos: Es gab noch zahlreiche andere bedeutsame Momente.

Wachablösung in England

Eröffnet wird das Festival am Freitag, den 16. Juni 1967, von The Association, das klare Highlight am ersten Tag ist jedoch Eric Burdon. Der hat seine alten Animals hinter sich gelassen und wütet sich mit neuer Band durch ein furioses, hartes, wüstes und politisches Set, das ihn wie einen Phönix aus der Asche neu aufsteigen lässt. Später wird er dieses Erlebnis im Song Monterey reflektieren. Neben Eric Burdon zeigen auch The Who eine ganz neue Seite der englischen Rockmusik: Nach der British Invasion durch die Beatles und Stones (beide spielen nicht in Monterey) kündigt sich eine harte Wachablösung an. Beschlossen wird Tag eins von einem sanften Set von Simon & Garfunkel.

Gleich am Samstagnachmittag wird dann ein Weltstar geboren: Janis Joplin tritt mit Big Brother And The Holding Company auf. Sie betritt die Bühne als hoffnungsvolle texanische Sängerin. Und verlässt sie als Ikone. Das sind Jefferson Airplane längst, die am Abend spielen: Die Lokalhelden aus San Francisco sind eine der größten Bands des Festivals und ziehen mit die meiste Aufmerksamkeit auf sich. Bemerkenswert ist auch der Auftritt von Otis Redding, einer seiner ersten vor einem nicht ausschließlich Schwarzen Publikum. Tragischerweise stirbt er ein halbes Jahr später mit 26 Jahren bei einem Flugzeugabsturz. Und dann war da natürlich noch Ravi Shankar. Während alle anderen Bands ohne Gage auftreten streicht er 3.000 US-Dollar ein – also heute umgerechnet 26.000 US-Dollar. Dennoch bestimmt auch er den Summer of Love mit seiner Sitar, wird bald darauf Teil des psychedelischen Musikkanons.

Was bleibt, ist ein friedliches, geschichtsträchtiges Event, das bis heute im Schatten von Woodstock steht. Doch so ikonisch Woodstock auch gewesen sein mag: Es war die Götterdämmerung. Und Monterey das schlagende Herz der Hippiekultur.

Du willst nichts mehr in der Rockwelt verpassen? Melde dich hier für unseren Newsletter an und werde regelmäßig von uns über die wichtigsten Neuigkeiten, die spannendsten Geschichten sowie die besten Veröffentlichungen und Aktionen informiert!

Zum Start der Open-Air-Saison: Die 10 ikonischsten Festivalauftritte aller Zeiten

Don't Miss