Popkultur
Acht Alben, die zwischen Garage und Ballsaal entstanden sind
Es gibt sie, diese Platten, die uns in völlig neue Klangwelten entführen. Manchmal braucht es dafür mehr als nur ein üppig ausgestattetes Studio und ausgesuchte Künstler*innen wagen den Schritt aus der Aufnahmekabine in ungewohntes Terrain. Heute erzählen wir euch von acht Alben, die an ungewöhnlichen Orten entstanden sind.
von Victoria Schaffrath
1. Foo Fighters – Wasting Light
Eine Karriere wie die von Dave Grohl entsteht nicht durch Bequemlichkeit, sondern durch harte Arbeit. Letztere drängt ihn und seine Foo Fighters Ende der Nullerjahre in eine kreative Pause – und das, obwohl Aufnahmen für ein neues Album bereits im Kasten sind. Besonders der Frontmann möchte sich jedoch nach der Echoes, Silence, Patience & Grace-Ära noch einmal ausprobieren; zwischenzeitlich spielt er bei Them Crooked Vultures, dem feuchten Traum aller Supergroups.
Dabei formt sich ein Bild für die Zukunft: Man will zurück zum rohen Rock der Neunziger, und wo könnte das besser klappen, als im sprichwörtlichen Ursprung aller Rockbands? Grohl und Co. richten sich also weitgehend analog in dessen Garage ein, holen noch Nevermind-Produzent Butch Vig und endlich wieder Pat Smear hinzu. Mit einem Gastauftritt von Krist Novoselic vervollständigt sich die Grunge-Reunion. Der Sänger kommentiert gegenüber Billboard: „Es liegt Poesie darin, die Band zu sein, die Wembley ausverkauft, aber gleichzeitig eine Platte in der Garage aufnimmt.“
Aus diesem Prozess entsteht 2011 nicht nur das herausragende Album Wasting Light, das einen besonderen Charterfolg für die Gruppe markiert und unter anderem die Songs Rope und Walk enthält. Als besonderes Fan-Schmankerl dreht die Band dabei auch die Dokumentation Foo Fighters: Back And Forth, die eindrucksvoll festhält, wie sie zu ihren Wurzeln zurückkehrt und dabei wieder zueinander findet.
2. Rolling Stones – Exile On Main Street
Der Name kommt nicht von ungefähr: Exile On Main Street entsteht 1972 teils im tatsächlichen Exil, da die Stones den britischen Steuereintreibern entgehen wollen. Schon bei der Vorgängerplatte Sticky Fingers sammelten die Steine Erfahrung mit unorthodoxen Aufnahmemethoden, da liegt die Entscheidung nicht fern, einfach Keith Richards’ gemieteten Palast an der französischen Côte d’Azur zu besetzen.
So eine Idee mutiert unter der hedonistischen Leitung von Jagger und Richards selbstverständlich zur Musik-gespickten Orgie, während der Partnertausch und kindliche Drogenkuriere an der Tagesordnung sind. Irgendwie improvisiert diese Gesellschaft dann doch noch ein Album auf’s Band, das Mick Jagger bei der Produktion in Los Angeles in den Hafen fährt. Richards streitet das nie ab: „Mick ist Rock, ich bin Roll.“
3. Bruce Springsteen – Nebraska
Als Bruce Springsteen Anfang 1982 im Studio steht, um mit der E-Street-Band das nächste Album einzuspielen, fehlt den intimen Songs etwas. Anstatt mehr hinzuzufügen, nimmt er lieber etwas weg – er veröffentlicht kurzerhand die Demo-Versionen, die er im eigenen Schlafzimmer auf einen einfachen Mehrspurrekorder gebannt hatte.
Nebraska bricht mit allen Erwartungen und zählt bis heute zu den wichtigsten Platten Springsteens. Der „Boss“ zeigt sich in bester (Roh-)Verfassung und demonstriert, dass auch leise Töne ganz schön laut sein können.
4. Beck – Odelay
Irgendwie steckt Beck 1996 nach einigen persönlichen Rückschlägen in einem Tief. Was liegt also näher, als sich musikalisch frischen Wind zu verordnen und das Produzententeam zu wechseln? Fluchs beauftragt er die „Loser“ also die Dust Brothers, die sonst mit Größen wie den Beastie Boys arbeiten. Als er in deren „Studio“ auftaucht, dürfte sich jedoch Ernüchterung breit gemacht haben.
Das Duo nimmt nämlich im eigenen Häuschen auf und stellt den Musiker dafür in ein umgebautes Gästezimmer. Dazu gibt es veraltete Software, die Ewigkeiten braucht, um neue Titel zu exportieren. Der Vorteil an den Zwangspausen: Beck stöbert durch die Plattensammlung der „staubigen Brüder“ und entdeckt zahlreiche Samples, die man gleich für den Langspieler verwendet. Den eklektischen Genre-Mix von Odelay schulden wir so gesehen der Langeweile.
5. Corey Harris – Mississippi To Mali
2003 fühlt sich der Bluesmusiker Corey Harris berufen, die Ursprünge seines Genres zu erkunden. Die Reise beginnt in Mississippi und führt ihn schließlich bis nach Afrika, genauer gesagt in den westlichen Binnenstaat Mali. Der Amerikaner zitiert seine Musikerkolleg*innen für die Aufnahmen ins offene Feld, um die Stücke live einzuspielen. Heraus kommt ein Album, das seine Mission beeindruckend erfüllt. Reisekumpan Martin Scorsese hält den Trip glücklicherweise für seine Dokumentation Feel Like Going Home fest.
6. Deep Purple – Machine Head
Deep Purple wollen ihr neues Album Machine Head 1972 eigentlich im beliebten Casino Montreux aufnehmen, als dieses während eines Frank Zappa-Konzerts in Flammen aufgeht. Zum Glück gibt es den Equipment-Bus der Stones, der schon Exile ermöglichte, und man quartiert sich nach einem kurzen Gastspiel in einem verlassenen Theater im alten Grand Hotel ein.
Leider erweist sich das mobile Studio als logistische Herausforderung, die lange und hinderliche Distanz zwischen Bus und Instrumenten legt nämlich keiner der Musiker sonderlich gern zurück. So gibt sich die Band mit einem rohen Sound zufrieden. Der feurige Vorfall im Casino inspiriert zudem den Text zu Smoke On The Water. Wenn wir einen Arbeitstitel für das Projekt wählen sollten, wäre das wohl „aus der Not eine Tugend machen“.
7. Bob Dylan and The Band – The Basement Tapes
Dass die Basement Tapes nicht auf Dylans Speicher entstehen, legt der Titel nahe. Bobby hegt jedoch eine besondere Zuneigung für Sessions im Souterrain: „Eigentlich sollte man nur so aufnehmen – in einer friedlichen, entspannten Atmosphäre in einem Keller. Mit offenen Fenstern und einem Hund, der auf dem Boden liegt.“
Nach einem Motorradunfall bewohnt der Liedermacher 1966 ein rosa Haus, das als „Big Pink“ in die Musikgeschichte eingeht. Gemeinsam mit The Band arbeitet er dort an über 100 Aufnahmen, von denen es 16 auf das spätere Album schaffen und den Rock nachhaltig verändern.
8. Radiohead – OK Computer
Einen alten Landsitz zum Schauplatz für Aufnahmen zu machen, sticht auf dieser Liste wahrlich nicht heraus. Die Bastler von Radiohead setzen dieser Strategie 1996 jedoch die Krone auf, indem sie ihre Behausung quasi als Instrument nutzen. Innovation ist da auch bitter nötig, denn die Briten zeigen sich ganz schön unzufrieden mit ihren bisherigen Versuchen, ein drittes Album zu produzieren.
Der Hall eines steinernen Treppenhauses oder die Akustik eines Ballsaales kommen da gerade recht und die Band läuft zur Höchstform auf. Rund 80 % der Aufnahmen spielt man live ein, Thom Yorke singt häufig nur eine Version seiner Parts ins Mikrofon. Der Ortswechsel lohnt sich: OK Computer und Songs wie Paranoid Android oder Karma Police räumen die britische Musikszene der Neunziger auf und begeistern auch heute noch.

Popkultur
Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.
von Christof Leim
Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.
Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:
Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.
Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“
Längt beschlossene Sache
Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“
Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.
Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.
Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.
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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.
Popkultur
„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?
Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr euch The Record anhören:
Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.
Wie einst Nirvana
Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.
Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.
Die Avengers der Indie-Welt
Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.
Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.
Musste Rick Rubin draußen bleiben?
Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.
The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.
von Christof Leim
Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.
Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.
Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry
Aus dem Stand ein Hit
Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.
Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.
Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.
Da kommt noch mehr
Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.
Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.
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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.
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