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Popkultur

Interview: Tom Chaplin von Keane zum neuen Album: „Eine ziemliche Achterbahnfahrt!“

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C Brandon/Redferns

Mit launigem Piano-Britrock spielen sich Keane zu Beginn der Zweitausender in die Ohren der Welt. Songs wie Somewhere Only We Know und Everybody’s Changing landen auf zahlreichen MP3-Playern und Soundtracks jener Zeit, doch ab 2012 herrscht Funkstille. Im Juni meldeten sich die Herren deutlich reifer und ziemlich energiegeladen mit The Way I Feel zurück, das Album Cause and Effect folgt am 20. September. Wir sprachen mit Sänger Tom Chaplin über Inspiration, Freundschaft und die neue Platte.

von Victoria Schaffrath

Hört euch hier einige von Keanes größten Hits an:

Keane haben als Coverband angefangen, die auch viele Songs der Beatles spielte, zurzeit erleben wir eine Wiederkehr der „Beatle-Mania“. Was ist Ihre persönliche Beatles-Story?

Tom Chaplin: „Oh, da habe ich einige! Wir hatten zwar immer unsere eigenen Songs, aber streckten unsere Sets früher mit Covern. Die Beatles lagen da nahe, denn obwohl es absolut brillante Songs sind, kann eine junge Band sie einfach einstudieren und die Akkorde und Gitarrenparts üben. Wir haben also Songs wie Paperback Writer, Ticket To Ride oder Help gespielt und alle haben die Harmonien gesungen. Als Teenager waren wir völlig vernarrt in die Geschichte und Musik der Beatles und sie inspirierten uns wahnsinnig dazu, eine Band zu gründen. Als dann ein wenig Zeit ins Land zog, bekamen wir unseren Plattenvertrag und brachten das erste Album raus. Ich lebte in einem Städtchen namens Rye im Süden Englands, welches zufällig in der Nähe von Paul McCartneys Haus lag.

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Es war am Weihnachtsabend 2004, ich war im Ort unterwegs und kam gerade aus dem Bioladen und lief geradewegs Paul vor die Füße. Er war im Ort kein Unbekannter, daher sagte ich einfach ‚Hi, Paul! Ich spiele in dieser Band namens Keane, wir haben gerade unser erstes Album veröffentlicht.’ Und er sagte in seinem McCartney-Ton ‚Cool, Mann!‘ und ging weiter Richtung Woolworth, wo man damals auch CDs kaufen konnte. Das nächste Mal, das wir ihn sahen, stand er neben der Bühne, als wir 2005 im Hyde Park das Live 8-Konzert spielten. Er sang alle Songs mit und war mit seiner damaligen Frau Heather (Mills, Anm. d. Red.) dort. Es stellte sich heraus, dass unser Album Hopes And Fears eine der Platten war, die ihre Liebesgeschichte begleitet hatten. Das war schon ein merkwürdiger Moment, als einer unserer Helden plötzlich unsere Songs sang.“

Im Film „Yesterday“ vergisst die Menschheit mit Ausnahme eines einzigen Musikers, dass die Beatles je existiert haben. Er gibt dann die Songs der „Fab Four“ als seine eigenen aus. Hatten Sie schon Gelegenheit, den Film zu sehen?

„Hatte ich nicht! Aber wie vermutlich viele Musiker hatte ich durchaus schon diese Fantasie.“ (lacht) „Bei den Songs der Beatles schwingt so eine unbeschwerte Einfachheit mit und man denkt: ‚Es kann nicht so schwer gewesen sein, die zu schreiben‘. Aber dann setzt man sich ans Klavier oder die Gitarre und realisiert: Lieder zu schreiben, die so gut sind, aber eine solche Einfachheit mitbringen, ist wohl das Schwerste überhaupt. Dazu muss man schon ein echtes Genie sein, deswegen haben Paul McCartney, John Lennon und auch George Harrison auch solch einen bleibenden Eindruck auf der Musik dieser Welt hinterlassen. Ich habe schon oft da gesessen, wenn ich einen Song schreiben wollte, und gedacht: ‚Ach, ich wünschte, ich könnte auch ein Hey Jude schreiben‘. Und dann fragt man sich natürlich: Was wäre, wenn es die Beatles nie gegeben hätte?“

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Wo wir bei den Anfängen von Keane sind: Ihr erster Gig fand 1998 im Hope and Anchor in London statt, Sie kamen gerade von einem längeren Auslandsaufenthalt zurück. Wie haben Sie diesen Abend in Erinnerung?

„Ich erinnere mich vermutlich aus den falschen Gründen.“ (lacht) „Stimmt, ich hatte gerade ein halbes Jahr in Südafrika verbracht und als ich in London landete, holte mich Richard (Hughes, Schlagzeug bei Keane, Anm. d. Red.) ab und sagte nur: ‚Wir haben ziemlich hart gearbeitet, während du weg warst. In drei Tagen haben wir einen Auftritt.’ Ich dachte mir: Verdammt, das ist bald! Wenn man so jung ist, ist der Gedanke daran, auf der Bühne zu stehen und die eigenen Songs zu spielen, schon etwas angsteinflössend. Man fürchtet sich vor dem Unbekannten. Aber wir wussten auch, dass wir diese erste Show irgendwie hinter uns bringen mussten, wenn wir uns als Band weiterentwickeln wollten. Wir waren echt nervös, denn das Hope and Anchor ist eine kleine, aber wichtige Spielstätte, in der sich schon viele Bands ihre Sporen verdient haben; U2 hatten schon auf dieser Bühne gestanden und waren zu dem Zeitpunkt unsere Idole.

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Wir wollten also unbedingt eine gute Performance abliefern, aber alle machten sich ziemlich Sorgen, ob ich die Texte alle behalten würde. Damals war ich etwas faul, was das Auswendiglernen angeht …“ (lacht) „Diesbezüglich lief der Gig eigentlich ganz gut, aber sonst gab es natürlich hier und da Unstimmigkeiten. Ich weiß noch, dass Tim (Rice-Oxley, Klavier und Bass bei Keane, Anm. d. Red.) den ersten Song in der falschen Tonart anstimmte. Dominik, der damals bei uns noch Gitarre spielte, vergaß sämtliche Songs, die er geschrieben hatte. Aber auch, wenn nur ein paar unserer Freunde und etwas Laufkundschaft da war, waren wir mit den Nerven völlig runter. Einer der wenigen Freunde, die tatsächlich Wort hielten und vorbeikamen, war Chris Martin von Coldplay. Wir waren mit Coldplay befreundet, da Tim damals mit Chris zur Uni ging. Das war natürlich, bevor sie ihren Plattenvertrag bekamen. Er saß also mitten im Publikumsraum auf einer Bierkiste, lächelte und war sein übliches, positives Ich. Er fand die Show wohl gut. Und auch wir waren letztlich natürlich glücklich darüber, diese Hürde überwunden zu haben. Ab da konnten wir nur dazulernen und uns als Band verbessern.“

Sie haben seit dem letzten Album mit Keane zwei Soloplatten aufgenommen. Auf Ihrem Weihnachtsalbum befinden sich vier Cover und Keane spielten anfangs viele Stücke anderer Künstler. Inwieweit werden Sie durch andere Künstler inspiriert?

„Das geschieht auf viele verschiedene Arten, manchmal ist es sehr subtil. Beim neuen Album Cause and Effect ist das ständig passiert, gerade in der Produktionsphase. Da sahen wir uns häufig an und merkten ‚Ja, das klingt nach Joy Division!‘ Das Pianoriff im Song Strange Room klingt beinahe etwas nach Mozart oder Brahms, es hat eine klassische Note. Solche Feinheiten schleichen sich einfach ein und es ist ein unterbewusster Prozess. Manchmal passiert es jedoch auch, dass man einen Song schreibt oder produziert und schon vorher eine Ahnung hat, was ihn inspirieren wird. Für das Weihnachtsalbum habe ich beispielsweise versucht, einen Song zu schreiben, der nach The Blue Nile klingt, denn sie sind eine meiner Lieblingsbands. Das beeinflusste dann den Schreibprozess, aber im Studio kam dabei etwas ganz anderes heraus. Bei The Way I Feel haben viele Leute zum Beispiel einen Einfluss von The Killers rausgehört. Manchmal nimmt man sich das also vor und manchmal passiert es einfach.“

 

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Had a brilliant time in The Netherlands tonight at @hellofestivalnl. Thanks to everyone who came out – it felt great to be back!

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Sie gehen sehr offen mit Ihrer Abstinenz um, in der Zeit ohne Keane haben Sie den Entzug geschafft. Sie haben erwähnt, dass es Ihre Stimme und die Art, wie Sie singen, verändert hat. War das etwas, woran Sie gearbeitet haben, oder einfach ein schöner Nebeneffekt?

„Das hat wohl in zweierlei Hinsicht Einfluss genommen. Die Erfahrungen, die man in einer wirklich schlechten Phase macht, die Trauer, der Herzschmerz und alles, was einem da so passiert – das gibt der Stimme eine bestimmte Farbe. Jeder Song, den man danach singt, wird von diesen Erfahrungen beeinflusst. Die Stimme bleibt schon irgendwie eine magische Sache, denn es ist mehr, als nur ein Geräusch zu erzeugen. Du beschwörst damit auch die Seele der Person. Meine ganzen Erfahrungen haben definitiv meine Art zu singen und auch die Emotionen, die ich in meine Stimme legen kann, geändert. Andererseits gibt es natürlich Gebrauchsspuren …“ (lacht) „Mein Lebensstil hat meine Stimme belastet und sie vielleicht eine Spur rauer gemacht. Gerade erlebe ich wohl den längsten Lebensabschnitt, seit ich Kind war, in dem ich keinen Alkohol und keine Drogen zu mir nehme. Ich behandle also meine Stimme endlich mit dem Respekt, den sie auch verdient. Sie belohnt mich dafür, mein Register ist größer geworden. Sicher bei den tiefen Tönen, aber auch in den Höhen. Ich höre das, wenn ich jetzt ältere Keane-Aufnahmen auflege. Beispielsweise habe ich während Strangelands 2012 definitiv eine schwierige Zeit durchlebt. Ich höre, dass ich da nicht so gut singe, wie ich eigentlich könnte. Auf Cause and Effect findet sich wohl der beste Gesang, den ich mit Keane bisher gebracht habe. Das liegt zu einem nicht geringen Anteil an der Abstinenz.“

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Keane haben eine siebenjährige Pause eingelegt und noch vor kurzem sagten Sie, dass Sie eigentlich keine neue Musik planen. Was ist passiert?

„Das ging alles sehr schnell! Eine Keane-Platte war so gar nicht auf meinem Radar. Ich war durch meine Solo-Karriere eigentlich sehr zufrieden und erfüllt. Aber gerade meine Freundschaft mit Tim hatte ziemlich gelitten und ich sah ihn eine ganze Weile nicht. Zunächst gab es da also den Wunsch, ihn wiederzusehen und zu schauen, wie er so klarkommt. Ich wusste, dass sein Leben ein wenig aus den Fugen geraten war, und rief ihn dann vorletztes Weihnachten an, um ihn zum Quatschen einzuladen. Natürlich sprachen wir dann irgendwann über Musik, er erzählte mir von einigen Songs, die er geschrieben hatte, und ich bat ihn, sie mir zu schicken. Nach meinem Weihnachtsalbum war ich ich nicht gerade von der größten kreativen Energie erfüllt. Ich hört dann aber Tims Songs und mir wurde mir klar, wo sich diese Energie versteckte. Als wir dann alle zusammen saßen und realisierten, dass das vermutlich eine gute Idee sei, ging der Rest sehr schnell. Innerhalb von 18 Monaten wurde also ‚Wir machen kein Keane-Album mehr‘ zu Cause and Effect; nun sitzen wir hier und sprechen darüber. Eine ziemliche Achterbahnfahrt.“

Die Band hat The Way I Feel als erste Single ausgewählt. Wie kam es dazu und was können wir vom restlichen Album erwarten?

„Wenn man eine Single auswählt, nachdem es eine ganze Zeit ruhig war, dann sollte sie irgendwie einschlagen. Da hilft es natürlich, wenn der Song ein wenig Geschwindigkeit mitbringt. Aber es ist auch die Nachricht des Songs: Für mich beinhaltet er eine Reihe Fragen, ohne sie wirklich zu beantworten. Er setzt sich damit auseinander, warum sich viele von uns so verloren fühlen, wenn wir doch solch tolle Möglichkeiten und liebende Freunde und Familie um uns haben. Warum sabotieren wir unser Leben und verunsichern uns selbst? Es geht um die seelische Verfassung und darum, warum in dieser modernen Welt so viele Menschen traurig sind und keinen Ausweg sehen. Das Lied hat also eine wirkliche Aussage in Bezug auf diese Zeit und reiht sich gut in die Handlung des Albums ein. Die Songs, die Tim für das Album geschrieben hat, drehen sich um das Ende seiner Ehe, seine Rolle darin und wie es sein Leben als Ganzes beeinflusst hat, dass er seine Kinder nicht mehr so oft sieht und ganz alleine im Haus sitzt. Diese Trennung hat sein Leben massiv verändert und The Way I Feel erzählt einen Teil dieser Geschichte.“

Dann ist Cause and Effect ja ein passender Titel. Haben Sie eine Lieblingszeile auf dem Album?

„Ich mag Strange Room besonders gern, er war auch einer der Auslöser für den Wunsch, das neue Album zu machen. Es ist ein wahnsinnig trauriger Song darüber, wie du aufwachst und realisierst, dass sich dein ganzes Leben verändert hat. Alles, wovon du dachtest, es sei sicher, ist nicht mehr da. Im zweiten Vers schreibt Tim darüber, wie er dabei erwischt wurde, betrunken Auto zu fahren. Genau als er dachte, es geht nicht schlimmer, ist das passiert. Er schreibt darüber aber mit einer Art Galgenhumor, deswegen gefällt mir diese Stelle besonders gut. In Love Too Much gibt es außerdem eine Zeile, in der es heißt ‚When you’re falling down is when you feel most alive‘ (‚Während man fällt, fühlt man sich besonders lebendig‘, Anm. d. Red.), das hat mich wirklich angesprochen. Ich denke, wir fühlen uns den Menschen um uns besonders nahe, wenn es mal nicht so gut läuft, wenn man sich auf Freunde und Familie verlassen muss, damit sie einem helfen. Glück und Freude sind klasse, aber sie sind für mich sehr flüchtige und selbstbezogene Emotionen. Bei Schmerz und Trauer rücken wir Menschen näher zusammen und haben tiefergehende Erfahrungen, daher finde ich diese Zeile sehr aussagekräftig. Und es macht auch klar, warum wir wieder zueinander gefunden und diese Platte gemacht haben: Wir wollten es Tim als langjährige Freunde ermöglichen, diese Gefühle und Songs zu verarbeiten.“

Ursache und Wirkung: Das Cover zum neuen Album „Cause and Effect“.

Apropos „zusammenrücken“: Sie haben diesen Sommer schon viele Live-Shows gespielt, zum Beispiel BST Hydepark und ein Clubkonzert im Berliner Lido. Es fällt auf, wie viel Spaß Sie dabei haben, ob mit den alten oder neuen Songs. Fühlt sich das wie eine Heimkehr an oder mussten Sie sich das durch Proben erst wieder erarbeiten?

„Es war schon ein gutes Stück Arbeit, sich wieder mit den alten Songs vertraut zu machen. Ich habe zwar ein paar davon auf meinen Solo-Touren gesungen, aber im Grunde hatten wir diese Songs eine ganze Weile überhaupt nicht gespielt. Wir mussten uns also zunächst erinnern und die einzelnen Parts wieder geradebiegen. Aber auch die Technik hat sich ja weiterentwickelt, deswegen gab es eine Generalüberholung für unser Setup. All das war ein großer Batzen Arbeit, also probten wir natürlich viel. Das regte uns aber tatsächlich eher an, denn wenn man alte Songs eine Weile nicht mehr spielt, bekommen sie ihre Frische wieder. Sie wirken plötzlich belebend, davon hatten wir vor sieben Jahren etwas verloren. Damals fühlte es sich an wie ein Job und war eher ermüdend. Bei den Proben zu Cause and Effect zeigte sich also eine ganz neue Energie und Lust, die Songs zu bringen. Eine Menge Leute haben diese Songs ewig nicht gehört und dachten vielleicht auch, dass sie nie wieder die Chance dazu bekommen. Da geht es ihnen also wie uns; wir sind alle gespannt, unsere Songs neu zu entdecken. Wenn man dann das neue Album hinzufügt, hat man einen ziemlich magischen Cocktail.“ (lacht) „Ich glaube, man sieht es an der Reaktion der Fans und auch daran, wie die Shows nach außen hin wirken. Für mich sind die Konzerte bisher jedenfalls das Beste daran, wieder zurück zu sein.“

Während der Aufnahmen zu Perfect Symmetry haben Sie einige Zeit in Berlin verbracht, dieses Jahr haben Keane dort bereits ein Konzert gegeben. Ihr Terminkalender sieht dieses Jahr jedoch recht voll aus, gibt es Pläne, auch wieder nach Deutschland zu kommen?

„Ja, es gibt diese Pläne! Wir haben noch nichts verkündet. Allein wegen der Tatsache, dass die Nachfrage für diese kleine Show in Berlin so hoch war; die Karten waren innerhalb von Minuten ausverkauft, glaube ich! Wenn wir wiederkommen, können wir dann hoffentlich eine größere Show spielen und mehr Leute beglücken.“

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Zeitsprung: Am 27.3.1970 veröffentlicht Alice Cooper „Easy Action“.

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Alice Cooper Easy Action Cover

"Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 27.3.1970.

von Bolle Selke und Christof Leim

Die Rock’n’Roll-Welt steht nicht gerade in Flammen für die Alice Cooper Band, als sie am 27. März 1970 ihr zweites Album Easy Action veröffentlicht. Das könnte nicht zuletzt an der lustlosen Produktion liegen. Trotzdem bietet sich hier ein perfektes Zeitdokument einer sich entwickelnden Band, das man fast als Vorproduktion für den Meilenstein Love It To Death im folgenden Jahr ansehen könnte.

Hier könnt ihr euch Easy Action anhören:

Geneigte Fans und Hardrock-Aficionados wissen vermutlich, dass Alice Cooper für eine Band steht, die sich 1975 auflösen wird. Erst danach adaptiert deren Sänger Vincent Furnier den Namen und wird so zu einem hochgeschätzten Heavy-Metal-Entertainer und Gottvater des Shock Rock.

Psychedelische Scheißmusik

1970 allerdings stehen solche Superlative noch in weiter Ferne. Die Truppe schraubt an ihrem zweiten Album, das ebenso wie der Vorgänger Pretties For You bei Frank Zappas Plattenfirma Straight erscheinen soll. An den Reglern sitzt David Briggs, der heutzutage vor allem bekannt dafür ist, mehr als ein Dutzend Neil-Young-Alben produziert zu haben. Schlagzeuger Neal Smith sagt später über Briggs: „David hasste unsere Musik und uns. Ich erinnere mich, dass unsere Song für ihn ‚psychedelischer Scheiß‘ waren. Wenn man mich fragt, klang Easy Action zu trocken, eher wie eine TV- oder Radiowerbung. Er half in keiner Weise beim Arrangement der Lieder oder lieferte irgendwelchen positiven Input.“ Und so wird kein einziges der Stücke von Easy Action nach der Love It To Death-Tour jemals wieder live von Cooper aufgeführt.

Nichtsdestotrotz bezeichnen manche gerade diese Scheibe als das „große unentdeckte“ Cooper-Album. Während Pretties for You eine schwierige Platte ist und Love It to Death ein Klassiker, könnte man Easy Action als das perfekte Bild einer sich entwickelnden Band ansehen. Beim ersten Stück Mr. And Misdemeanor lässt sich zum Beispiel miterleben, wie Sänger Furnier seinen bösartig klingenden Gesangsstil definiert. Alice Cooper steht später für drei Minuten lange Hits mit eingängigen Melodien und negativen Themen, welche dann gegen Ende der Alben durch längere Stücke ergänzt werden. So gesehen liefern die Rocker mit Easy Action also fast eine Vorproduktion für Love It to Death, obwohl die Band auf ersterem mehr Erfindergeist zeigt.

Unisex, roh und gewalttätig

Hinter dem Albumtitel steckt eine Zeile aus einem Lieblingsfilm von Furnier und Bassist Dennis Dunaway, dem Musical West Side Story mit der Musik von Leonard Bernstein. Zitate daraus wie „got a rocket in your pocket“ und „when you’re a Jet, you’re a Jet all the way“ werden auch bei dem Song Still No Air verwendet. Das Motiv der halbstarken Gang aus West Side Story wird auch an anderen Stellen von Alice Copper aufgegriffen. Auf dem Cover wendet sich die Band von der Kamera ab, deren unbedeckte Rücken sind nur durch ihr langes Haar bedeckt. Eine Radiowerbung von 1970 pries die Band dann auch als „unisex, roh, miteinander und gewalttätig – genau wie ihr, amerikanische Mitbürger“.

Easy, Action!

Als ob die Band den fehlenden kommerziellen Erfolg von Easy Action geahnt hätte, beginnt der letzte Song, das psychedelisch abgedrehte Lay Down And Die, Goodbye, mit den Worten des Komikers Tom Smothers: „Ihr seid der einzige Zensor. Wenn euch das, was ich sage, nicht gefällt, habt ihr die Wahl: Ihr könnt mich ausschalten.“

Die Kritiker zerreißen das Album hauptsächlich. Robert Christgau bezeichnet es im Magazin The Village Voice als „unmelodisches Singen, unmelodisches Musizieren, unmelodische Melodien und pseudomusikalischen Beton“. Erst bei Love It To Death entdeckt die Band mithilfe von Produzent Bob Ezrin den Sound für den Alice Cooper heutzutage geliebt wird…

Zeitsprung: Am 5.6.1977 gibt es einen Todesfall bei Alice Cooper – wegen einer Ratte.

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Popkultur

Der Beginn einer Weltkarriere: Das ABBA-Debüt „Ring Ring“

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ABBA
Foto: David Ashdown/Keystone/Getty Images

Auch wenn es 150 Millionen verkaufte Alben später kaum noch vorstellbar ist: ABBA waren nicht immer so erfolgreich wie heute. So landete die Gruppe mit ihrem Debüt Ring Ring im Jahr 1973 noch keinen allzu großen Hit. Ein Jahr später klingelten allerdings tatsächlich die Telefone — und bescherten ABBA den Durchbruch.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Ring Ring von ABBA anhören:

Als ABBA zu Beginn der Siebziger zusammenfinden, haben die vier Mitglieder der Gruppe schon einiges an musikalischer Erfahrung auf dem Buckel. Benny Andersson konnte bereits große Erfolge mit The Hep Stars feiern, Björn Ulvaeus verdiente sich seine Sporen bei den Hootenanny Singers. Anni-Frid „Frida“ Lyngstad singt damals schwedische Schlager, ebenso wie Agnetha Fältskog. Doch durch die Irrungen und Wirrungen des Musikgeschäfts finden die vier Talente Stück für Stück zusammen, zunächst als Paare, dann als Pop-Quartett. Im April 1970 treten ABBA zum ersten Mal gemeinsam auf, und zwar ganz spontan am Strand von Zypern. Die Chemie stimmt. Deshalb dauert es auch nicht lange, bis die ersten gemeinsamen Songs entstehen.

Ring Ring: Wie ABBA ihre Identität fanden

Es sind vor allem Benny und Björn, die für ABBA komponieren. Dabei entstehen zunächst schwedische Stücke wie Hej, gamle man und Det kan ingen doktor hjälpa. Polar-Music-Chef Stig Anderson glaubt fest an das kreative Doppel und prophezeit: „Eines Tages werdet ihr einen Song schreiben, der zum weltweiten Hit wird.“ Vermutlich ahnt damals noch niemand, wie sehr er recht behalten wird. Bereits im März 1972 landen Benny und Björn mit She’s My Kind Of Girl überraschend einen Top-Ten-Hit in Japan; nur ein Vorbote auf die Erfolge der nächsten Jahrzehnte. Ab Mitte 1972 rücken ABBA ihre Frauenstimmen stärker in den Vordergrund. Im Juni erscheint die Single People Need Love — erstmals unter dem Namen Björn & Benny, Agnetha & Anni-Frid.

Mit der Single springen die Musiker*innen auf Platz 17 der schwedischen Charts und merken, dass sie zusammen funktionieren. In den USA landen sie immerhin auf Platz 114 und steigen zum ersten Mal in die Hitparade jenseits des großen Teichs ein. Nachdem sich Benny und Björn zuvor schon einmal beim schwedischen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest beworben hatten, startet die Gruppe diesbezüglich einen neuen Versuch. 1973 reichen die Vier den Song Ring, Ring ein, in der Hoffnung, mit dem Stück für Schweden beim Wettbewerb antreten zu dürfen. Das klappt zwar noch nicht ganz, doch einmal mehr gelingt ABBA mit ihrer Musik ein voller Erfolg. Am 26. März 1973 erscheint ihr Debütalbum Ring Ring und legt viele wichtige Grundsteine.

Wie zahlreiche klingelnde Telefone ABBA zum Durchbruch verhalfen

Die ganz großen ABBA-Hits enthält Ring Ring noch nicht. Auch die Performance in den Charts und die Verkaufszahlen lösen noch keine Begeisterungsstürme aus. Zwar erreicht das Quartett in Schweden den zweiten Platz der Hitparade und in Norwegen einen soliden zehnten Platz, ebenso wie in Australien. Doch woanders auf der Welt interessiert man sich noch nicht so sehr für die vier Schwed*innen. Zu Unrecht: Mit dem Titeltrack, People Need Love und She’s My Kind Of Girl enthält das ABBA-Debüt einige echt starke Songs. Auch die unbekannteren Stücke Disillusion und Love Isn’t Easy (But It Sure Is Hard Enough) können sich mehr als nur hören lassen. Bis zum großen Erfolg von ABBA soll es trotzdem noch ein paar Monate dauern.


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Ab Oktober 1973 nimmt das schwedische Musikmärchen langsam Form an. Zum ersten Mal bezeichnet sich die Gruppe selbst als ABBA. Wenig später melden sich die Vier ein weiteres Mal zum schwedischen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. Der Glam Rock erobert inzwischen die Welt und ABBA passen sich an. Mit der recht rockigen Nummer Waterloo können die Vier ihr Heimatland überzeugen. Am 6. April 1974 dürfen ABBA für Schweden antreten. Und nicht nur das: Sie gewinnen den Wettbewerb, weil die Telefone klingeln. „Ring, Ring“, quasi. Belgien, Dänemark, Großbritannien, Deutschland, Finnland, Irland, Niederlande, Südafrika, Schweiz: Überall landet Waterloo auf dem ersten Platz der Singlecharts. Doch das ist eine andere schwedische Erfolgsgeschichte.

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Eins der letzten großen Rockalben: „Meteora“ von Linkin Park

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Linkin Park
Foto: Christina Radish/Redferns/Getty Images

Geht man nach den Verkaufszahlen, sind Linkin Park die bisher letzte große Rockband der Musikgeschichte. Besonders von 2000 bis 2003 führte kaum ein Weg an den Kaliforniern vorbei. Am 25. März 2003 veröffentlichte die Band ihr zweites Album Meteora — und schlug dafür einen anderen Weg ein als zuvor.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Meteora von Linkin Park anhören:

Der blitzartige Raketenstart gelingt Linkin Park schon mit ihrem Debütalbum Hybrid Theory (2000). Mehr als 30 Millionen verkaufte Exemplare, Top-5-Platzierungen in den USA, Großbritannien und Deutschland sowie 12-faches Platin: Es wirkt damals fast, als hätte die globale Musikwelt bloß auf die kalifornische Gruppe und ihre einzigartige Rock-Hip-Hop-Mischung gewartet. Doch mit ihrem Einstand legen Linkin Park nur den Grundstein für eine jahrelange Erfolgsgeschichte. Das zweite Kapitel der Story: Meteora. Als die Platte am 25. März 2003 erscheint, brechen einmal mehr alle Dämme. Diesmal gelingt sowohl in den USA als auch in Großbritannien und Deutschland der erste Platz der Albumcharts. Entstanden ist der Nachfolger ein wenig anders als das Debüt.

Meteora von Linkin Park: Mehr Einfluss am Mischpult

Um das zweite Linkin-Park-Album zu verstehen, müssen wir zunächst einen kleinen Haken schlagen. Zwischen Hybrid Theory und Meteora bringen Linkin Park im Jahr 2002 nämlich noch die Remix-Platte Reanimation raus. Darauf verpasst die Gruppe den Songs von ihrem Debüt eine Frischzellenkur und interpretiert das Material von Hybrid Theory noch einmal völlig neu. Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Veröffentlichungen: Während das erste Linkin-Park-Album vollständig von Produzent Don Gilmore betreut wird, legt für die Remixe vor allem Linkin-Park-Rapper und Multi-Instrumentalist Mike Shinoda Hand an das Mischpult. Linkin Park stellen fest, dass ihnen das Produzieren liegt — und machen deshalb genau so weiter.

Zwar setzen die Kalifornier auch für ihr zweites Album auf die Dienste von Gilmore. Doch diesmal möchten Linkin Park stärker mitreden und mehr experimentelle Ideen in ihren Sound einfließen lassen. „Wir wussten was wir wollten, und bis zu einem gewissen Grad wussten wir auch, wie wir das umsetzen konnten“, verrät Linkin-Park-Frontmann Chester Bennington in einem Interview. „Wir haben einfach losgelegt.“ Die Songs von Meteora entstehen sowohl im Heimstudio von Shinoda als auch während der finalen Produktion. Die Band arbeitet damals paarweise; lediglich Shinoda weiß jederzeit über alles Bescheid. Im Dezember 2002 stellen Linkin Park ihr zweites Album schließlich fertig — und damit auch einige ihrer größten Hits.

Das zweite Album von Linkin Park: Die letzten großen Rock-Hits?

Ob Somewhere I Belong, Faint, Numb oder Breaking The Habit: Meteora strotzt nur so vor einigen der größten Linkin-Park-Songs, genau wie zuvor Hybrid Theory. Inhaltlich beschäftigen sich die Stücke auf Album zwei mit Themen wie Depressionen und Wut, aber auch mit Besserung und Hoffnung. „Wir sprechen in unseren Texten nicht über Situationen, sondern über die Gefühle hinter Situationen“, erklärt Sänger Bennington in einem Interview mit MTV. „Mike und ich sind zwei verschiedene Menschen und können deshalb nicht über dieselben Dinge singen, aber wir kennen beide Frustration und Wut und Einsamkeit und Liebe und Glück. Auf diesen Ebenen können wir uns aufeinander beziehen.“

Im Nachhinein muss man sagen: Mit Meteora legen Linkin Park im Jahr 2002 eins der bisher letzten großen Rockalben vor. Bloß American Idiot  (2004) von Green Day und A Rush Of Blood To The Head (2002) von Coldplay gehen ähnlich häufig über die Ladentheke; in ihrer eigenen Diskografie fahren Linkin Park nur mit ihrem Debüt Hybrid Theory noch größere Erfolge ein. Nicht nur das: Ihren Aufstieg verdanken Chester Bennington und Co. nicht zuletzt der Tatsache, dass sie eben keinen lupenreinen Rock spielen, sondern das Genre organisch mit den Hip-Hop-Sounds des 21. Jahrhunderts vermischen. Ob es noch einmal Alben dieser Größenordnung geben wird? Vermutlich schon. Ob es Rockalben sein werden, darf allerdings angezweifelt werden.

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