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Popkultur

Zeitsprung: Am 2.4.1975 erscheint der definitive Kiss-Song: „Rock And Roll All Nite“.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 2.4.1975.

von Christof Leim

Kiss brauchen 1975 dringend einen Hit und eine Hymne. Also schreiben Paul Stanley und Gene Simmons den ultimativen Party-Song, der am 2. April des Jahres als Single erscheint. Mit dem Hit klappt es aber erst auf den letzten Metern…

Hört hier Dressed To Kill

Läuft nicht so gut für Kiss Anfang 1975. Im Vorjahr hatten unsere geschminkten Helden gleich zwei Alben rausgebracht (Kiss und Hotter Than Hell) und mit ihren Konzerten für Aufsehen gesorgt, aber richtig viel verkauft von ihrer Musik haben sie nicht. Manche Aktivitäten muss Manager Bill Aucoin sogar über seine Kreditkarte vorfinanzieren, und auch die Plattenfirma Casablanca (eigentlich ein Disco-Label) hat nicht genug Geld auf dem Konto. Deshalb zieht deren Boss Neil Bogart den Stöpsel der Hotter Than Hell-Tour und schickt die Band umgehend zurück ins Studio. Die Produktion übernimmt er gleich selbst.

Hektisches Songwriting

Viele frische Songs haben Paul Stanley, Gene Simmons, Ace Frehley und Peter Criss nach dem äußerst üppigen Arbeitspensum der vergangenen Jahre (1973 erste Probe, 1974 zwei Platten!) allerdings nicht. Es wird also hektisch: Die Herren greifen auf altes Material aus früheren Projekten zurück (She zum Beispiel) und schreiben wie die Wilden neuen Stoff, der umgehend aufgenommen wird. Vielleicht klingt das resultierende Album Dressed To Kill trotz guten Materials deshalb ein wenig schwach auf der Brust.

Auf dem Weg nach oben: Kiss 1974 – Foto: Tom Hill/WireImage

Die entscheidende Idee kommt Neil Bogart: Der wünscht sich nämlich eine Hymne, die ausdrückt, was die Band ausmacht, und die vor allem die Aufregung der Konzerte einfängt. Er führt I Want To Take You Higher von Sly & The Family Stone als Beispiel an. Außerdem brauchen das Label und die ganze Operation dringend einen Kassenschlager.

Ein Hit muss her

Also machen sich die beiden Chefs Simmons und Stanley in einem Hotel in Los Angeles an die Arbeit. Letzterer ersinnt den Refrain mit der markanten Zeile „Rock and roll all night and party every day“ und klopft damit an die Tür des Kollegen. Der steuert Teile einer alten Nummer namens Drive Me Wild bei – und fertig ist nicht nur einer der ikonischsten und lebensbejahendsten Rock’n’Roll-Party-Songs aller Zeiten, sondern auch das Kiss-Lied schlechthin.

Rock And Roll All Nite (echt nur mit Rechtschreibfehler im letzten Wort) erscheint am 19. März 1975 als letzter Song von Dressed To Kill und wird am 2. April 1975 als Single ausgekoppelt. Jetzt kann der Hit kommen – aber er kommt nicht. RARAN, wie der Gassenhauer gerne abgekürzt wird, schafft es auf Platz 68, mehr passiert nicht.

Ein letzter Versuch

Der Kiss-Maschine und Casablanca Records geht so langsam definitiv die Kohle aus, also setzen die Verantwortlichen alles auf ein Karte und veröffentlichen noch im gleichen Jahr den heute legendären Konzertmitschnitt Alive! als Doppelalbum – folgerichtig, denn als Bühnenspektakel ziehen Kiss mehr und mehr Fans an. Und jetzt knallt’s: Rock And Roll All Nite (live) schießt Anfang 1976 mit Schwung in die Top 20 auf den zwölften Platz, das Album zieht nach bis auf Rang neun und hält sich satte 110 Wochen in den US-Charts. Damit haben die Schminkemonster ihren Hit. Man kann also durchaus sagen, das Rock And Roll All Nite die Karriere von Kiss nicht nur gerettet, sondern turbogezündet hat.

Kein Wunder also, dass die Herren die Nummer seit damals auf so ziemlich jedem Konzert spielen. Mitte April 2020 steht der Zähler bei 2239 Mal und an der Spitze der Liste. Man darf annehmen, dass Paul und Gene die Nummer sogar im Koma mitpfeifen könnten – und Hardcore-Fans schläfrig werden, wenn sie sie nochmal hören müssen. Es gibt wenige Touren, bei denen RARAN nicht zum Set gehörte, meistens beendet der Track die abendliche Sause in einem wilden Konfettiregen.

Kennt jeder

Natürlich taucht das Ding an allen Ecken der Popkultur auf und wird zum Beispiel von Homer Simpson, in Family Guy oder Friends zitiert und taucht in That 70’s Show auf. Coverversionen gibt es zuhauf, etwa von Poison (für den Film Less Than Zero, 1987). Toad The Wet Sprocket machen daraus eine Country-Nummer im Dreivierteltakt für das 1994er-Tribute-Album Kiss My Ass: Classic Kiss Regrooved, und sogar Popsternchen Samantha Fox (einst liiert mit Paul Stanley) singt das Lied bei Konzerten.

Auf die Frage, was Kiss wohl als finale Nummer ihres finalen Konzertes (ursprünglich geplant für den 17. Juli 2021, durchgeführt am 2. Dezember 2023) spielen werden, antwortet Paul Stanley gegenüber Sunday Night aus Australien: „Der letzte Song muss Rock And Roll All Nite sein. Das ist die Rock-Hymne, die die Welt verbindet.“ Und so geschah es auch.

Zeitsprung: Am 13.5.1974 werden Kiss überlistet und unmaskiert fotografiert.

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