Popkultur
U2: Alle Alben im Ranking
Auf Songs Of Surrender nehmen U2 einige der ikonischsten Songs ihrer bislang 14 Studioalben auseinander. Aber welche sind eigentlich genial, welche eher schwierig? Und ist Songs Of Innocence wirklich so furchtbar wie die Apple-User damals meinten?
von Björn Springorum
Der Kanon von U2 ist ganz und gar einzigartig. Keine andere Band aus dem Post-Punk-Nebel der Achtziger kann auf einen solchen Werdegang, auf eine solche Erfolgskurve, aber auch auf solche Kontroversen zurückblicken. Man liebt sie oder man hasst sie. Und zwar beides äußerst leidenschaftlich. Anlässlich der Veröffentlichung ihres epischen Akustik-Unterfangens Songs Of Surrender haben wir mal unser ganz persönliches Ranking ihrer bisherigen Studioalben zusammengestellt.
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14. Songs Of Experience (2017)
Sehr wahrscheinlich ist Songs Of Surrender so roh, nah und verletzlich geworden, weil ihr nach wie vor aktuelles Studioalbum Songs Of Experience das genaue Gegenteil davon war: Es inszeniert U2 als Band, die um jeden Preis zeitgeistig und am Puls bleiben will und dafür die wichtigen Dingen aus den Augen verliert: künstlerische Integrität, Authentizität, Originalität. Singles wie You’re The Best Thing About Me haben zwar durchaus ihre Momente, aber alles in allem wird hier zu verkrampft versucht, mit dem Rest der Pop-Welt mitzuhalten.
13. No Line on the Horizon (2009)
No Line On The Horizon ist so ein bisschen das St. Anger von U2. Die Band verliert sich im Studio in sich selbst, ist zerfasert, weiß nicht, wohin mit sich. Erst fing man mit Rick Rubin an, am Ende wurden es dann doch wieder Daniel Lanois und Brian Eno. Das Album ist ambitioniert, das muss man ihnen lassen. Auf The Edges Gitarre liegen aber bei Weitem zu viele Effekte, das Drumming wirkt steril, die elektronischen Einsprengsel klingen zu gewollt. Dennoch hört man das Echo eines echt guten U2-Albums in den Songs, begraben unter zu großen Ambitionen.
12. Pop (1997)
Die Neunziger machten ja teilweise schlimme Dinge mit Bands. U2 schienen mit Achtung Baby und Zooropa ja zunächst aber ganz gut durchzukommen; bei Pop schießen sie nach Meinung vieler dann aber doch über das Ziel hinaus. Die Platte ist ein Elektro-Album, das den populären Trip-Hop der Zeit aufgreift, aber gutes Songwriting zugunsten von verzerrten Gitarren und abgefahrenen Drum-Loops opfert.
11. Songs Of Innocence (2014)
Wenn man mal vergisst, dass U2 wohl die einzige Band sind, die es geschafft hat, 500 Millionen Apple-User gleichzeitig zu nerven, ist Songs Of Innocence gar kein so übles Album. Im Gegenteil: Der Opener The Miracle (Of Joey Ramone) oder Every Breaking Wave gehören zu den stärksten U2-Songs der letzten 30 Jahre. Auch inhaltlich passt alles: U2 verfolgen ihre Geschichten zurück zu den Wurzeln, tauchen ein in die Straßen und Pubs Dublins. Wäre interessant zu sehen, wo dieses Album ohne das Apple-Debakel stehen würde.
10. October (1981)
Ein erfolgreiches Debüt ist Fluch und Segen. Der große Erfolg von Boy (1980) zwingt U2 übereilt ins Studio zurück, wo sie Schwierigkeiten haben, einen angemessenen Nachfolger aufzunehmen. Die Songs sind alles andere als schlecht, Gloria mit seinem fiebrigen Joy-Division-Beat oder das melancholische October sind echte Highlights. Doch dem großen Schatten des Debüts wird October nicht ganz gerecht.
9. How To Dismantle An Atomic Bomb (2004)
Schon witzig, dass Bono ausgerechnet How To Dismantle An Atomic Bomb als „U2s erstes Rock-Album“ bezeichnet, aber ganz Unrecht hat er damit nicht – zumindest dann, wenn man die Produktion damit meint. Das Album ist wuchtig und knackig, aber eben nicht überladen. Ein klassisches Gitarrenalbum, angeführt vom Überhit Vertigo.
8. Rattle And Hum (1988)
Die USA haben U2 nie losgelassen. Nach dem Meisterwerk The Joshua Tree setzen sich die Iren deswegen auch auf dem Nachfolger Rattle And Hum mit dem Mythos Amerika auseinander. Wo es ein Jahr zuvor noch um den maroden Zauber des Landes und die Außenseiter ging, verlieren sich U2 hier aber erstaunlicherweise in USA-Klischees und Wildwest-Romantik. Gute Songs gibt es aber genug: Helter Skelter von den Beatles sitzt als schwerer, schleppender Rocker, All Along The Watchtower auch, dazwischen zeigen große Country-Songs wie Desire, dass U2 im Herzen eben auch eine amerikanische Band sind.
7. All That You Can’t Leave Behind (2000)
Nach Pop müssen sich U2 was einfallen lassen. Also tun sie einfach das, was sie am besten können: große Songs schreiben. Vergessen sind die wirren elektronischen Experimente der späten Neunziger, zurück sind die Stadion-Hymnen. Wer ein Album mit Beautiful Day eröffnet, kann danach zumindest nicht mehr so viel verlieren. Selbst die nächsten drei Songs Stuck In A Moment You Can’t Get Out Of, Elevation und Walk On werden erfolgreiche Singles, und U2 rehabilitieren sich aus dem Stand erfolgreich selbst.
6. Zooropa (1993)
Der Nachfolger des explosiven, exzessiven Achtung Baby ist in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenstück – nervös, fiebrig, bewusst zerfahren. Entstanden während die Band auf einer gewaltigen Tournee ist ist Zooropa ein beeindruckendes Exempel für U2s Stamina und Durchhaltevermögen. Auch wenn es vielleicht an den ganz großen Hits mangelt: Das Album als Ganzes ist beeindruckend.
5. The Unforgettable Fire (1984)
Weniger politisch als War, dafür deutlich spiritueller: The Unforgettable Fire ist eine perfekte Mischung aus Atmosphäre und Wucht. Das kommt natürlich am besten bei Pride (In The Name Of Love) rüber, einem euphorisierenden, alles überstrahlenden Song, der uns dazu aufruft, alles für unsere Ideale zu geben. Und ganz nebenbei eins der ikonischsten Rock-Riffs aller Zeiten zu bieten hat.
4. Boy (1980)
Schon mit ihrem ersten Langspielversuch von 1980 gelingt U2 ein ewiger Platz in ihrer bandeigenen Spitzengruppe: ein ruppiges, rohes, vor Idealismus und Leidenschaft nur so strotzendes Post-Punk-Meisterwerk, das mit seinen Melodien, Gitarrenlinien und Arrangements schon vorgibt, was die Band auf fast jedem Album danach exerzieren wird. Ein Groove, ein Riff reicht ihnen hier meist, um die Songs zur Ziellinie zu führen. Ja, manche sind so gut.
3. War (1983)
Die dritte Platte ist U2s erste politische. Ein großes, ein kraftvolles Album, gewidmet einer Welt, die sich selbst auseinanderreißt. Die Grooves sind satt, das Zusammenspiel beeindruckend und Sunday Bloody Sunday natürlich einer ihrer größten Songs. Es passt aber auch sonst alles auf diesem verzweifelten, wütenden, traurigen Album.
2. Achtung Baby (1991)
Wie gut U2 wirklich mit ihrer konstanten Neuerfindung waren, zeigt sich auf Achtung Baby am deutlichsten. Es ist ziemlich beeindruckend, dass eine Platte mit diesem hohen Maß an Progression und Experimentierfreude ein solcher Erfolg wird. Die Produktion wirkt industriell und fremd, Bonos Gesang driftet wie durch dichte Rauchwolken zu uns, ihre Zeit bei den Aufnahmen in Berlin im Schatten der Mauer tun ihr Übriges für dieses einzigartige Album. Na gut, ein Song wie One schadet da natürlich auch nicht.
1. The Joshua Tree (1987)
Ist das Album zu groß, zu episch, zu melodramatisch? Ja, ja und ja. Waren U2 jemals besser? Nein. Alles an The Joshua Tree atmet Klassiker, alles sitzt, alles passt. Das Album ist eine Mythologie für sich, eine Chronik des sterbenden Wilden Westens, unterlegt mit ikonischen Riffs und Texten, die die größten Triumphe und Katastrophen der westlichen Welt einfangen wie ein Brennglas. Und dann erst die Songs: Where The Streets Have No Name, Bullet The Blue Sky, In God’s Country, With Or Without You… alles für sich große Brocken, die U2 aus der Rock-Geschichte herausmeißeln. Ein hoffnungslos bewegendes, sehnsüchtiges, treffsicheres Opus.
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Hidden Gems: 10 U2-Songs abseits der abgetretenen Pfade, die man kennen sollte

Popkultur
Zeitsprung: Am 25.3.2015 fährt James Corden Mariah Carey zur Arbeit
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.03.2015
von Victoria Schaffrath und Christof Leim
„Danke dir, dass du mir mit dem Weg zur Arbeit hilfst. Der Verkehr ist echt übel“, murmelt James Corden da beiläufig Richtung Beifahrersitz. „Ich weiß, es ist unerträglich“, erwidert keine Geringere als Mariah Carey. Am 25. März 2015 startet mit diesem Dialog Carpool Karaoke, die Kultsequenz aus Cordens Late Late Show. Sehen wir uns die Höhepunkte des Formats an.
Schaut euch hier alle Folgen von Carpool Karaoke an
Als James Corden am 23. März 2015 die Late Late Show von Brit-Kollege Craig Ferguson übernimmt, kennt ihn in Amerika kaum jemand. Der Schauspieler und Komödiant hatte sich zwar in Großbritannien einen Namen machen können, doch das Scheinwerferlicht in Kalifornien wirft größere Schatten. Corden weiß, dass er sich beweisen muss. So zieht er zwei Tage nach Amtsantritt ein Ass aus dem Ärmel.
Fahrgemeinschaft 2.0
Der junge Brite importiert ein Format, dass er erstmals für die britische Wohltätigkeitsveranstaltung Red Nose Day 2011 umgesetzt hatte: Da beorderte er George Michael in ein Auto, kurvte mit ihm durch London und trällerte gemeinsam mit dem Sänger dessen Hits. Michael entpuppte sich dabei als charmanter Partner, Corden als kompetenter Gastgeber. Zum Auftakt der US-Show muss also ein ähnlich hochkarätiger Gast her.
So kommt es, dass zwei Tage nach der „British Invasion“ des Abendprogramms Weltstar Mariah Carey in einen LA-typischen SUV steigt. Zunächst kokettiert sie noch, sie könne nach einer durchzechten Nacht nicht mitsingen, aber dann sprengt plötzlich ihr Schmettergesang die Autoscheiben. Dass Corden eine absolut passable zweite Stimme hinbekommt, sorgt bei Stücken wie Always Be My Baby, Fantasy, Thirsty und Vision Of Love mitunter für Ansätze von Gänsehaut.
Erfolgsformel Menschlichkeit
Der Sympath erklärt den durchschlagenden Erfolg des Segments (und demzufolge auch der gesamten Show) recht einleuchtend: „Da schwingt eine Einfachheit und Intimität mit. Einen Star solchen Kalibers in der gleichen Umgebung zu sehen, in der du und ich sonst auf dem Weg zur Arbeit singen, macht ihn menschlich.“
Logisch, dass danach nicht nur Musiktreibende auf Promotour, sondern ganze Musical-Besetzungen mit Corden „zur Arbeit fahren“ möchten. Die Videos, die im Netz häufig viral gehen, bringen so ungewöhnliche Partnerschaften wie Rod Stewart und Rapper ASAP Rocky oder Michelle Obama und Missy Elliott hervor. Ob oberkörperfreie Red Hot Chili Peppers, die Foo Fighters, Paul McCartney oder den gefiederten Elton John: Auch die großen Namen des Rock holt sich Corden gern dazu.
Bei so viel Prominenz lassen die Starallüren nicht zu wünschen übrig: Berufsprovokateur Kanye West sagt gleich mehrfach hintereinander kurzfristig ab und macht aus dem SUV mal eben eine Boeing; zwischen Corden und Dave Grohl gibt es nach der Ausstrahlung ein kleines Missverständnis. Immerhin rettet Anthony Kiedis laut eigenen Angaben während der Dreharbeiten einem Säugling das Leben. Das ist dann doch etwas mehr Aufruhr, als wir morgens auf dem Weg zur Arbeit ertragen könnten.
Zeitsprung: Am 2.3.2014 knipst eine YouTuberin David Gilmour – ohne es zu wissen.
Popkultur
Review: „Das ist los“ von Herbert Grönemeyer ist genau das Album, das wir jetzt brauchen
Herbert Grönemeyer schenkt uns auf Das ist los sinnstiftende Lieder über die Liebe und den Zusammenhalt. Ob er die Gesellschaft damit kitten kann, ist fraglich. Doch alleine der Versuch verdient Hochachtung.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr Das ist los hören:
Herbert Grönemeyer veröffentlicht keine Alben. Herbert Grönemeyer veröffentlicht Bestandsaufnahmen. Seines Lebens, aber auch von unser aller Leben. Immer wenn eine neue Platte von Deutschlands größtem und erfolgreichsten Künstler erscheint, so wirkt es, kommt sie genau zur rechten Zeit. Seine Lieder sind Salben für die Wunden, die wir uns seit seinem letzten Album zugezogen haben, zumeist stille und zurückhaltende Gebäude, in denen wir Schutz suchen können.
„Hoffnung ist gerade so schwer zu finden“ lautet dann auch der erste Satz des Albums. Er stammt natürlich aus der Lead-Single Deine Hand, mit der Grönemeyer schon vor einigen Monaten begeistern konnte. Eine einfühlsame Ode an Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt – wie viele seiner Songs sowohl im Mikrokosmos als auch im Makrokosmos zu sehen. Es geht um tatsächliche Partnerschaft, aber auch um den universellen Zusammenhalt. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir das als Gesellschaft dringend nötig haben.
Nur ein Gutmensch?
Fünf Jahre nach Tumult ist die Welt noch viel tumultartiger geworden. Da braucht es große Künstler, die mit Ruhe, Reflexion und Besonnenheit aufarbeiten, was da eigentlich mit uns und der Welt passiert ist in diesen irren letzten Jahren. Sicher kann man das abtun, verunglimpfen als onkelnde Ratschläge vom alten weißen Mann, als Motivationscoach mit nasaler Stimme. Damit macht man es sich aber zu einfach. Grönemeyer polarisiert, und das schon sehr lange. Die einen echauffieren sich darüber, dass er ja gar nicht singen (geschweige denn tanzen) kann, die anderen halten ihn für einen aufdringlichen Gutmenschen mit Moralkomplex und biederen Thesen. Gutmensch – wie so ein Wort überhaupt zu einer Beleidigung werden konnte, sagt ja auch sehr viel.
Manchmal spielt er seinen Kritiker*innen in die Karten auf diesem Album. Der Titelsong zum Beispiel erinnert eher an Bierzelt oder Schlagerfestival – trotz seines cleveren, defragmentierten Textes, der den Informations-Overkill der heutigen Zeit versinnbildlichen soll. Doch die großen Momente gehören eh den Balladen, das ist bei Grönemeyer schon lange so. Tau zum Beispiel, ein Lied, umrankt von Trauerflor. Der Rest ist mal flott und tanzbar, mal umgarnt von Vintage-Elekronik, mal elegisch mit Streichern.
Songs, die Mut zuflüstern
Um Tod, Verlust und Trauer geht es auch auf Das ist los. Aber nicht als Fixpunkt, sondern als Unausweichlichkeiten des Lebens. Überwiegend möchte Grönemeyer uns stärken, uns Mut zuflüstern, uns als Ganzes wieder zusammenbringen. Man darf sich fragen, wieso ihm das so wichtig ist, warum er denkt, dass ausgerechnet er als Messias zu uns singt. Man darf sich aber auch fragen, warum es sonst niemand tut. Das ist los zeigt uns, dass wir nicht aufgeben sollten, nicht verzagen sollten, nicht den Ist-Zustand beibehalten sollten. Stattdessen sollen wir „Raus in den Sturm“, wie es im dringlichen Genie heißt, rein ins Leben, in die Verantwortung.
Diejenigen, die ihn bisher schon als Gutmenschen abkanzelten, werden sich darauf stürzen und ihn in der Luft zerreißen. Dabei sind es gerade diejenigen, die hier mal genau hinhören sollten. Das ist los ist nicht das beste Grönemeyer-Album, wahrscheinlich nicht mal Top fünf. Es ist aber mal wieder mal genau das Album, was wir jetzt brauchen. Und allein dafür gebührt im Hochachtung.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 24.3.1986 triumphieren Van Halen mit neuem Sänger und „5150“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 24.3.1986.
von Christof Leim
Einen geborenen Frontmann wie David Lee Roth zu ersetzen, ist nicht einfach. Doch Van Halen machen aus der misslichen Lage Gold und Platin: Gleich das erste Album mit Sammy Hagar wird zum Nummer-Eins-Erfolg. Dabei eskalierte ein Streit im Studio so sehr, dass ein alter Kollege sogar die Bänder zerstören wollte. Dies ist die Geschichte von 5150. Und wir haben sogar einen unveröffentlichten Song ausgegraben.
Hier könnt ihr 5150 hören:
Nach dem sechsten Album 1984 geht es nicht mehr weiter: Van Halen haben sich mit David Lee Roth so zerstritten, dass sich der Sänger und überlebensgroße „Showman“ in Richtung Solokarriere verabschiedet. Einen Ersatz allerdings können Eddie Van Halen, sein Bruder Alex und Michael Anthony partout nicht finden. Die Sängerin Patty Smyth von der Band Scandal (nicht zu verwechseln mit der Punkikone Patti Smith) lehnt ab, mit der späteren Mr. Big-Stimme Eric Martin und dem australischen Musiker Jimmy Barnes kommen die Kalifornier ebensowenig zusammen. Irgendwann beginnt das Label, Druck zu machen, und fordert sogar eine Namensänderung, was Alex und Eddie Anfang 1986 in aller Form ablehnen. David Lee Roth feiert währenddessen Erfolge mit seiner Cover-EP Crazy From The Heat (1985). Keine schönen Zeiten im Van Halen-Lager also.
Tipp aus der Werkstatt
Doch dann hilft der Zufall: Als Eddie seinen Luxusschlitten – je nach Quelle ein Ferrari oder ein Lamborghini, aber wir wollen da nicht kleinlich sein – reparieren lässt, empfiehlt ihm der Automechaniker den ehemaligen Montrose-Sänger Sammy Hager, der sich mittlerweile mit Hits wie I Can’t Drive 55 und One Way To Rock als Solokünstler etabliert hat. Die Idee ist gut: Als Eddie und Sammy sich treffen, stimmt die Chemie sofort. Hagar verfügt klar über die bessere, vielseitigere Stimme im Vergleich zu „Diamond Dave“ und spielt hervorragend Gitarre, was neue Möglichkeiten für die Liveshow eröffnet. Schlagzeuger Alex Van Halen vergleicht das allgemeine Bandgefühl nach Hagars Eintritt damit, einen Porsche zu fahren nach jahrelanger Schleicherei in einem Volkswagen. Gitarrengott Eddie schlägt in die gleiche Kerbe: „Ich habe noch nie so eine Inspiration erlebt wie an diesem ersten Tag. Wir haben losgespielt, Sammy hat gesungen – und es hat einfach geklickt. Magisch.“
Im November 1985 startet das Quartett die Arbeit an einem neuen Album, im Februar 1986 ist das Ding im Kasten, nur einen Monat vor der Veröffentlichung. Weil Roth den Van-Halen-Stammproduzenten Ted Templeman bei seinem Abgang mitgenommen hatte, übernimmt der langjährige Toningenieur Donn Landee den Job. Doch Sammy fühlt sich damit unwohl: Er wünscht sich eine „richtige“ Besetzung für den Produktionsjob und vor allem eine neutrale Stimme, kein angestammtes Mitglied des inneren Zirkels. Also wird der platindekorierte Foreigner-Gitarrist Mick Jones angeheuert, um das Steuer zu übernehmen.
Eine harte Drohung
Das geht Landee so dermaßen gegen den Strich, dass er sich – kein Witz – im Studio einschließt und damit droht, die bereits gemachten Aufnahmen zu zerstören. Plötzlich fühlt sich die Atmosphäre sehr, sehr angespannt an, doch kurz vor der Explosion kann die Zündschnur gekappt werden. Landee rückt die Bänder raus, alle Unklarheiten werden beseitigt, und tatsächlich verläuft der Rest der Aufnahmen zur Zufriedenheit aller. Das fertige Album mit neun Songs (ja, damals brauchte man nicht 15 Nummern und ein halbes Dutzend Bonustracks) taufen Van Halen auf den Namen 5150, ausgesprochen „fifty one fifty“. So heißt auch Eddies Studio, benannt nachdem dem kalifornischen Polizeicode für eine geistig gestörte Person.
Das Material klingt runder und musikalischer als die Songs mit „Diamond Dave“, auch mehr nach Mainstream und weniger gewagt, aber – und hier liegt der springende Punkt – ohne jeden Zweifel zu 100 Prozent nach Van Halen. Es finden sich ein paar mehr Love-Songs und Balladen als früher, dazu ein paar ganz dicke Ohrwürmer, allen voran natürlich Why Can’t This Be Love.
Ohrwurm und erste Single von 5150: Why Can’t This Be Love
Start-Ziel-Sieg
5150 marschiert nach der Veröffentlichung am 24. März 1986 ohne Umschweife auf Platz eins der US-Charts, was Van Halen bisher noch nie hinbekommen hatten. (1984 schaffte es bis auf Platz zwei.) Satte fünf Singles werden ausgekoppelt – von insgesamt neun Songs. Das ist schon nicht so richtig schlecht. Die Tracks kennen wir alle: Why Can’t This Be Love, Dreams, Love Walks In, Best Of Both Worlds und Summer Nights . Der Rolling Stone kommentiert damals: „Die Welt gehört Van Halen, ob mit oder ohne David Lee Roth. 5150 gleicht einem bombastischen Feuerwerk einer Band auf dem Höhepunkt ihrer Fähigkeiten.“
Vier der fünf (!) Singleauskopplungen von 5150
Die nächsten zehn Jahre laufen bestens für Van Halen: Jedes (!) der folgenden Alben wird ebenfalls eine Nummer eins in den USA: OU812 (1988), For Unlawful Carnal Knowledge (1991) und Balance (1995). (Die ausführliche Geschichte der letzten Van Halen-Platte mit Sammy, findet ihr hier.)
Bonustrack!
Für die Van Halen-Freaks und Komplettisten haben wir noch ein Schätzchen: Ursprünglich sollte als fünfter Titel auf der zweiten Seite noch der Song I Want Some Action erscheinen, doch der wird nicht veröffentlicht, zumindest nicht offiziell. Zum 30. Geburtstag der Platte stellen Van Halen den Track dann ins Netz. Und hier ist er:
Vorher führte I Want Some Action ein lustiges Schattendasein: Eddie benutzt Teile der Komposition für das bluesige Instrumental Stompin’ 8H, das er 1987 bei Saturday Night Live spielt. Außerdem überlässt er die Nummer seinem Kumpel Steve Lukather, der sie 1989 auf seinem ersten Soloalbum Lukather unter dem Titel Twist The Knife verbrät, nachzuhören hier. Doch das Hauptriff gefällt Eddie so gut, dass er es selbst 1998 nochmal für den Song Dirty Water Dog auf dem Rohrkrepierer-Album Van Halen III (mit Extreme-Sänger Gary Cherone) wiederbelebt.
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Zeitsprung: Am 14.7.1984 steht Eddie Van Halen mit Michael Jackson auf der Bühne.
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