Popkultur
Alle Beatles-Alben im Ranking: Das sind die besten Platten der „Fab Four“
Die Alben der Beatles von „nicht ganz so gut“ nach „ausgezeichnet“ zu ordnen, ist fast unmöglich. Wir haben das Experiment gewagt und versucht, die Platten der Band in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Ihr stimmt unserer Liste zu? Super! Ihr seid anderer Meinung? Auch super! Lasst hören.
von Timon Menge
13. Yellow Submarine (1969)
Der Soundtrack zum Beatles-Zeichentrickfilm Yellow Submarine ist in unserer Auflistung nicht zuletzt deshalb das Schlusslicht, weil einige der Songs auf dieser Compilation vorher bereits in anderen Zusammenhängen erschienen sind. Das gilt nicht nur für den Titeltrack, sondern auch für Eleanor Rigby, die es beide schon auf Revolver (1966) zu hören gab. Darüber hinaus gibt es auf der Platte nicht viel neues Material — und wenn doch, weiß es kaum zu überzeugen. Unser Anspieltipp: Hey Bulldog aus der Feder von John Lennon und Paul McCartney.
12. Magical Mystery Tour (1967)
Magical Mystery Tour erschien in Großbritannien ursprünglich nur als Doppel-EP, wurde aber nachträglich in die offizielle Diskografie der Beatles gemogelt. Dementsprechend kurz soll das Album hier abgehandelt werden: I Am The Walrus zeigt Humor, auf der B-Seite finden sich großartige (aber eben bereits erschienene) Singles wie Hello, Goodbye, Strawberry Fields Forever, Penny Lane und All You Need Is Love. „Nice to have“ für eingefleischte Fans, aber in der Liste gehen wir lieber schnell weiter.
11. Beatles For Sale (1964)
Auf Beatles For Sale ist der Name Programm: Als die „Fab Four“ das Album aufnehmen, haben sie bereits drei Platten, einen nervenaufreibenden Film und endlos viele Konzerte auf der ganzen Welt auf dem Buckel. Im Studio sind John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr also ganz schön müde, nehmen aber dennoch ihre vierte Veröffentlichung innerhalb von zwei Jahren auf. Das sieht man nicht nur an den Gesichtern der vier Musiker auf dem Cover, sondern man hört es auch: Hier reihen sich Coverversionen neben eher unmotivierten Beatles-Songs ein. Mit Eight Days A Week enthält die Scheibe allerdings auch einen unsterblichen Hit.
10. Let It Be (1970)
Offiziell handelt es sich bei Let It Be um das allerletzte Album der Beatles; inoffiziell wurde das Album bereits vor Abbey Road (1969) aufgenommen. Dass ausgerechnet Let It Be zu der Platte wurde, die heute als letzte Momentaufnahme der Briten gilt, ist schade. Klar, mit Get Back, dem Titeltrack und The Long And Winding Road enthält das Finale einige unsterbliche Songs, für die sich niemand schämen muss. Es gibt auf Let It Be aber auch Stücke, die man lieber nie gehört hätte. (Pro-Tipp: Das Original wurde schlussendlich von Phil Spector produziert und klingt dementsprechend überladen. Wer Let It Be in seiner ursprünglicheren Form hören möchte, kann das auf Let It Be… Naked tun.)
9. With The Beatles (1963)
Jetzt dringen wir langsam in die Gefilde vor, in denen es echt schwierig wird, die Alben der Beatles gegeneinander aufzuwiegen. Die zweite Platte With The Beatles erscheint nur acht Monate nach dem Debüt Please Please Me (1963), enthält sechs Coverversionen, eine Komposition von Gitarrist George Harrison sowie sieben Songs von Lennon-McCartney. Qualitativ stimmt hier einiges, ob bei It Won’t Be Long, All My Loving oder Don’t Bother Me. Auch die Coverversionen gelingen den Beatles. Von ihren vorherigen Hit-Singles From Me To You, She Loves You und I Want To Hold Your Hand landet nicht eine einzige auf ihrer neuen Platte. Wer es sich erlauben kann … Aber besser wird es trotzdem noch.
8. Please Please Me (1963)
„One, Two, Three, Four!“ heißt es 1963 zu Beginn des allerersten Albums der Beatles, gefolgt von I Saw Her Standing There. Und danach weiß die Welt Bescheid: Diese vier Musiker werden die Popkultur umkrempeln. Nicht nur, dass die Beatles zum ersten Mal im großen Stil junge Musiker*innen dazu ermutigen, ihr eigenes Material zu schreiben. Nein, sie legen auch den Grundstein für Veränderungen in Literatur, Mode und Gesellschaft, die uns nachher Jahrzehnte lang begleiten sollen. Und all das, obwohl die Gruppe nichts weiter macht, als das Live-Set auf Platte aufzunehmen, dass sie sowieso dauernd in Liverpool spielt.
7. A Hard Day’s Night (1964)
Als Mitte 1964 der erste Kinostreifen der Beatles erscheint, schreiben die vier Musiker damit einmal mehr Rockgeschichte. Dienten Musikfilme bis dato vor allem dazu, mit einfachsten Mitteln mehr Platten zu verkaufen, hat A Hard Day’s Night tatsächlich so etwas wie eine Handlung. Ebenfalls bahnbrechend: Die Beatles spielen in dem Streifen nicht etwa fremde Rollen, sondern sich selbst. Das gleichnamige Album erscheint bloß vier Tage nach der UK-Premiere und enthält mit dem Titeltrack, And I Love Her und Can’t Buy Me Love (vorher bereits als Single erschienen) gleich mehrere Klassiker.
6. The Beatles (1968)
Während der Aufnahmen des „Weißen Albums“, wie The Beatles heute noch gerne genannt wird, haben sich die „Fab Four“ schon ganz schön in den Haaren. Ringo Starr verlässt die Gruppe zeitweise sogar, weshalb Paul McCartney zum Beispiel die Schlagzeugspuren für Back In The U.S.S.R. und Dear Prudence einspielt. Man könnte sagen: Obwohl John, Paul, George und Ringo zu jener Zeit keinesfalls am gleichen Strang ziehen, sondern eher in gegensätzliche Richtungen, erschaffen die vier Musiker mit diesem Doppelalbum eine Sammlung von weitestgehend hervorragenden Songs. Okay, zugegeben: Den Mitklatsch-Schlager Ob-La-Di, Ob-La-Da hätte sich Paul McCartney echt sparen können. Dafür gibt es auf der Platte aber auch Highlights wie While My Guitar Gently Weeps und Helter Skelter.
5. Help! (1965)
Was sich auf Beatles For Sale abgezeichnet hat, bahnt sich auf Help! weiter seinen Weg: Die Beatles sind mit dem Status als größte Band aller Zeiten völlig überfordert. Von allen Seiten werden die Musiker überrannt, ob von Fans, der Presse oder Mitarbeiter*innen des Musikgeschäfts. Mit Help! ruft John Lennon laut um Hilfe und man kann durchaus sagen, dass es der Band auf diesem Album zum ersten Mal gelingt, ihre Gefühlswelten in erwachsene, ausgereifte Songs zu verpacken. Das Ergebnis: Unsterbliche Nummern wie der Titeltrack, The Night Before, Ticket To Ride und vor allem Yesterday.
4. Abbey Road (1969)
Abbey Road erscheint zwar vor Let It Be, doch es handelt sich hierbei um die letzten gemeinsamen Aufnahmen der Beatles. Die entstehen allerdings unter mehr als widrigen Umständen: Die Beatles sind zerstritten und raufen sich mit Mühe und Not für eine letzte Veröffentlichung zusammen. Und die hat es in sich: Mit Come Together, Something und Here Comes The Sun landen John, Paul, George und Ringo Hits für die Ewigkeit, mit I Want You (She’s So Heavy) leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Entstehung des Doom Metal und mit dem dazugehörigen Artwork, dass die Beatles auf dem Zebrastreifen der Abbey Road zeigt, liefern sie der Popkultur eines der ikonischsten und meistkopierten Motive aller Zeiten.
3. Rubber Soul (1965)
Mit Rubber Soul gelingt den Beatles Mitte der Sechziger ihr erstes vollständig rundes Meisterwerk. Ob Soulmusik, das swingende London oder der elektrisch spielende Bob Dylan: Die Beatles bedienen sich für ihre sechste Platte unterschiedlichster Einflüsse, schaffen damit eines der ersten richtigen Alben der Musikgeschichte (bis dato waren Alben vor allem Single-Sammlungen) und spornen auch Brian Wilson von den Beach Boys dazu an, mit Pet Sounds eins der legendärsten Werke des Pop zu schreiben.
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Mit Drive My Car zeigen die Beatles, dass sie zusammenspielen können wie ein Uhrwerk. Mit Norwegian Wood (This Bird Has Flown) hält die indische Musik Einzug in ihr Schaffen. Mit Girl entfernt sich die Band von ihren bisherigen Lalala-Liebesliedern und widmet sich auch der melancholischen Seite des größten aller Gefühle. Michelle gehört noch heute zum Standardrepertoire von Musiklehrer*innen. Und mit The Word unterstreichen die Briten dick und fett, worum es ihnen eigentlich geht: „Say the word and you’ll be free / Say the word and be like me / Say the word I’m thinking of / Have you heard the word is love?“. Spätestens mit diesem Album ist klar, dass die Beatles in der Welt der Popmusik den Ton angeben und dass man ihnen folgt.
2. Revolver (1966)
Wir sagen es gleich vorweg: Revolver liegt nur äußerst knapp auf dem zweiten Platz. Kein Wunder, denn künstlerisch packen die Beatles hier schon alles aus, was sie auf dem Kasten haben: psychedelische Sounds, den Einfluss Indiens, doppelspurige Gitarren, falsch herum abgespielte Tonbänder, Sound-Effekte und Geschwindigkeitsveränderungen gepaart mit einem Songwriting, das über jeden Zweifel erhaben ist. Ob nun der starke Opener Taxman von George Harrison, das melancholische Eleanor Rigby von Paul McCartney oder das Großexperiment Tomorrow Never Knows: Dieses Album zeigt die Beatles in Höchstform und man braucht mindestens zehn Durchläufe und wirklich gute Kopfhörer, um alle Details auf dieser Platte erfassen zu können. Gekrönt wird das Ganze durch ein rückwärts gespieltes Gitarrensolo bei I’m Only Sleeping, dem Dylan-beeinflussten And Your Bird Can Sing und dem Klassiker Yellow Submarine. Wow! Aber da kommt noch mehr …
1. Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (1967)
Wir haben lange mit uns gerungen und uns gefragt, ob Revolver oder Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band den ersten Platz dieser Auflistung belegen sollte. Wir haben uns für Variante zwei entschieden, denn was die Beatles auf Revolver begonnen haben, haben sie auf diesem Album perfektioniert. John, Paul, George und Ringo wissen vor den Aufnahmesessions ganz genau, dass sie nie wieder auf Tour gehen werden, weil ihnen die Beatlemania zu sehr zugesetzt hat. Das bedeutet auch, dass sie genau wissen, dass sie ihre Kompositionen nicht mehr live spielen müssen und sich im Studio nach Herzenslust austoben können. Mit George Martin haben die vier Musiker einen der fähigsten Produzenten ihrer Zeit an der Seite. Und um sich von allen Vorbelastungen zu lösen und den Kopf frei zu bekommen, gründen die Beatles einfach eine neue Band: Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band.
Mit der gleichnamigen Platte schaffen die „Fab Four“ eins der ersten Konzeptalben der Geschichte und nehmen ein kleines Meisterwerk auf, das vom ersten bis zum letzten Ton funktioniert. Einzelne schwächere Songs verstecken sich darauf sicher auch, aber der Gesamtgenialität der Platte tut das keinen Abbruch. Was wollen wir an dieser Stelle reden … Über dieses Beatles-Album wurden ganze Bücher geschrieben und noch immer wurde nicht alles darüber gesagt. Lasst uns also machen, wofür Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band aufgenommen wurde: auflegen, einschalten, aufdrehen, zuhören.
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Kunstwerke für sich: Eine detaillierte Geschichte der Beatles-Albumcover

Popkultur
„Please Please Me“: Vor 60 Jahren erscheint das schlüpfrige Debüt der Beatles
Am 22. März 1963 erscheint das erste Beatles-Album Please Please Me. Es beginnt mit einer frechen Aufforderung zum Oralverkehr, endet mit dem Orkan Twist And Shout – und macht die Beatles endgültig zu Stars.
von Björn Springorum
Heute kennt man sie ja alle, die Geschichten. So gut, dass es sich manchmal fast so anfühlt, als wäre man damals dabei gewesen. Auf der Reeperbahn. Im Cavern Club. Als Astrid Kirchherr aus den vier unscheinbaren Liverpooler Jungs die coolen Beatles macht. Bei ihrem vergeigten Vorspielen für Decca am Neujahrsmorgen 1962. Im Van von Gig zu Gig im kalten Großbritannien. Damals kennen diese Geschichten aber eben nur die wenigsten. Auch weiß niemand, dass hinter den Kulissen der Popmusik, hinter den in Großbritannien so angesagten Stammhaltern wie Cliff Richard und den Shadows eine Wachablösung vorbereitet wird. Eine neue Zeitrechnung. Gut, niemand außer Brian Epstein vielleicht.
George Martin hat den richtigen Riecher
Im März 1963 ist die Welt noch weit von einer Beatlemania entfernt. Seit 1961 besteht die Band aus John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und dem glücklosen Drummer Pete Best, der ja bekanntlich kurz vor ihrem großen Durchbruch gefeuert werden. Im Mai 1962 unterschreiben sie bei EMI und arbeiten fortan mit Produzent George Martin zusammen. Auch das weiß damals niemand: Die Band und ihr Produzent werden gemeinsam Musikgeschichte schreiben. Selbst wenn er ihnen anfangs nicht zutraut, jemals einen Hit zu komponieren. Seine Meinung ändert er schnell, als nach Love Me Do auch die zweite Beatles-Single Please Please Me einschlägt und in verschiedenen Hitparaden sogar bis an die Spitze klettert.
Das Rätselhafte ist: Nach den frühen Erfolgen ihrer ersten Singles will Martin ein ganzes Album mit den Beatles aufnehmen. Ein Album, von einer eher bei Teenagern beliebten Band? Ein absolutes Novum und nach Ansicht vieler ein vorprogrammierter Reinfall. Erwachsene kaufen Alben mit langweiliger Musik, die Kids Singles mit dem heißen Scheiß. So läuft das damals. Ist Martin aber egal. Der wittert Anfang 1963 etwas in der Luft, das die Welt für immer verändern wird.
Das Debüt wird an einem Tag aufgenommen
Recht zackig geht es damals noch in den Studios zu, viel Zeit für Experimente ist nicht vorgesehen. Ihr allererstes Album Please Please Me nehmen die Beatles dann auch an einem einzigen Tag auf – am 11. Februar 1963. Pete Best musste auf George Martins Anraten da schon seine Koffer packen und Platz machen für Ringo Starr. Wie wir aus der Peter-Jackson-Doku Get Back wissen, ist ein Studiotag zum Ende ihrer Karriere nicht mal genug Zeit, in der man die eine oder andere Meinungsverschiedenheit aus der Welt zu räumen. Man sieht also: Am Anfang der kurzen und dafür unerreicht steilen der Karriere soll alles noch ganz anders sein als am Ende knapp sieben Jahre später.
„Es war eine sehr geradlinige Angelegenheit, eher wie eine Aufführung“, so sagte George Martin mal zu den legendären Debüt-Aufnahmen der Beatles. „Wir buchten eine Morgen- und eine Nachmittags-Session und fügten dann noch die Abend-Session hinzu.“ Darüber schreibt der Beatles-Chronist Mark Lewisohn später: „In der Geschichte der aufgenommenen Musik gab es wohl nie wieder derart 585 produktive Minuten.“ Neben Chef George Martin sind Norman Smith und Richard Langham als Tontechniker dabei, als im Studio 2 der Abbey Road Studios (damals noch EMI-Studios) Musikgeschichte auf Tape gebannt wird. „Wir probten unser erstes Album nicht“, erinnerte sich Ringo Starr einst. „Wir nahmen es live auf.“ Davon profitiert das schnörkellose, direkte Material bis heute. Please Please Me klingt als einziges Beatles-Album wie eines ihrer Konzerte in Hamburg oder Liverpool – wo der Schweiß von der Decke tropft und alles nach Bier und Zigaretten riecht.
John Lennon ist heftig erkältet
Um zehn Uhr morgens geht es los, John Lennon schleppt eine üble Erkältung mit ins Studio, (McCartney schnieft auch, kein Wunder, das schreckliche englische Wetter…), und lutscht eine Halspastille nach der anderen. Sie nehmen den ganzen Tag auf, bis sie um zehn Uhr abends ihr Cover von Twist And Shout im Kasten haben. Die Nummer muss solange warten, weil Lennons Stimmbänder nach dem rachenzerfetzenden Gebrüll der Nummer vollkommen ruiniert sein würden. Denkt zumindest George Martin. Und zeigt sich beeindruckt: „Ich weiß nicht, wie die das machen. Wir nahmen den ganzen Tag auf, doch je später es wurde, desto besser wurden sie.“ Lennon sieht das etwas anders: Er kann danach wochenlang nicht schlucken. Alles für den Ruhm eben.
Und der kommt. Mit großen Schritten. Zwar wird das Debüt dann doch Please Please Me genannt und nicht Off The Beatle Track, wie McCartney vorschlägt; die Gottwerdung der vier Protagonisten ist von da an aber nicht mehr aufzuhalten. Das Album, das damals für gerade mal 400 Pfund (heute umgerechnet 9000 Pfund) aufgenommen wird, erscheint vor 60 Jahren am 22. März 1963, ist im Mai auf Rang eins der britischen Charts geklettert und bleibt dort satte 30 Wochen, bis es vom Nachfolger With The Beatles abgelöst wird. Da ist die Beatlemania längst ausgebrochen. Und die vier Jungs aus Liverpool auf dem Expressweg zur größten Band der Welt.
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Zeitsprung: Am 26.2.1970 erscheint in den USA ein halbherziges Beatles-Album.
Popkultur
Zeitsprung: Am 22.3.1987 brillieren Anthrax mit „Among The Living“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 22.3.1987.
von Christof Leim
Bunte Shorts und schnelle Riffs: Mit „Among The Living“ legen Anthrax am 22. März 1987 einen Klassiker des Thrash Metal hin. Dabei wäre die Sache beinahe beim Mix gehörig schief gegangen. Für den „Zeitsprung“ blickt Scott Ian zurück auf Comics und Sozialkritik, Hetfields Segen und die zufällige Erfindung des Rap-Metal.
Hier könnt ihr euch die Thrash-Granate ganz anhören:
Mit ihrem zweiten Album Spreading The Disease hatten Anthrax 1985 ihren Stil gefunden. Thrash Metal als Genre explodiert, und die New Yorker reiten ganz vorne mit. Die fünf blutjungen Headbanger touren was das Zeug hält, eine Pause gibt es nicht: „Als es mit den Shows für Spreading The Disease losging, haben wir mit dem Songwriting einfach weitergemacht“, erinnert sich Gitarrist Scott Ian im Gespräch mit dem Autor. „Uns war klar, dass wir in einem Jahr eine neue Platte abliefern müssen.“
Hetfield findet es gut
Vor allem Drummer und Hauptsongwriter Charlie Benante hat jede Menge Ideen, die die Band bei Soundchecks und im Bus ausarbeitet. Anthrax verfolgen vor allem die mit dem Song A.I.R. von Spreading The Disease eingeschlagene Richtung, legen aber noch einen drauf. Schon während der Europatour im Herbst 1986 als Vorgruppe von Metallica haben sie die beiden späteren Klassiker I‘m The Law und Indians am Start. „Ich kann mich erinnern, dass wir James Hetfield die Songs im Bus vorgespielt haben. Er fand die Riffs großartig. Und auch wir wussten, dass das Zeug einschlagen würde. Es klang noch besser als A.I.R., mit besseren Riffs und schnelleren Parts.“ Leider kommt bei dieser legendären Konzertreise Cliff Burton ums Leben, der Bassist von Metallica und ein Freund von Anthrax.
Thrash Metal ist eine ernste Angelegenheit. Not. – Foto: Brian Rasic/Getty Images
Zurück in den USA können Anthrax mit Hilfe von Island Records sogar Eddie Kramer als Produzenten gewinnen, der mit einigen der größten Namen im Rock gearbeitet hatte, darunter Jimi Hendrix, Led Zeppelin und The Rolling Stones. Für die Musiker zählt aber eine andere Referenz: „Wir wollten ihn vor allem, weil er einige der besten Kiss-Platten produziert hatte, nämlich Alive! und Rock And Roll Over“, stellt Scott klar. Die Band steht auf die Liveatmosphäre, die Kramer seinen Aufnahmen zu verleihen vermag. Die Produktion im Quadradial Studio in Miami läuft hervorragend, es „herrscht eine Energie wie in einem Football-Stadion“.
Ersoffen in Hall und Echo
Doch beim Mix in den Compass Point Studios auf den Bahamas, in dem schon Iron Maiden reihenweise Klassiker geschaffen hatten, kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Beeindruckt vom Megaerfolg des Def Leppard-Meilensteins Hysteria (1987) und seiner poppigen Produktion von Robert „Mutt“ Lange ertränkt Kramer die Anthrax-Songs in Hall und Echo. Das klingt nicht nur weicher, sondern lässt angesichts der rasenden Geschwindigkeit der Stücke sämtliche Details verschwimmen. Kurz: eine Katastrophe. Die Band fällt aus allen Wolken und macht – Kiss-Fans hin, Legende her – deutliche Ansagen. Vor allem Scott bleibt stur, weil er weiß, dass die Zukunft seiner Gruppe von dieser Platte abhängt. Glücklicherweise einigen sich die Parteien und kreieren einen trocknen, megafett drückenden, heute klassischen Thrash-Sound.
Textlich schwanken Anthrax auf Among The Living zwischen ernsthaft, lustig und Nerdkram: Während Indians die Vertreibung der nordamerikanischen Ureinwohner anprangert, vertont Scott gleich zweifach seine Liebe zu den Horror-Thrillern von Stephen King. Dessen Bücher The Stand (deutscher Titel: Das letzte Gefecht) und Apt Pupil (verfilmt als Der Musterschüler) standen Pate für die Stücke Among The Living und Skeletons In The Closet.
Comics und Sozialkritik
Efilnikufesin (N.F.L.) thematisiert den Drogentod des Schauspielers John Belushi von den Blues Brothers, während Caught In The Mosh den Umgang mit dummen, nervigen Mitmenschen mit einem Moshpit vergleicht, dem man nicht entkommen kann. „Ich habe über die Themen gar nicht groß nachgedacht“, meint Scott dazu. „Ich würde euch ja gerne erzählen, dass I Am The Law als Metapher für irgendwas steht, eine schlechte Regierung oder böse Cops. Aber nein: Der Song handelt von Judge Dredd, weil ich auf Comics stehe. Damals wusste ich es auch gar nicht besser, ich war gerade mal 22 Jahre alt. Für mein Hirn ergab I Am The Law genauso viel Sinn wie Horror Of It All, in dem es um den Tod von Cliff geht. Ich wurde zum Texter der Band und musste mich anstrengen, damit nicht unterzugehen.“
Dass Anthrax nicht immer alles bierernst sehen, zeigt sich in einem musikalischen Experiment: Weil die Musiker auf Run-DMC und die Beastie Boys stehen, schreibt Scott mit seinem Gitarrentechniker John Rooney einen nach eigenen Worten „blödsinnigen“ Rap-Song, spielt dazu das jüdische Folk-Stück Hava Nagila als Metal-Riff – und fertig ist I‘m The Man, der erste (erfolgreiche) Rap-Metal-Crossover.
Die zufällige Erfindung des Rap-Metal
So haben Anthrax nach der Hardcore-Thrash-Vermählung bei S.O.D. zum zweiten Mal musikalische Grenzen eingerissen. Dabei war die Nummer »ein totaler Witz«, wie Scott auch drei Dekaden später noch betont. I‘m The Man wird zunächst auf der B-Seite von I Am The Law versteckt, findet aber großen Gefallen, gehört fortan zum Liveset und wird später sogar auf einer eigenen EP veröffentlicht.
Among The Living erscheint am 22. März 1987 und knackt mit einem Platz 62 die Top 100 in den USA. Die Scheibe zählt nicht nur zu den wichtigsten Alben von Anthrax, sondern eines ganzen Genres. Die neun Songs bersten förmlich vor Thrash-Energie und klingen dabei größer, eingängiger und vielseitiger als auf dem Vorgänger. „Sechs der Stücke könnten wir noch heute jeden Abend spielen“, findet Scott und hat Recht. „Das sagt schon was. Sie sind so gut.“
Bunte Shorts sind Metal!
Das Quintett begleitet nach der Veröffentlichung erneut Metallica in Europa, die mit neuem Bassisten Jason Newsted ihre Master Of Puppets-Tour beenden. In den USA sind Anthrax da bereits als Headliner unterwegs. Dabei gibt sich die Band bei allem ernsthaften Geriffe locker auf der Bühne: Die Zeiten von Nieten und Leder sind endgültig vorbei, unfassbar bunte Shorts und Shirts setzen einen deutlichen Kontrapunkt zum vorherrschenden Stil in der Welt der harten Musik.
Mit der Platte beschleunigt sich das Leben im Anthrax-Lager noch mehr: „Alles passierte richtig schnell! Man muss sich das mal vor Augen führen: Among The Living erschien nur drei Jahre nach Fistful Of Metal. „Im Mai 1987, am Anfang der Tour, haben wir kleine Clubs mit 500 Leuten ausverkauft. Im Dezember standen wir in den USA jeden Abend vor 7000 Fans. Ich war gerade mal 24.“
Popkultur
35 Jahre „Surfer Rosa“: Wie die Pixies quasi Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ schrieben
Zu punkig für Grunge, zu arty für Punk: Schon mit ihrem Debüt Surfer Rosa setzt sich das Alternative-Rock-Kuriosum Pixies 1988 genüsslich zwischen alle Stühle. Der Erfolg kommt dennoch und beeinflusst alles von Nirvana bis Radiohead – auch wegen der großartigen Selbstverlusthymne Where Is My Mind.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr euch Surfer Rosa anhören:
Als Punk noch nicht ganz tot und Grunge noch nicht ganz da ist, finden die Pixies zusammen. Allerdings nicht in Seattle, wo der Grunge geboren wurde, sondern in Boston an der Ostküste der USA, dem Epizentrum des US-amerikanischen Hardcore Punk. Okay, und der Heimat von Aerosmith, aber die dürften für die Pixies jetzt weniger eine Rolle gespielt haben.
Lang bevor Kurt Cobain und seine Truppe auf die Idee kam, dass die Dynamik einer zurückhaltenden Strophe und eines wild um sich schlagenden Refrains vielleicht auch für Nirvana eine gute Idee wäre, kultivieren die Kommilitonen Joey Santiago und Black Francis während ihres Nebenjobs in einer Lagerhalle die Idee einer Band. Zwei sind dafür aber in der Regel zu wenig, also schalten sie im Januar 1986 eine der wahrscheinlich kuriosesten Stellengesuche in der Welt des Rock’n’Roll: Gesucht wurde jemand für den Bass mit Vorlieben für sowohl den Folk-Act Peter, Paul And Mary als auch für die seltsamen Alternative Punks von Hüsker Dü. Nur eine Person meldet sich auf die Annonce – und sie spielt nicht mal Bass: Kim Deal. Scheint kein Hindernis zu sein, die beiden nehmen sie mit offenen Armen in ihre Mitte auf.
Hinterlistige kleine Kobolde
Wenn eine Band schon so anfängt, ist entweder gar nichts oder eben doch Großes zu erwarten. Rasch noch einen Schlagzeuger gefunden, das Wörterbuch zufällig auf irgendeiner Seite aufgeschlagen und sich für den Namen Pixies entschieden – also diese hinterlistigen kleinen Kobolde aus der englischen Fabelwelt. Man probt in einer Garage, man spielt in Bostoner Bars, man entwickelt einen Sound, der an der anderen Küste der USA sehr bald zu einer Blaupause für das werden soll, was unter dem Namen Grunge in den Mainstream kracht wie eine schlechtgekleidete Rakete mit fettigen Haaren.
Nach einem Demo und einem Plattenvertrag beim angesehenen Alternative-Pulsmacher 4AD geht es für die Pixies Ende 1987 ins Studio. Das Vorhaben: Ein Debüt aufnehmen. Der Produzent: Steve Albini. Den kennt man in der Szene kaum, zuvor hat er kaum als Produzent gearbeitet. Später, klar, wird er mit Nirvana an In Utero arbeiten, aber 1987 sind es erneut die Pixies, die ihn bekannt machen sollen. Was in zwei verschiedenen Studios in Massachusetts entsteht, ist ein körperlicher, viszeraler, schroffer Sound voller anatomischer Referenzen und Anspielungen auf Selbstverletzung: Bone Machine, Break My Body oder Broken Face heißen die Songs, die die junge Band in diesen Tagen auf die Tape-Maschinen bannt. In Cactus geht es um einen Sträfling, der seine Freundin bittet, ihre Hand an einem Kaktus aufzuspießen, ihr Kleid mit Blut zu beschmieren und es ihm zu senden. Ganz normales Zeug also.
Gesangsaufnahmen im Badezimmer
Der karge, trockene Sound der Drums wird von metallisch sägenden Gitarren und einer Vielzahl menschlicher Laute kontrastiert – singen, schreien, krächzen, würgen, jaulen. Nicht oft harmonisch und melodisch, aber dann (wie bei Where Is My Mind?) so richtig. Laut/leise, hart/sanft, eingängig/abgefahren lauten die Devisen, auf die sich Band und Produzent sofort einigen können. Steve Albini erinnerte sich mal an das erste Treffen mit der Band, bei dem sie über den Sound der Platte sprachen: „Und am nächsten Tag waren wir auch schon im Studio.“
Zehn Tage hat man Zeit, 10.000 US-Dollar ist das Budget. 1.500 davon bekommt Steve Albini, der in alter DIY-Manier auf Royalties verzichtet. Allein in den USA soll sich die Platte über 700.000 Mal verkaufen – das nennt man dann wohl nackten Idealismus. Dafür erweist sich Steve Albini sozusagen als fünfter Pixie und lebt sich bei den Aufnahmen voll in seinen unorthodoxen Produktionsmethoden aus. Ist ja auch fair. Kim Deals Gesang auf Where Is My Mind? wird im Badezimmer aufgenommen, um mehr Echo zu bekommen, Black Francis nimmt seinen Gesang auch mal durch einen Gitarrenverstärker auf. Außerdem erlaubt er sich, Gespräche im Studio mitzuschneiden und unter die Songs zu legen. Ein genialer Kauz eben.
Urmutter des Grunge
Als das Album erscheint, wird es in den USA erst mal gepflegt ignoriert, während es sich in Großbritannien zum echten Hit mausert. Skurrilerweise war die Platte in den USA zunächst nur als UK-Import zu bekommen, wird dann aber auch in den Staaten nach und nach zu einem verehrten Underground-Juwel – klar, spätestens als MTV seine Klauen in den Grunge gräbt und alle langsam checken, was schon einige Jahre zuvor in Boston vor sich ging. Und dann ist da natürlich noch Where is My Mind?, diese geniale, schleppende, jenseitige Hymne an dissoziatives Verhalten, weltberühmt gemacht durch den Film Fight Club.
Heute gilt Surfer Rosa als Grunge-Blaupause. Kurt Cobain gab zu, dass Surfer Rosa der mit Abstand größte Einfluss auf Smells Like Teen Spirit war. „Ich wollte einen Pixies-Song schreiben“, sagte er mal. Auch das Verpflichten von Steve Albini geht auf diese Platte zurück. Ähnlich geht es PJ Harvey, die danach sofort mit Albini arbeiten will.
Und die Pixies? Machen es wie jede gute Band: Fangen an, ihre Stadt und sich selbst zu hassen, halten aber noch bis 1993 durch. Es reicht, um die Alternative-Rock-Welt für immer zu verändern.
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