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Popkultur

Zeitsprung: Am 5.5.2015 starten AC/DC die Rock Or Bust World Tour.

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Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 5.5.2015.

von Christof Leim

Keine einfachen Zeiten: Das Album mussten AC/DC schon ohne Bandchef Malcolm Young einspielen, dann steht der Drummer mit einem Bein im Knast. Zwischendurch wird Sänger Brian Johnson sogar permanent krankgeschrieben, Axl Rose übernimmt. Und trotz allem wird die Rock Or Bust World Tour ein Triumphzug. Am 5. Mai 2015 ging es los.

Hier gibt’s das Album dazu:

Die ganze Sache fühlt sich anders an: Für die Fans weltweit, vermutlich auch für die Band. Zum ersten Mal spielt Malcolm Young eine AC/DC-Tour von vornherein nicht mit. Der Rhythmusmotor hatte schon 2014 wegen einer Demenzerkrankung nicht mehr an den Aufnahmen für Rock Or Bust teilnehmen können. Die obligatorische Weltumrundung im Viervierteltakt kommt noch weniger in Frage. Zwar musste Malcolm sich schon 1988 auf der Tour zu Blow Up Your Video von seinem Neffen Stevie Young vertreten lassen, um seines eskalierenden Alkoholkonsums Herr zu werden, doch diesmal bleibt die Live-Feuerpause endgültig, nicht vorübergehend. Stevie hatte den Boss schon im Studio zu Rock Or Bust vertreten, jetzt wird er den Platz links vom Schlagzeug übernehmen.

Die Probleme des Phil Rudd

Doch noch ein Schlüsselspieler fehlt, als die Rock Or Bust World Tour am 5. Mai 2015 im niederländischen Arnheim startet: Schlagzeuger Phil Rudd war wegen Morddrohungen und Drogenvergehen in Konflikt mit dem Gesetz geraten. Deshalb spielt für ihn Chris Slade, der 1990 auf The Razors Edge und der folgenden Konzertreise getrommelt hatte. Schon beim auf Auftritt zur Grammy-Verleihung am 8. Februar sowie zwei Vorabshows am 10. und 17. April auf dem kalifornischen Coachella-Festival fehlen Phil und Malcolm. 

AC/DC zu Zeiten von „Rock Or Bust“: Cliff, Brian, Stevie, Angus. Phil fehlt schon. – Foto: James Minchin/Promo

Doch die Anhängerschaft hat trotz allem Vertrauen in die australische Boogie-Brigade: In Deutschland stellt die Band einen neuen Rekord auf: In 77 Minuten werden 300.000 Eintrittskarten verkauft. In Zürich dauert es sechs Minuten, bis alle Tickets weg sind. Es geht also gut los. Und AC/DC geben sich keine Blöße: Zwar stehen zwei Ersatzspieler auf dem Platz, wenn man so will, aber Chris Slade weiß, wie man bei AC/DC trommelt, und Stevie Young scheint einige Gene mit seinem Onkel Malcolm zu teilen: klein gewachsen, Zucken im rechten Bein, blitzsaubere Rhythmusgitarre. Und wenn Angus Young, Brian Johnson und Cliff Williams am Start sind, wie wird es dann wohl klingen? Genau. Nach AC/DC.

Alte Schätzchen auf der Setlist

Natürlich fährt das Quintett eine üppige Produktion auf: Riesiger Bildschirm hinter den Trommeln, eine lange Rampe ins Publikum, Licht, Pyros und die obligatorischen Kanonen. Die Welttour windet sich nach dem Start am 5. Mai 2015 in Arnheim zunächst bis Juli durch die größten Open-Air-Flächen Europas und gastiert alleine zwölfmal in Deutschland. Die Zuschauerzahlen liegen meistens weit jenseits von 50.000. Im August geht es in die Stadien nach Nordamerika, Vorgruppe für beide Tourabschnitte sind Vintage Trouble. Im November setzen AC/DC nach Ozeanien über, beginnend in ihrer ehemaligen Heimat, in Sydney, wo die Band 42 Jahre zuvor ihren ersten Gig gespielt hatte. Zu Weihnachten gibt’s ein paar Wochen Pause, dann geht es zurück in die USA. Die Maschine läuft, aber augenscheinlich mit Vernunft, denn zwischen den Terminen liegen viele „Off Days“ für Erholung.

Zur großen Freude der langjährigen Fans bietet die Setlist ein paar sehr nette Variationen, die in der Vergangenheit – womöglich auch Malcolms Erkrankung geschuldet – nicht möglich waren. Sicher, manche Nummern sind Pflicht, Großkaliber wie Back In Black, Hells Bells, Highway To Hell und wie sie alle heißen. Aber Have A Drink On Me, Hell Ain’t A Bad Place oder Sin City standen zuletzt selten auf der Liste. Vier neue Songs kommen zum Einsatz: Rock Or Bust immer, Play Ball und Baptism By Fire gelegentlich, Got Some Rock’n’Roll Thunder hier und da. Und ja, es gibt sogar ein paar Experimente und Versuche: Laut einer Statistik spielen die Burschen Rock’n’Roll Damnation, If You Want Blood (You Got It) und Live Wire. Jeweils einmal stehen sogar Dog Eat Dog und Problem Child auf dem Plan. Dreimal präsentieren uns AC/DC ein ganz besonderes Schätzchen: Touch Too Much von 1979, quasi noch nie live gespielt. Denn ein Mensch wünscht sich das Stück ganz feste: Axl Rose.

Brian raus, Axl rein

Und das kommt so: Nach dem Gig am 28. Februar 2016 in Kansas City muss Brian Johnson mit sofortiger Wirkung alle Liveaktivitäten stoppen, da ihm von medizinischer Seite völliger Gehörverlust prognostiziert wird. Daran soll allerdings trotz bereits einsetzender Probleme nicht der über drei Dekaden andauernde Dezibelorkan auf der AC/DC-Bühne schuld sein, sondern vor allem ein „Lärmunfall“ bei einem Autorennen, an dem der leidenschaftliche Fahrer Johnson teilgenommen hatte. So oder so: Brian muss nach Hause. Er selbst nennt den 7. März 2016 den „düstersten Tag seines professionellen Lebens“.

Nun wird es spannend: Der Chef von Guns N’ Roses, W. Axl Rose, liebt AC/DC inniglich – und bietet von sich aus seine Hilfe an. Am 19. April 2016 geht die Meldung raus, dass die Band die Tour mit Axl als Gast am Gesang beenden wird. Das ist schon ein dickes Ding: Eine der größten Rock’n’Roll-Combos der Welt und einer der ikonischsten Hard-Rock-Frontmänner machen gemeinsame Sache. Neugierige Anhänger und Anhängerinnen sind gespannt, wie das wohl klingt; viele Fans allerdings echauffieren sich so erwartungsgemäß wie ärgerlich noch vor dem ersten Einsatz. Dass die offiziellen Pressemeldung von AC/DC gegenüber Brian Johnson nach 36 Jahren „Dienst“ doch eher kühl klingen, spielt da sicher mit rein. (Eine Handvoll Interviews mit Cliff, Angus und Axl finden sich hier.)

The show must go on

Am 7. Mai 2016 geht die Rock Or Bust World Tour in Lissabon weiter; Axl muss wegen eines Knochenbruches auf einem Thron sitzen, den er sich von Dave Grohl geliehen hat. Die Meinungen über seine Eignung gehen auseinander, und oft hat das eher mit grundsätzlicher Attitüde als mit Zuhören zu tun. Beim Konzert in Düsseldorf am 15. Juni 2016 jedenfalls zeigt sich, dass Rose den Bon-Scott-Nummern den richtigen Swing gibt und die Brian-Johnson-Stück so hoch krähend singt wie der Erkrankte selber. Kurzum: Der Mann macht das richtig, richtig gut. Zudem hält sich er sich angenehm überraschend zurück und überlässt vor allem Angus das Scheinwerferlicht. Aber das ist mal wieder eine andere Geschichte, die noch an einigen Festivaltresen diskutiert werden wird. Der Vorteil für die Fans: Neue Songs, siehe oben. Wir stellen uns das so vor: Axl wird zum Fanboy, geht Angus während der zweiwöchigen Proben so lange auf die Nerven, bis der zustimmt, Touch Too Much rauszukramen. Hätten wir nicht anders gemacht. Danke, Axl. Können wir davon irgendwann bitte ein Livealbum haben?

Nach 86 Konzerten endet die Sause am 20. September in Philadelphia. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Nur eine andere Tour (von One Direction((LINK))) zog 2015 mehr Fans an, nur zwei andere Touren (One Direction und Taylor Swift) spielten mehr Geld ein. Insgesamt können AC/DC für die Weltreise 2015/2016 über 221 Millionen Dollar an Einnahmen verbuchen. Das sind über zweieinhalb Millionen pro Konzert. Wow.

Hoffnungsschimmer

Doch die Zukunft sieht weniger rosig aus: Während Axl zu Guns N’ Roses zurückkehrt, verkündet Cliff Williams seinen Ruhestand, Brian Johnsons Gesundheitszustand bleibt unklar, und Phil Rudd scheint zur Persona Non Grata geworden zu sein. Doch nur wenige Jahre später mehren sich Gerüchte, dass die Mannschaft, die das Album Rock Or Bust eingespielt hatte, also Angus, Brian, Cliff, Phil, Stevie, wieder im Studio arbeitet. Offizielles gibt es dazu wie üblich nicht, aber womöglich – und hoffentlich – bleibt diese Tour nicht die letzte. 

Zeitsprung: Am 28.6.2010 spielt Malcolm Young sein letztes Konzert mit AC/DC.

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