Popkultur
Alle Alben von Metallica im Ranking – die besten Platten der Bay-Area-Legenden
Die Alben einer Band nach ihrer Qualität zu ordnen, ist eine diskussionswürdige Angelegenheit. Zuletzt haben wir dieses Experiment bei den Beatles gewagt, nun sind Metallica dran. Unsere Auswahl gefällt euch? Sehr gut. Ihr seid anderer Meinung? Lasst sie uns wissen!
von Timon Menge
Jetzt in unserem Shop erhältlich:
10. ReLoad (1997)
Nach ihrem bahnbrechenden „Black Album“ schreiben Metallica so viel neues Material, dass sie als nächsten Schlag eine Doppelveröffentlichung planen. So sollen Load (1996) und ReLoad (1997) ursprünglich in einem Rutsch erscheinen, doch die Band entscheidet sich schließlich dagegen, weil James Hetfield und Co. nicht so viele Songs auf einmal aufnehmen möchten. Das hätten Metallica auch auf andere Art haben können. Sie hätten zum Beispiel das halbgare Material über Bord werfen und eine „Best Of Load & ReLoad“ veröffentlichen können. Das wäre sicher die bessere Platte geworden. Stattdessen müssen Metallica-Fans vor allem auf ReLoad eine Menge unfertiges Zeug ertragen (Bad Seed, Prince Charming, Attitude), um in den Genuss weniger Hits zu kommen (Fuel, The Memory Remains).
9. Death Magnetic (2008)
Als sich Metallica fünf Jahre nach St. Anger mit Death Magnetic zurückmelden, atmen weite Teile der Fangemeinde auf: Da sind sie wieder, die „alten Metallica“. Endlich spielt die Band wieder Thrash Metal, endlich hat Lars Ulrich die Snare wieder festgeschraubt. Mit Robert Trujillo haben die Legenden nach Jason Newsteds Ausstieg seit einigen Jahren einen neuen Bassisten dabei, der auf der neuen Platte für frischen Wind sorgen soll. Leider ist Death Magnetic aber vor allem eins: ein Nummer-sicher-Album. Man könnte auch sagen: Metallica haben sich dem Druck nach St. Anger gebeugt und ein Album eingespielt, dass auch Ende der Achtziger hätte entstehen können, um ihre traditionsbewussten Fans zu besänftigen. Das allein wäre aber noch kein Grund, die Platte auf den vorletzten Platz unseres Rankings zu verbannen, denn ein gutes Album ist ein gutes Album. Zusätzlich zu der musikalischen Wiederholung klingt Death Magnetic allerdings, als habe ein Tontechnikstudent im ersten Semester das Album gemastert. Ist euch mal aufgefallen, dass der Sound auf Death Magnetic fürchterlich übersteuert ist? Das liegt am sogenannten „Loudness War“, einem Phänomen in der Musikindustrie, bei dem die Lautheitspegel über die Jahre immer weiter angehoben wurden — auf Kosten der Dynamik, wie man an dieser Produktion wunderbar hören kann.
8. Hardwired … To Self-Destruct (2016)
2016 veröffentlichen Metallica mit Hardwired … To Self-Destruct ihr erstes Album seit acht Jahren und die Erwartungen liegen dementsprechend hoch. Pessimisten haben noch den grottigen Sound von Death Magnetic im Ohr, Puristen erhoffen sich einen weiteren Thrash-Klopper. Beide Parteien werden nicht enttäuscht, denn Hardwired … To Self-Destruct überzeugt nicht nur mit einem hervorragenden Sound, sondern verlässt auch wieder den musikalischen Schulhof und kombiniert den klassischen Metallica-Sound mit der nötigen Portion Avantgarde. Um in dieser Liste weiter vorne zu stehen, verlässt sich auch diese Platte zu sehr auf Altbewährtes, aber Metallica haben mit diesem Album immerhin unter Beweis gestellt, dass sie als Metal-Senioren nicht vorhaben, noch zehn weitere Death Magnetics zu veröffentlichen.
7. Load (1996)
Einen Teil der Geschichte dieser Platte haben wir eben schon beleuchtet, doch Load hat ReLoad gegenüber einen entscheidenden Vorteil: die stärkeren Songs. Mit Until It Sleeps, King Nothing, der Countryballade Mama Said und Bleeding Me steht der erste Teil der angedachten Doppelveröffentlichung deutlich besser da und lässt mit zwei geschlossenen Augen sogar Totalausfälle wie Poor Twisted Me und Thorn Within vergessen. Um den hochwertigsten Vertreter in der Metallica-Diskografie handelt es sich aber auch hier nicht.
6. St. Anger (2003)
Über St. Anger wurde schon so viel geschrieben und gesagt, dass es beinahe unmöglich erscheint, die Platte halbwegs unvoreingenommen unter die Lupe zu nehmen. Fakt ist: Das Album polarisiert. Die einen lieben die rohe Aggression und die Punk-Attitüde, die anderen hassen die fehlenden Gitarrensoli und den Mülltonnensound der Snare. Wie so oft, liegt die Wahrheit wahrscheinlich in der Mitte: Ja, St. Anger wirkt mitunter wie der unreife Schnellschuss einer Anfängerband. Und ja, der Sound ist, vorsichtig ausgedrückt, gewöhnungsbedürftig. Außerdem hätte Bob Rock wohl stärker intervenieren sollen, als es um die Länge der Songs ging, denn mindestens 30 % dieses Albums hätten sich Metallica sparen können. Auf der anderen Seite legen Metallica auf ihrer achten Platte so viel Spielfreude an den Tag und rotzen 75 Minuten voller Wut heraus, dass sie im Endeffekt genau das liefern, was sich viele Metallica-Fans so lange gewünscht haben: ein entfesseltes Metal-Donnerwetter, kompromisslos, schnörkellos und laut. Das mit dem Snare-Teppich erklären wir Lars nochmal, versprochen …
5. Kill ‘Em All (1983)
Als Metallica zu Beginn der Achtziger ihr Debüt Kill ‘Em All veröffentlichen, gleicht das einem Hurricane. Schnell, roh und laut zeigen die vier Langhaarigen der Welt, in welche Richtung der Metal steuert. Zeitgleich nehmen andere Truppen Fahrt auf, wie zum Beispiel Slayer, Anthrax, Megadeth, Exodus oder Testament, die damals noch Legacy heißen. Die neu geborene Thrash-Metal-Szene versprüht eine Energie, der man sich nicht entziehen kann, und läutet damit eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte ein. Noch heute gehören Metallica-Songs wie The Four Horsemen, Seek And Destroy, Whiplash, Hit The Lights und No Remorse zum Standard-Repertoire der Band. Kein Wunder: Für viele Metal-Fans gelten diese Klassiker als der große Anfang.
4. … And Justice For All (1988)
1988 hat sich bei Metallica viel geändert, denn mit Jason Newsted hatte die Band nach Cliff Burtons Tod einen neuen Bassisten an Bord geholt. Dass er auf … And Justice For All eigentlich noch gar nicht gebraucht wird, konnte Newsted bei seinem Einstieg ja noch nicht wissen. Doch trotz der unhörbaren Bassspuren gehört das vierte Metallica-Album selbstverständlich zu den Meilensteinen der Metal-Geschichte. Hier loten die vier Musiker aus, wie weit sie das Pattern ihres Meisterwerks Master Of Puppets treiben können und merken: Die Grenze ist erreicht. Dennoch: Wenn eine der besten Metalbands aller Zeiten ein Metalalbum schreibt und dafür eins der besten Metalalben aller Zeiten als Blaupause benutzt, kann das Ergebnis so schlecht nicht werden. … And Justice For All ist der Beweis dafür.
3. Metallica (1991)
Metallica spaltet die Gemüter. Was die Verkaufszahlen betrifft, gibt es keinen Zweifel daran, dass das sogenannte „Black Album“ nicht nur das erfolgreichste Metallica-Album aller Zeiten ist, sondern auch eins der erfolgreichsten Heavy-Alben überhaupt — sofern man Led Zeppelin, AC/DC und Meat Loaf in die gleiche Kategorie einsortieren möchte, denn nur diese drei Interpreten liegen in der Liste der meistverkauften harten Alben aller Zeiten vor Metallica. Eine der Geheimwaffen, die den Erfolg der „Schwarzen“ ermöglicht haben: Produzent Bob Rock, der auch an Dr. Feelgood von Mötley Crüe und als junger Tontechniker sogar an Slippery When Wet von Bon Jovi mitgearbeitet hat. Anders gesagt: Der Mann weiß, wie man Hit-Alben produziert. Nichts anderes gelingt ihm mit Metallica und deren fünfter Platte. Grammy Awards, Millionen verkaufter CDs, eine dreijährige Welttournee, unsterbliche Klassiker wie Enter Sandman, Sad But True und Nothing Else Matters: Mit Metallica räumen unsere Metal-Giganten alles ab, was es abzuräumen gibt. Völlig zurecht.
2. Ride The Lightning (1984)
Auf ihrem zweiten Album Ride The Lightning bewahren sich Metallica ihre jugendliche Aggression, stellen aber auch unter Beweis, dass sie erwachsener geworden sind. Ob der Opener Fight Fire With Fire oder Klassiker wie For Whom The Bell Tolls, Creeping Death und das Instrumentalstück The Call Of Ktulu: Statt eine Riffsalve nach der anderen abzufeuern, wie es bei Kill ‘Em All teilweise noch der Fall war, arbeiten Metallica ihre Songs zum ersten Mal richtig aus und treten zwischendurch auch mal auf die Bremse, um der Naturgewalt ihres Sounds anschließend erst recht freien Lauf zu lassen. Das beeindruckt vor allem deshalb, weil zwischen Kill ‘Em All und Ride The Lightning bloß ein Jahr liegt. Angesichts der internen Veränderungen überrascht der Sprung aber schon weniger, denn während Kill ‘Em All vor allem aus den Federn von James Hetfield, Lars Ulrich und Ex-Gitarrist Dave Mustaine (jetzt: Megadeth) stammt, legen auf Ride The Lightning auch Bassist Cliff Burton und Gitarrist Kirk Hammett Hand an und geben dem Songwriting damit eine neue Richtung. Das Ergebnis: ein rundes Gesamtwerk, das fast das beste Album ihrer Diskografie geworden wäre. Aber nur fast …
1. Master Of Puppets (1986)
Master Of Puppets führt nicht nur die Liste der besten Metallica-Alben an, sondern rangiert auch mindestens in der Top 5 der besten und wichtigsten Metal-Alben aller Zeiten. Hier perfektionieren James Hetfield, Lars Ulrich, Kirk Hammett und Cliff Burton, was sie auf Ride The Lightning begonnen haben: erwachsenes und feinsinniges Songwriting gepaart mit jugendlichem Leichtsinn und aggressivem Biss. Von Battery über den Titeltrack bis hin zu Disposable Heroes und dem achteinhalbminütigen Instrumentalstück Orion: Bis heute kann der Einfluss dieses Albums auf die Metal-Welt kaum überschätzt werden. Die komplette Geschichte hat Kollege Christof Leim hier aufgeschrieben: Metallica – Master Of Puppets
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Popkultur
Zeitsprung: Am 9.6.1982 trotzen Mötley Crüe einer Bombendrohung. Oder doch nicht?
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 9.6.1982.
von Christof Leim
1982 machen sich Mötley Crüe auf in den amerikanischen Norden zur Crüesing Through Canada Tour ’82. Seit dem Vorjahr steht ihr erstes Album Too Fast For Love in den Läden, jetzt soll die Musik unter die Leute. Allerdings scheint in Edmonton jemand etwa dagegen zu haben – und droht, die vier Krachmacher in die Luft zu sprengen…
Hört hier in das Mötley-Crüe-Debüt Too Fast For Love rein:
Bei der Polizei von Edmonton geht die die telefonische Drohung ein, das Leben der Musiker sei in Gefahr, wenn sie am 9. Juni 1982 auf die Bühne gehen. An diesem Tag sollen Mötley Crüe ihre dritte Show in einem Club namens Scandals spielen. Doch Bassist und Bandchef Nikki Sixx lässt sich davon nicht beeindrucken und sagt in einem Nachrichtenbeitrag der CBC News: „Uns ist das egal. Wir sind hier, um allen eine gute Show zu bieten. Wer daran keinen Spaß hat, muss sich das nicht anschauen.“
Glücklicherweise verläuft das Konzert ohne Zwischenfall, Mötley Crüe spielen sogar noch zwei weitere Gigs in der Stadt in einem anderen Laden namens Riviera Rock Room. Der Mut der Band hat sich also ausgezahlt und bringt nicht nur 1000 Punkte an „street credibility“, sondern auch Presseberichte in Kanada und zu Hause in Kalifornien.
Mötley Crüe früher. Ganz früh.
Was eine verdammt coole Band also, was? Wirklich? Natürlich nicht. Wie sich später herausstellt, wurde die Bombendrohung vom Management der Truppe lanciert, um Aufmerksamkeit zu generieren. Eine PR-Aktion, nichts weiter, und sie funktioniert hervorragend. Die Show ist eben alles. Dem Tod kommt Nikki Sixx erst fünf Jahre später so richtig nahe, aber das ist eine andere Geschichte (die hier steht).
Immer Chaos
Über zu wenig Action während ihrer Kanadareise können sich Mötley Crüe allerdings nicht beschweren. Das ging schon los am Flughafen von Edmonton, wie Sänger Vince Neil in seiner Autobiografie Tattoos & Tequila schreibt: Bei der Einreise werden die Musiker nämlich erstmal verhaftet. Warum sie in ihrem Bühnenoutfit – Leder, Schminke, High Heels, Haare bis zur Decke – durch die Zollkontrolle laufen, kann drei Dekaden später wohl niemand mehr so richtig erklären. Die kanadischen Behörden stellen sich solche Fragen gar nicht erst und konfiszieren kurzerhand sämtliche Nietengürtel und Lederarmbänder, und Vince darf nicht mal seine Reiselektüre behalten (Playboy, Hustler, wegen der Interviews). Ansonsten gibt es Kloppereien mit Hockeyspielern, die ja in Kanada an jeder Ecke rumstehen, wie man weiß, aber dummerweise besser ausgerüstet sind. Außerdem fliegen ganz klassisch Fernseher aus Hotelfenstern. Man hat ja einen Ruf zu verlieren beziehungsweise aufzubauen. Wir würden uns nicht wundern, wenn das alles ebenso PR-Aktionen gewesen wären. Ein Einschätzung, die Vince Neil übrigens teilt. Immerhin hat sich diesmal niemand selbst angezündet oder als Doppelgänger von Nikki Sixx ausgegeben. Aber so läuft das wohl im Showgeschäft, was?
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Zeitsprung: Am 17.2.1988 zündet sich ein Mötley-Crüe-Fan selber an. Aua!
Popkultur
„Come On“: Die erste Single der Rolling Stones wird 60 Jahre alt!
Schon mit ihrem ersten veröffentlichten Song Come On landeten die Rolling Stones einen Hit. Auch wenn er aus der Feder einer anderen Rocklegende stammt: Chuck Berry. Später konnten Mick Jagger und Co. die Nummer noch nicht einmal mehr leiden. Am 7. Juni 1963 erschien die Single in Großbritannien.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Come On von den Rolling Stones anhören:
Schon als sich Mick Jagger und Keith Richards Ende 1961 auf der Zugfahrt von Dartford nach London kennenlernen, kann man erahnen, welche Musik die beiden einmal spielen werden. So trägt Jagger ein paar Blues-Platten von Muddy Waters und Chuck Berry mit sich herum. Richards überlegt, ob er den schlaksigen jungen Mann überfallen und die Platten klauen soll — entscheidet sich dann aber doch für ein Gespräch über die Musik. Wenig später gründen die beiden eine gemeinsame Band. Sie soll sich zu einer der größten in der Rockgeschichte entwickeln: The Rolling Stones — ein Name, der von Muddy Waters inspiriert ist. Der erste Song, den die Gruppe aufnimmt: Come On von Chuck Berry.
Come On: Die erste Single der Rolling Stones
Das Original nimmt Berry im Jahr 1961 in den Chicagoer Chess Studios auf. Gerade einmal 1:53 Minuten dauert der Song. Doch die kurze Zeit reicht der Gitarrenlegende, um einen gekonnten Rumba hinzulegen und einen weiteren Beitrag zur Konstruktion des Rock’n’Roll zu leisten. Inhaltlich geht es in dem Stück Blues-typisch um einen Kerl, bei dem wirklich alles schiefläuft: Seine Freundin hat ihn verlassen, der Wagen springt nicht an und arbeitslos ist er auch noch. Es sind Themen, mit denen sich offenbar auch die jungen Rolling Stones identifizieren können. Im Mai 1963 fahren sie mit einem Bus in ein Aufnahmestudio der Plattenfirma Decca und covern Come On.
„Der Song war seicht, aber auch sehr poppig“, erinnert sich Gitarrist Richards in According To The Rolling Stones. „Wir nahmen Come On zusammen mit mehreren Bo-Diddley-Songs auf. Die Nummer wurde wahrscheinlich ausgesucht, weil sie chartorientierter war.“ Vermutlich hätten einige Mitarbeiter von Decca Records die Entscheidung getroffen. „Uns war das egal“, ergänzt Richards. „Wir wollten einfach eine Single veröffentlichen.“ Tatsächlich gelingt mit Come On ein größerer Erfolg als erwartet. Nach dem Release am 7. Juni 1963 steigt der Song auf Platz 21 der britischen Single-Charts ein — und ebnet den Weg für ein jahrzehntelanges Rockmärchen.
Ein unliebsamer Startschuss für eine große Erfolgsgeschichte
Live findet der Song nach der Veröffentlichung kaum statt. Das liegt daran, dass Come On nicht gerade zu den Lieblingsstücken der Stones gehört. Gitarrist Ronnie Wood findet die Nummer zwar super, wie er in einem Interview verrät: „Meiner Meinung nach ein brillanter Song. Ich mag auch das Original von Chuck Berry.“ Mick Jagger) äußert laut Bill Wymans Rolling Stones Story allerdings: „Ich glaube nicht, dass Come On sehr gut war — es war scheiße. Weiß Gott, wie der Song in die Charts kam; es war ein Hype. Wir mochten das Stück so wenig, dass wir es bei keinem Gig spielten.“ Genau das sorgt kurze Zeit später noch für Ärger.
Was das britische Magazin NME über Come On und die B-Seite I Want To Be Loved von Willie Dixon zu sagen hatte
Als Stones-Manager Andrew Oldham mitbekommt, dass seine Schützlinge Come On auf der Bühne boykottieren, flippt er aus. „Er drehte durch, weil wir Come On nicht spielten“, erinnert sich Bassist Bill Wyman. „Er befahl uns, den Song bei jeder Show zu bringen.“ Das machen die Stones dann auch — allerdings nicht lange. Von der fertigen Single erhalten die Musiker damals übrigens nur vier Stück; weitere Exemplare müssen sie aus eigener Tasche bezahlen. Unvorstellbar, dass eine der größten Rockbands des Planeten einmal so stiefmütterlich behandelt wurde. Heute sind die Stones schon lange Legenden. Angefangen hat der Erfolg mit ihrer ersten Single Come On am 7. Juni 1963.
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Popkultur
Zum Pride Month: Die queeren Wurzeln des Rock
Rock ohne die LGBTQ+-Community? Undenkbar. Ob die frühen Anfänge im Blues, die Erfindung des Rock’n’Roll, Glam Rock oder Heavy Metal: Die Geschichte der Rockmusik erstrahlt in bunten Regenbogenfarben. Wir haben die queeren Wurzeln des Rock für euch unter die Lupe genommen. Erster Halt: die 1910er-Jahre!
von Timon Menge
Man mag es bisweilen vergessen haben oder verdrängen, aber es gab in der Geschichte der Menschheit lange Zeiten, in denen die Mitglieder der LGBTQ+-Community ihre Identität für sich behalten mussten, weil ihnen sonst juristische Verfolgung oder gar der Tod drohte. Noch schlimmer: In Teilen der Welt ist es bis heute so, zum Beispiel in Jamaika oder Uganda. Zusätzlich herrschen vielerorts mehr oder minder unterschwellige Ressentiments gegenüber der LGBTQ+-Gemeinschaft. Dafür muss man sich nur einmal eine Kommentarspalte zu einem Artikel mit dem entsprechenden Thema anschauen. Eine der Lösungen ist, der Community zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen, ob von innen oder von außen. Ein traditionell gutes Mittel dafür ist die Kultur — im Speziellen die Musik.
Ma Rainey und Bessie Smith: Die „Bisexual Queens Of The Blues“
Zu den vielleicht ersten öffentlichen Ikonen der LGBTQ+-Community gehören die beiden bisexuellen Blues-Sängerinnen Ma Rainey und Bessie Smith. Sie lernen sich 1912 während einer Minstrel Show kennen, einer Art Wanderzirkus, der weiße US-Bürger*innen unterhält, indem auf der Bühne Schwarze Stereotype präsentiert werden. Meistens kommt dabei das sogenannte Blackfacing zum Einsatz, bei dem sich weiße Darsteller*innen ihre Gesichter dunkel anmalen und Schwarze als naive Sklaven zeigen, die ihre Besitzer*innen trotz aller Misshandlungen lieben. Es gibt allerdings auch Schaustellergruppen wie die Rabbit Foot Minstrels, zu denen Rainey und Smith gehören, und die ausschließlich aus Schwarzen Mitwirkenden bestehen.
Für Rainey und Smith ist die Wander-Show ein Karriere-Katalysator. Heute gelten beide zurecht als Blues-Legenden und werden sogar als „Bisexual Queens Of The Blues“ betitelt. Das liegt zum Beispiel daran, dass sie quasi den Soundtrack zu einem großen US-amerikanischen Umbruch liefern. So strömen in den 1910er- und den 1920er-Jahren viele US-Bürger*innen vom Land in die wachsenden Großstädte, wo bisher grundlegende Gesetze des Zusammenlebens neu verhandelt werden. Kultur, soziale Fragen, Politik, Kriminalität, Sexualität: Alles verändert sich und Künstler*innen wie Ma Rainey und Bessie Smith bilden die Veränderungen in ihren Songs ab. So lautet ein Auszug aus dem Text von Prove It On Me Blues von Ma Rainey:
They say I do it, ain’t nobody caught me
Sure got to prove it on me;
Went out last night with a crowd of my friends,
They must’ve been women, ’cause I don’t like no men.
Sister Rosetta Tharpe: Die „Godmother Of Rock And Roll“
Während der Transformation des Blues zum Rock spielt vor allem eine Schwarze, queere Musikerin eine entscheidende Rolle: Sister Rosetta Tharpe, eine der frühen Frauen des Rock’n’Roll. Schon mit vier fängt sie an, Gitarre zu spielen. Später kombiniert sie die Gospelmusik ihrer Kindheit mit ihrer verzerrten Gitarre sowie ihrem ausdrucksstarken Gesang und legt damit einen wichtigen Grundstein für die Entstehung des Rock’n’Roll. In ihren Texten singt sie über Themen wie Sexualität und Liebe und lebt offen in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung. Das dürfte sie nicht nur einmal in Schwierigkeiten gebracht haben — dennoch feiert sie als Musikerin große Erfolge. Heute, also noch 50 Jahre nach ihrem Tod, gilt die „Godmother Of Rock And Roll“ als Ikone der LGBTQ+-Community.
Little Richard: Der „Architect Of Rock And Roll“, der seine Meinung änderte
Auch Little Richard, der übrigens von Sister Rosetta Tharpe entdeckt wird, gehört zu den frühesten Sprachrohren der LGBTQ+-Community. Als Schwarzer homosexueller Mann aus dem Süden der Vereinigten Staaten ist ihm vermutlich fast jedes Vorurteil schon einmal begegnet. Dennoch steht der „Architect Of Rock And Roll“ für seine Sexualität ein und lebt sie mehr oder minder offen aus. So lautet der Text seines größten Hits Tutti Frutti ursprünglich:
Tutti Frutti, good booty
If it don’t fit, don’t force it
You can grease it, make it easy
Für die Änderung der Lyrics in „Tutti Frutti, aw rooty“ sorgt Produzent Robert Blackwell, der sich wegen des eindeutigen Originaltextes Sorgen macht. Ab Anfang der Achtziger vollzieht Little Richard leider eine 180-Grad-Wende, spricht sich in der TV-Show Late Night With David Letterman öffentlich gegen das Schwulsein aus und bezeichnet Homosexualität noch 2017 als „unnatürlich“. Sie widerspreche „Gottes Willen“.
Musicals und der Broadway
Einen besonderen Stellenwert in der Musikhistorie der LGBTQ+-Community nehmen auch Musicals und der Broadway ein. So leben Komponisten wie Marc Blitzstein schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts offen schwul und prägen die Bühnenwelt maßgeblich. Die lesbische US-Theaterproduzentin Cheryl Crawford gründet unter anderem die Schauspielschule Actors Studio, an der zum Beispiel Marlon Brando, James Dean, Marilyn Monroe, Al Pacino, Robert De Niro, Dustin Hoffman und Jack Nicholson ausgebildet werden. Einen der größten Meilensteine im LGBTQ+-Theater markiert die Rocky Horror Show, die am 19. Juni 1973 am Londoner West End Premiere feiert, und bei der es sich um eine der berühmtesten Travestie-Shows der Welt handeln dürfte.
Disco und der Christopher Street Day
Genau wie in der Welt der Musicals findet die LGBTQ+-Community auch in der Disco einen Heimathafen. Ihren Ursprung haben die Tanzlokale im Zweiten Weltkrieg, als es jungen Menschen durch die Nazis untersagt war, Swing- und Jazzmusik aus den Vereinigten Staaten zu hören. In den späten Sechzigern schwappt der Trend über den großen Teich, wo vor allem Afroamerikaner*innen, die Schwulenszene und Latinos in die Diskotheken strömen. In der Bar Stonewall Inn in der Christopher Street in New York City kommt es am 29. Juni 1969 zu den sogenannten Stonewall-Unruhen, bei denen die Bar um 1:20 Uhr nachts von Polizeibeamten gestürmt wird. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und dem LGBTQ+-Publikum der Bar schockieren. In Gedenken an die Ereignisse feiern wir heute deshalb jedes Jahr den Christopher Street Day. Ihren Höhepunkt erreicht die Disco-Ära ab Mitte der Siebziger mit Künstler*innen wie Grace Jones und dem Film Saturday Night Fever.
Glam Rock und Heavy Metal: Die LGBTQ+-Community in der Radaumusik
Nachdem Ma Rainey, Bessie Smith, Sister Rosetta Tharpe und Little Richard die Grundsteine dafür gelegt hatten, bleibt die LGBTQ+-Community auch weiterhin ein wichtiger Einfluss auf die Rockwelt. Da wären zum Beispiel Marc Bolan und David Bowie, die mit der Erfindung des Glam Rock Rollenmuster aufbrechen und androgyne Alter Egos erfinden. The Kinks thematisieren in ihrem Song Lola das Thema Transsexualität. Charismatische Künstler wie Freddie Mercury und Elton John sind weit oben auf der Spitze des Rockolymp zu finden und prägen das Genre nicht nur durch ihr grenzenloses Können, sondern auch durch ihre kreativen Kostüme. Und der homosexuelle Judas-Priest-Sänger Rob Halford erschafft die Metal-Mode, indem er sich am Dresscode der Sadomaso-Szene orientiert. Die Einflüsse der LGBTQ+-Community sind überall — und wir verdanken ihr einen großen Teil dessen, was wir heute unter Rockmusik verstehen.
Die Achtziger und Neunziger: LGBTQ+ im Mainstream sorgt für Homophobie
In den Achtzigern und Neunzigern explodiert der Einfluss der LGBTQ+-Community auf die Pop- und Rockmusik. Ob Culture Club, Wham!, die Pet Shop Boys, Cher, Blur, Cyndi Lauper, Madonna, Prince oder Frankie Goes To Hollywood: Zum ersten Mal ist die Szene in der Mitte des Mainstreams angekommen. Leider ruft das auch jede Menge Gegenwind auf den Plan. So führt die britische Premierministerin Margaret Thatcher in den Achtziger-Jahren einen offenen Krieg gegen die LGBTQ+-Gemeinde. Das HI-Virus und AIDS werden öffentlich als „Schwulenpest“ verschrien. Nach gefühlten Schritten in die richtige Richtung erleidet der Kampf für die Akzeptanz der LGBTQ+-Community große Rückschläge. Doch die Bewegung gibt keine Ruhe und sorgt Stück für Stück dafür, dass sie akzeptiert wird. Erschreckend: Erst seit 1994 ist es in Deutschland nicht mehr illegal, homosexuell zu sein.
Mit Musik zu mehr Aufmerksamkeit und Toleranz
Heute sind wir zum Glück so weit, dass es selbst in den konservativsten Musikrichtungen eine LGBTQ+-Community gibt, was Country-Künstler*innen wie Orville Peck und Sarah Shook & The Disarmers unter Beweis stellen. Doch es ist auch offenkundig, dass es noch viel Arbeit zu tun gibt, bis die Sexualität von Musikerinnen und Musikern einfach keine Rolle mehr spielt. Die Lösungen dafür sind Sichtbarkeit, Aufklärung und Toleranz. Dafür war und ist die Musik eins der besten Hilfsmittel. Das Beste, was wir tun können, ist, die LGBTQ+-Community ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, bis auch der oder die Letzte verstanden hat, dass Gender, Liebe und Sexualität mindestens so bunt sind wie die Pride-Flagge.
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6 Anekdoten, die nur aus dem Leben von Keith Moon stammen können
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Zeitsprung: Am 21.4.1959 kommt Robert Smith von The Cure zur Welt.
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Herzschmerz, Todesfälle und der Wunsch nach Frieden: 20 Rockballaden für die Ewigkeit
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„Bohemian Rhapsody“: Die Geschichte des Klassikers, für den Queen alle Regeln brachen