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Popkultur

Zeitsprung: Am 17.7.1968 erscheint das erste Album von Deep Purple.

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Foto: Cover

Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 17.7.1968.

von Matthias Breusch und Christof Leim

Das erste Album von Deep Purple entsteht an einem kurzen Wochenende im Mai 1968. Die Songs müssen live auf den Punkt kommen, denn es gibt nur vier Aufnahmespuren – für abgezockte Studiomusiker kein Problem. Shades Of Deep Purple erscheint am 17. Juli 1968 und wirft mit Hush sogar einen ersten Singlehit ab.

Hier könnt ihr das Album in voller Länge genießen: 

Die Vorgeschichte zum ersten Deep-Purple-Album hat es in sich. 1968 befreit sich eine ganze Generation radikal vom Spießermief der Nachkriegsjahre. Pink Floyd, Frank Zappa, Black Sabbath und Led Zeppelin stehen in den Startlöchern zu Weltkarrieren. Jimi Hendrix erreicht als Gitarrenrevolutionär den Gipfel, Experimente aller Art brechen sich Bahn. 

Ein Plan für eine neue Band

Chris Curtis, Drummer der Searchers, gestählt durch die brutale Arbeitsatmosphäre im Hamburger Star Club und gesegnet mit 14 UK-Hitsingles, hat Ende 1966 die Idee zu einer Gruppe namens The Roundabout. Der Visionär sieht ein Band-Karussell mit kleinem Kern an fester Besetzung und diversen musikalischen Gästen. Diese sollen, je nach Song und Laune, unterschiedliche musikalische Experimente anpacken.

Die erste Besetzung von Deep Purple: Rod Eans, Jon Lord, Ritchie Blackmore, Nicky Simper, Ian Paice – Foto: Evening Standard/Hulton Archive/Getty Images

Dieses Konzept und die Möglichkeiten des Musikgeschäfts faszinieren wiederum Tony Edwards, wohlhabender Spross einer Londoner Fabrikantenfamilie. Edwards bietet Curtis an, The Roundabout zu finanzieren, und macht Nägeln mit Köpfen, indem er zwei ihm vertraute Geschäftsleute ins Boot holt: Ron Hire und den Marketingexperten John Coletta. Die drei Herren formieren sich zu HEC Enterprises (Hire-Edwards-Coletta) und bilden damit den Kern des späteren Deep-Purple-Managements. Hire überlebt allerdings nicht einmal das erste Jahr. Als er wegen Hehlerei verhaftet wird, kaufen Edwards und Coletta seine Anteile auf.

Rampensau mit Lebenslauf

Seinen musikalischen Direktor findet Curtis in einem Pianisten und Organisten namens Jon Lord. 1966 bekommt der zum ersten Mal eine Hammondorgel in die Finger. Aus praktischen Gründen zerlegt er das Monster gleich in zwei Teile, damit er es ohne Bandscheibenschäden zu Gigs transportieren kann. Im Sommer 1967 entsteht eine Band namens The Flowerpot Men. Lord trifft hier auf Bassist Nick Simper. Im Januar 1968 steht eines Tages Ritchie Blackmore mit einer Akustikgitarre vor Lords Tür. Den Kontakt hat Simper hergestellt. „Blackie“ ist erst 23, aber längst mehr als nur ein Geheimtipp in Londons Musikszene. In seiner Vita stehen schon Hunderte von Studiosessions, dazu etliche Ochsentouren durch Kellerbars als Leadgitarrist von verrückten Rampensäuen wie Jerry Lee Lewis, Gene Vincent und Screaming Lord Such. 

Lord und Blackmore schreiben auf Anhieb zwei Songs zusammen: And The Adress und Mandrake Root. Beide Nummern landen später auf dem Purple-Debüt. Zur gleichen Zeit verabschiedet sich Initiator Curtis. Sein Roundabout-Konzept ist zu vage aufgestellt. HEC sind nicht länger an der Finanzierung von Curtis’ Phantasien interessiert, halten aber an der Kombination Lord-Simper-Blackmore fest. 

Rod Stewart hat’s nicht drauf

Tony Edwards mietet Deeves Hall, ein abgeschiedenes Landhaus in Hertfordshire, für Jam-Sessions und gemeinsames Kennenlernen. Außerdem stiftet er die stattliche Summe von 10.000 Pfund zum Kauf von Equipment und bucht im März ’68 eine Annonce im Melody Maker, die ambitionierten Sängern „zwei Monate gut bezahlter Arbeit“ verspricht. 60 Kandidaten werden durch Auditions geschleust, darunter der noch unbekannte Rod Stewart, der den Ansprüchen der drei anderen jedoch nicht gerecht wird. 

Der 19-jährige Drummer Ian Paice, den Blackmore bereits Jahre zuvor auf einer Nordseefähre kennengelernt hat, als beide auf dem Weg zu Jobs in Hamburger Clubs waren, wird von einem weiteren Kandidaten mitgebracht, dem 21-jährigen Sänger Rod Evans. Damit steht die Mark-I-Besetzung von Deep Purple. Unverzüglich stielt Tony Edwards die Aufnahmen zum ersten Album ein. Blackmore gewinnt Derek Lawrence als Produzenten, einen Toningenieur der Abbey-Road-Studios. 

Deep Purple wird geboren

Um sich aufzuwärmen, reist die Band für elf Shows nach Skandinavien. Der erste Auftritt findet am 20. April 1968 im dänischen Tastrup statt. Der Name Roundabout überlebt die Minitour nicht. Ritchie bringt Deep Purple ins Spiel, den Lieblingssong seiner Oma, ein Klavierstück aus den dreißiger Jahren, das in den Fünfzigern in Britannien populär wurde. 

Die Rückseite der Platte

Am 11. Mai werden schließlich die Pye Studios in London gerockt. Das vorwiegend von Single-Veröffentlichungen geprägte Zeitalter neigt sich dem Ende entgegen: Shades Of Deep Purple wird der erste Langspieler im Katalog des amerikanischen Labels Tetragrammaton. Der Band steht gerade eben ein Wochenende zur Verfügung, um die Songs unter Livebedingungen im Vierspur-Verfahren einzuspielen. Die Soundeffekte zwischen den Lieder entnimmt Lawrence schlicht einem frei erhältlichen BBC-Album. Sampling der Pionierjahre, sozusagen.

Hush wird zum Hit

Die Band favorisiert zunächst ihr Arrangement des Beatles-Songs Help als erste Auskopplung. Das Label besteht jedoch auf Hush, einer Joe-South-Nummer, die dank Blackmores Initiative auf dem Album gelandet ist. Eine weise Entscheidung, denn amerikanische Radiostationen nehmen den tanzbaren Kraftgroover begeistert auf. Am Ende landet er auf Platz vier der US-Charts. Das Album erscheint am 17. Juli 1968 und schafft es in den Vereinigten Staaten bis auf Platz 24. Auch die dritte Coverversion des Albums, Hey Joe, sorgt für Aufmerksamkeit. Jimi Hendrix zieht in Interviews den Hut vor der spielerischen Klasse der Neuaufnahme, Paul McCartney legt noch ein Lob für die Help-Variante oben drauf. 

Auf der britischen Insel bewegt sich hingegen wenig bis nichts. Außerdem tut sich vor der ersten US-Tour eine Pause auf, weil die Band nicht gerade üppig gebucht wird. Was macht man in einem solchen Fall? Urlaub in Mesopotamien? Keineswegs: Man nimmt einfach noch ein Album auf, erneut mit einem Mix aus Eigenkompositionen und eigenwilligen Cover-Arrangements, eingefangen mit einem glasklaren, knackigen und definierten Sound. The Book Of Taliesyn erscheint schon im Oktober 1968 – und ist wie immer eine andere Geschichte…

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