Popkultur
Rocking Halloween: 11 Rock-inspirierte Kostümideen
Zierkürbisse sprengen die Supermarktregale und Netflix schlägt wieder alte Gruselklassiker vor: Richtig, Halloween steht vor der Tür. Wirklich schaudern dürfte es die meisten jedoch eher beim Gedanken an eventuelle Kostümpartys. Dabei gibt es so viele Rockstars mit einprägsamen Looks… Wir haben zum Fest der Geister mögliche Kostümideen ausgewählt:
von Victoria Schaffrath
Neunziger-Rock: Slash & Axl Rose
An den Neunzigern scheiden sich die Geister: Für die einen gibt es dank des Grunge ein Rock-Revival, für die anderen fällt das Jahrzehnt besonders modisch durch. Dass Axl Rose und Slash von Guns N’ Roses zu den rotzigsten und coolsten Stars der Dekade gehören, steht allerdings außer Frage.
Slash
Herrlich „90ies“: Slash in voller Montur auf einer Autogrammkarte.
Must-have: der ewige, überlebensgroße Zylinder
Slash (bürgerlich Saul Hudson) bestach in den Neunzigern meist durch eine körperbetonte, schwarze Lederhose und dunkle T-Shirts mit Aufdruck, ab und an durfte auch mal ein „Schiesser Feinripp“ ran. Lockenmähne und Les Paul im Anschlag machen den Gitarristen unverkennbar, doch im Zylinder mit Metallplaketten offenbaren sich wahre Slash-Expert*innen. Der Grund für die Kopfbedeckung fällt weniger lässig aus, als man meint: „Ich war vor Publikum immer ein wenig nervös“, gibt er zu. „Durch den Hut fühle ich mich wohler.“ Optional ergänzt man das Outfit durch eine Jeansjacke oder -weste.
Bonus: Eine schwarze oder verspiegelte Pilotenbrille
Axl Rose
Must-have: Ein rotes Bandana
Axl Rose ging da schon etwas mehr in die Vollen: Am liebsten mögen wir seinen Look mit Trikot und Liebestöter, aber wir verstehen schon, wenn das im Oktober für schlotternde Knie sorgt. Wie bei Kollege Slash tut es für Axl auch ein bedrucktes Shirt, hier jedoch mit zerrissener Jeans. Ein breit gelegtes, um den Kopf gewickeltes Rocker-Bandana in rot oder schwarz begleitet den Sänger damals wie heute, dicht gefolgt vom um die Hüften geknoteten Holzfällerhemd.
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Bonus: Kariertes Hemd und Sonnenbrille auf dem Bandana
Goth-Look: Robert Smith
Ein bisschen Weltschmerz schadet nie: Wer an Halloween ein wenig in den Farbtopf greifen will, findet hier einen Musiker mit hohem Wiedererkennungswert.
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Must-have: Schwarzer Kajal und rote Lippen
„Ich fand mein Gesicht nichtssagend und leer. So wollte ich nicht aussehen.“ Robert Smith von The Cure erkennt man ohne schwarzen Kajalstift um die Augen und roten Lippenstift kaum wieder. Die Haare dürfen dazu ganz New-Wave-mäßig kräftig antoupiert werden, die Klamotte fällt mit einem weißen oder schwarzen Hemd schlichter aus. Tipp: Auf Fotos schüchtern in die Kamera blinzeln.
Bonus: Schwarzes Haarspray
Grunge-Stars: Kurt Cobain & Courtney Love
Auch das Königspaar des Grunge gibt sich auf dieser Liste die Ehre, denn nie sahen Klamotten von der Heilsarmee so gut aus wie an den Existenz-geplagten Leibern von Cobain und Love. Die Outfits aus zweiter Hand gaben dem Grunge und seiner Haltung besonderen Nachdruck oder kommentierten im Falle von Loves Marilyn-Monroe-Looks sogar die amerikanische Faszination mit Berühmtheit.
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Kurt Cobain
Must-have: Schlabberpulli
Sucht man im Wörterbuch nach „cool“, findet man da relativ sicher ein Foto von Kurt Cobain – sein Heroin-Problem mal ausgeklammert. Über seine Band Nirvana und deren Bedeutung sagte er dem Rolling Stone einst: „Es ist satirisch, aber gleichzeitig auch ernst.“ Besser kann man auch seinen Stil nicht beschreiben. Die Uniform aus verwaschenem T-Shirt, Retro-Männerhemd und abgetragener Strickjacke begleitete ihn überall hin und sorgen für ein günstiges Kostüm aus dem Second-Hand-Laden. Profis kombinieren Farben, die möglichst wenig zueinander passen.
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Bonus: Eine weiße Sonnenbrille
Courtney Love
Must-have: Marilyn-Monroe-Kleid
Die umstrittene Hole-Sängerin und Witwe von Kurt Cobain gilt auch heute noch als die „Queen of Grunge“, und das nicht nur wegen ihres Gespürs für Mode. Unterkleider als Abendgarderobe will sie Anfang der Neunziger noch vor Calvin Klein gesellschaftsfähig gemacht haben, doch vor allem bleibt ihre schlichte, weiße Marilyn-Monroe-Hommage in Erinnerung, die sie bei den MTV Video Music Awards 1993 auffuhr. Zum Grunge-Look verwandelte Love das schicke Kleid durch zerzauste Haare und nicht gerade exakt aufgetragenen roten Lippenstift.
Bonus: Kurt-Cobain-Double
Then & Now: Janis Joplin & Adam Lambert
Ein ungleiches Paar, das zwei unterschiedliche Epochen des Rock symbolisiert: Joplin steht für den Hippie-Chic des „Summer Of Love“, Lambert für ein Update des Glam-Rock. Wir finden beide Stile absolut eindrucksvoll und verleihen das Gütesiegel „Halloween-tauglich“.
Janis Joplin
Ein echtes Original: Janis Joplin 1976 auf dem Cover des „Rolling Stone“.
Must-have: Schmuck im Überfluss
Klar, mit Schmuck ist es bei der Joplin nicht getan, auch wenn sie die zahlreichen Ketten und Armbänder mit Leder und Schmucksteinen selten ablegte. Im Idealfall weist man natürlich eine Reibeisenstimme wie aus dem Buche vor, doch wir geben uns auch mit Hippie-Bluse, Schlaghose und Strickweste zufrieden. Die Haare flattern am besten etwas unordentlich im Wind des Mercedes Benz.
Bonus: Runde Nickelbrille
Adam Lambert
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Must-have: Dreitagebart und schwarzer Kajal
Vom Vorsingen bei American Idol zum Fronter bei Queen: Adam Lamberts Karriere kann man nur als „steil“ bezeichnen. Eine steile Wandlung macht in der Zeit auch sein Stil durch. Die dunkle, halblange Haarpracht trägt er auch heute, der Amerikaner kombiniert sie mit einer dicken Schicht schwarzem Kajal und dunklen Bühnenoutfits mit reichlich silbernen oder goldenen Details. Trotz seines opulenten Stils gibt er folgenden modischen Rat: „Nimm eine Sache weg.“ An Halloween ignorieren wir das vielleicht lieber.
Bonus: Schwarzer Nagellack
Zweitausender-Power: Meg White & Amy Winehouse
Diese zwei Ladys des aktuellen Jahrtausends treten zwar extrem unterschiedlich, dafür aber umso denkwürdiger auf. Außer verbalen Seitenhieben von Jack White können wir keine Berührungspunkte feststellen, und doch stehen die Outfits der beiden synonym für die Ära des Indie und Alternative.
Meg White
Schwarz, weiß, rot: Sowohl beim Artwork als auch bei der Stilberatung setzten die White Stripes auf das klassische Farbschema, wie hier auf dem Cover zu „White Blood Cells“.
Must-have: Schwarz, weiß, rot
Wer unkomplizierte Outfits bevorzugt und einen Schrank voller einfarbiger Teile besitzt, dürfte mit dem übersichtlichen Farbspektrum von Meg White kein Problem haben. Ob die Kombination von weißer Hose und rotem Shirt oder ein feminines weißes Kleid: Unprätentiöser geht es kaum. Beim Make-up hielt sich White ähnlich der Öffentlichkeitsarbeit zurück; wer mag, trägt eine dunkelbraune Langhaarperücke mit Pony und bleibt im Hintergrund.
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Bonus: Drumsticks
Amy Winehouse
„Claim to fame“: Winehouse 2007 zum Höhepunkt ihrer Karriere auf dem Cover des „Rolling Stone“.
Must-have: Beehive-Frisur und Riesen-Eyeliner
Kurz, kürzer, Amy: Mit knappen Kleidern und hohen Haaren macht Winehouse Anfang der Zweitausender auf sich aufmerksam. Privat fällt der Look mit Polohemd und Ballerinas etwas entspannter, aber nicht weniger Vintage aus. Die Girlgroups der Sechziger dienen ihr als Vorbild, aber die Back-To-Black-Sängerin drückt dem Stil mit Tattoos, Piercings und Lebenswandel einen rockigen Stempel auf.
Bonus: Retro-Kleid
Gruppenkostüm: KISS
Must-have: Kabuki-Schminke
Wer als Gruppe auf die Büroparty will, muss sich im Musikgeschäft nicht lang umsehen, denn die vier Glam-Götter von KISS bestechen durch markantes Make-up und starke Posen. „Starchild“, „Demon“, „Space Ace“ und „Catman“ kennt nun wirklich jedes Kind; kinderleicht fällt auch das Nachschminken der vom japanischen Kabuki-Theater inspirierten Gesichter aus. Die Bekleidung aus schwarzen Outfits und optionalen Nieten lassen wir bei so viel Schminke mal in den Hintergrund rücken.
Zum Nachmachen: KISS auf dem Cover zum Album „Dynasty“ von 1979.
Bonus: Plateauschuhe & Nietenarmbänder
„King of Costume“: David Bowie
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Must-have: Mut
Kaum ein Künstler zeigte sich so wandelbar und Chamäleon-artig wie David Bowie. Er trat als „Ziggy Stardust“, „Aladdin Sane“ oder „Thin White Duke“ auf; seine Alter Egos lenkten dabei nie zu sehr von seiner Musik ab. Er wollte den perfekten Popstar abbilden und hinterließ uns dadurch zahlreiche Facetten eines Jahrhundertkünstlers.
„Stardust“ und „Sane“ lassen sich am besten über das Make-up und die rötlichen Haare nachahmen. Bei beiden findet sich auf Augen und Wangen jede Menge rot und rosa, „Stardust“ trägt den ikonischen goldenen Kreis auf der Stirn, bei „Sane“ wiederum zieht sich der mehrfarbige Blitz über das Gesicht. Beim „Duke“ empfehlen wir neben zurückgegelten Haaren schlicht Anzughose, weißes Hemd und schwarze Weste – am besten zwei Nummern zu groß, um dem „Thin“ im Titel alle Ehre zu machen.
Bonus: Eine erweiterte Pupille
Das kultige Plattencover zu „Aladdin Sane“ von 1973.
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Süßes oder Saures: Die schaurigsten Rock-Songs zu Halloween!

Popkultur
Zeitsprung: Am 1.4.2008 feuern Velvet Revolver ihren Sänger Scott Weiland.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 1.4.2008.
von Christof Leim
Das sah schon nach „Supergroup“ aus, was sich da 2002 zusammenbraute: Drei Musiker von Guns N’ Roses und der Sänger von den Stone Temple Pilots gründen Velvet Revolver. Doch sechs Jahre später ist der Ofen aus und Scott Weiland raus. Vorher gab es noch eine lahme Platte, Streit im Internet und die ganz kalte Schulter.
Hört euch hier das Velvet-Revolver-Debüt Contraband an:
Natürlich hat die ganze Welt mit Spannung zugehört, als Slash, Duff McKagan und Matt Sorum zusammen mit dem Gitarristen Dave Kushner und dem Frontmann der Stone Temple Pilots, Scott Weiland, eine Band gründen. Beim Debüt Contraband von 2004 kommen nicht ganz unerwartet zwei musikalisch benachbarte Welten zusammen: Classic Rock und alternative-lastiger Grunge-Sound. Die Scheibe wird zum Erfolg, doch der Nachfolger Libertad bleibt 2007 weit hinter den Erwartungen zurück.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Velvet Revolver live 2007. Foto: Kreepin Deth/Wiki Commons.
Den weltweiten Touren der Band tut das keinen Abbruch, diverse Aufenthalte in Entzugskliniken, Visa-Probleme und kurzzeitige Verhaftungen durchkreuzen einige Pläne allerdings schon. Als Velvet Revolver im Januar 2008 ihre Rock’n’Roll As It Should Be-Tour durch Europa starten, hängt der Haussegen bereits schief. Am 20. März 2008 verkündet Weiland sogar auf offener Bühne in Glasgow: „Ihr seht hier etwas Besonderes: Die letzte Tour von Velvet Revolver.“
Längt beschlossene Sache
Was er nicht weiß: Seine Kollegen haben da längst beschlossen, ohne ihn weiterzumachen, wie Slash später in einem Interview eröffnet. Das liegt unter anderem daran, dass Weiland ständig die Fans ewig lang warten lässt, und das können die Guns N’ Roses-Jungs nach dem Dauerdrama mit dem notorisch verspäteten Axl Rose nicht mehr akzeptieren. Slash, der zottelhaarige Gitarrengott, berichtet auch, dass die Bandmitglieder während der UK-Shows so gut wie kein Wort mit ihrem Sänger wechseln. „Wir haben ihm die kalte Schulter gezeigt, dass es nur so eine Art hatte.“
Kein einfacher Zeitgenosse: Scott Weiland. Credit: CRL.
Nach dem Debakel von Glasgow, das in einer halbherzigen Performance gipfelte, tragen die Musiker zudem ihren Zank in die Öffentlichkeit: Drummer Matt Sorum veröffentlicht ein Statement, das ohne Namen zu nennen deutlich mit dem Finger auf Weiland zeigt. Der wird in seiner Antwort ein gutes Stück bissiger und ziemlich persönlich. Dass das alles nicht weitergehen kann, liegt auf der Hand. Am 1. April 2008 schließlich verkünden Velvet Revolver offiziell, dass Scott Weiland nicht mehr zur Band gehört.
Wie sich rausstellt, endet damit auch die Geschichte dieser Supergroup, sieht man von einer einmaligen Live-Reunion am 12. Januar 2012 bei einem Benefizkonzert ab. Denn leider können die Herren jahrelang keinen geeigneten Nachfolger finden, obwohl Könner wie Myles Kennedy von Slashs Soloband und Alter Bridge, Sebastian Bach (ehemals Skid Row), Lenny Kravitz und Chester Bennington (Linkin Park) als Kandidaten gehandelt werden. Slash und McKagan kehren schließlich zu Guns N’ Roses zurück, während Weiland bis 2013 bei den Stone Temple Pilots singt und anschließend mit seiner eigenen Band The Wildabouts unterwegs ist. Am 3. Dezember 2015 wird er tot in deren Tourbus gefunden. Rest in peace.
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Zeitsprung: Am 15.5.1995 klicken bei Scott Weiland zum ersten Mal die Handschellen.
Popkultur
„The Record“: Was kann das Debüt der Supergroup Boygenius?
Supergroups kennt man ja eher von Männern. Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus, die drei prominenten Damen hinter Boygenius, ändern das. Ihr Debüt The Record klingt zumeist sanft, verträumt, melancholisch, bricht aber manchmal wie entfesselt los. Indie-Album des Jahres? Gut möglich.
von Björn Springorum
Hier könnt ihr euch The Record anhören:
Phoebe Bridgers, Julien Baker und Lucy Dacus sind jede für sich Ikonen, einflussreiche Künstlerinnen, die es mit unter 30 zu prominenten Figuren gebracht haben. Bei Boygenius bündeln die drei ihr kreatives Genie in einem Trio, das es in der Indie-Welt so noch nicht gegeben hat – und das ist angenehmerweise mal keine hohle PR-Übertreibung. Jede von ihnen kann als Stimme ihrer Generation gewertet werden, jede von ihnen gehört zu einer neuen Ära von selbstbestimmten Künstlerinnen, die auf ihre Weise den Boys-Club der Rockmusik unterwandern, aushöhlen, obsolet machen wollen.
Wie einst Nirvana
Das tun Boygenius auf ihrem Debüt The Record nicht etwa laut, schrill, wütend. Sondern mit Sanftmut, melancholischer Ruhe und bockstarken Songs. Ist doch eh cleverer und nachhaltiger, das geballte Talent sprechen zu lassen, das die drei Künstlerinnen auch im Verbund auf wundersame Weise zu kanalisieren wissen. Und dann sind da eben noch die subtilen kleinen Spitzen, die Hinweise: Auf dem Cover ihrer ersten EP, die bereits 2018 erschien und ein langes Schweigen einläutete, sitzen sie genau so da wie Crosby, Stills & Nash auf ihrem Debüt. Und auf dem Rolling-Stones-Cover Anfang des Jahres stellen sie die Pose des Nirvana-Covershoots von 1994 nach. Kurt Cobain hätte das gefallen.
Warum wir eine reine Girl-Supergroup gebracht haben, wird schnell klar: Wo männliche Supergroups dann eben doch irgendwann an den exorbitanten Alpha-Male-Egos zerschellen wie Hagelkörner auf Asphalt, gehen Bridgers, Baker und Dacus die Sache beeindruckend egalitär und basisdemokratisch an. Niemand drängt sich in den Vordergrund, weil alle gleichberechtigt sind. Keine Frontfrau, keine Divaallüren. „Wir ziehen uns gegenseitig hoch“, so sagte Bridgers damals dem Rolling Stone. „Wir sind alle Leadsängerinnen und feiern uns gegenseitig dafür.“ Männer bekommen das eben irgendwie deutlich schlechter hin, ist einfach so.
Die Avengers der Indie-Welt
Das alles wäre natürlich nicht viel wert, wenn The Record nicht alle hohen Erwartungen spielend überflügeln würde. Es ist ein Album, um es kurz zu machen, das einem den Glauben an die Zukunft der Gitarrenmusik zurückbringt. Es ist mal laut, mal ahnungsvoll, mal zart, mal ruppig. Vor allem aber ist es ein homogenes, reifes Werk, das in seiner Lässigkeit die Jahrzehnte transzendiert. Offenkundig sind die Einflüsse der „Avegners der Indie-Welt“, wie eine enge Freundin der Band das mal auf den Punkt brachte: Classic Rock, die Laurel-Canyon-Szene, Grunge, der Folk von Crosby, Stills & Nash, von denen sie gleich auch die verschiedenen Gesangsharmonien haben.
Eins der ganz großen Highlights ist $20, ein furioser Rocker mit schroffer Lo-Fi-Gitarre, der sich plötzlich öffnet und von allen drei Stimmen ins Ziel getragen wird. Die Mehrheit des Materials ist ruhig, verträumt, am ehesten trifft es wohl lakonisch. Emily I’m Sorry etwa oder das kurze Leonard Cohen, inspiriert von einer unfreiwilligen Geisterfahrt der Drei auf einer kalifornischen Interstate. Die Ausbrüche wie Anti-Curse, in denen Baker von einer Nahtoderffahrung im Pazifik singt, läuten deswegen umso lauter, dringlicher. Dynamik ist König, das wissen die drei. Oder besser Königin.
Musste Rick Rubin draußen bleiben?
Sie wissen eh sehr viel. Wie schwer sie es haben würden, zum Beispiel. So kamen sie überhaupt erst auf ihren Namen Boygenius: Nach zahlreichen schlechten Erfahrungen mit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden männlichen Kollaborateuren, die von der ganzen Welt gefeiert werden, nannten sie sich selbst so, um sich Mut zuzusprechen. Ob das auch für Rick Rubin gilt? Aufgenommen haben sie zumindest in dessen Shangri-La Studio in Malibu. Aber er hat keinen Recording Credit und durfte vielleicht nur kiffend im Garten sitzen. Vorstellbar.
The Record ist ein geniales Debüt. Es ist aber mehr, ein Instant-Klassiker, ein Album, das sich einreiht in die großen Singer/Songwriter-Momente der letzten 50 Jahre. Es ist radikal ehrlich, direkt, ungefiltert, unaufgesetzt und das Testament großen Willens. Alle Songs hätten auch auf den jeweiligen nächsten Alben der drei Solitärinnen auftauchen können. Aber dann würde ihnen etwas fehlen. The Record ist ein Album voller Risse, durch die das Licht hineingelangt, um bei Leonard Cohen zu bleiben. Ein heilsames Stück Musik, durchwirkt von Insider-Jokes, kleinen Hieben geben das Patriarchat und jeder Menge Beweise für diese besondere Freundschaft. Das wird Grammys hageln.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 31.3.1958 veröffentlicht Chuck Berry „Johnny B. Goode“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 31.3.1958.
von Christof Leim
Das sind die Grundlagen des Rock’n’Roll, liebe Brüder und Schwestern. Hier kommt viel der großartigen Krachmusik her, die wir im Zeitsprung feiern: Am 31. März 1958 veröffentlicht Chuck Berry den Klassiker Johnny B. Goode. Keine drei Minuten lang ist das Ding, Bluesschema in A, dazu ein flotter Backbeat und eine heiße Leadgitarre, und ab geht die Revolution. Bei Songs wie diesem haben sie alle zugehört, die Beatles, die Stones und AC/DC.
Geschrieben hatte Chuck Berry die Nummer bereits 1955 über einen „country boy“, einen Jungen vom Lande, der nicht richtig lesen und schreiben kann, aber so mühelos Gitarre spielt, als müsse er nur eine Glocke läuten. Und eines Tages wird sein Name auf allen Plakaten stehen… Wie sich später herausstellt, singt Berry hier über sich selbst. Darauf weist alleine schon der Titel hin, denn der Musiker wurde in der Goode Avenue in St. Louis geboren. Nur anfangs diente sein Pianist Johnnie Johnson als Namenspate für den Song. Der spielt jedoch nicht mal mit; bei den Aufnahmen am 6. Januar 1958 in den Chess Studios in Chicago haut Lafayette Leake in die Tasten. Den Bass bedient der nicht ganz unbekannte Blueser Willie Dixon. Das markante Eingangslick leiht sich Chuck Berry vermutlich bei Ain’t That Just Like A Woman, einer Nummer von Louis Jordan aus dem Jahr 1946, und zwar Note für Note, wie man hier hören kann. Die Originalversion der Single samt Text findet ihr hier.
Urvater des Rock’n’Roll: Chuck Berry
Aus dem Stand ein Hit
Johnny B. Goode wird zum Hit beim Publikum, und zwar unabhängig von der Hautfarbe, was Ende der Fünfziger keinesfalls als selbstverständlich gesehen werden kann. Der Track erreicht Platz zwei in den Billboard Hot R&B Sides Charts und Platz acht in den Hot 100 Charts. Wo der Unterschied zwischen diesen Hitparaden liegt, wissen wir nicht, aber fest steht: Mit der Nummer ging was. Um das zu erreichen, muss Berry eine kleine Änderung im Text vornehmen: Ursprünglich singt er von einem „little coloured boy“, ändert das aber in „little country boy“, um auch im Radio gespielt zu werden. Keine einfachen Zeiten für einen Schwarzen als Rockstar.
Die Goldene Schallplatte an Bord der Raumsonde Voyager. Johnny fliegt mit.
Heute gilt Johnny B. Goode als der wichtigste Chuck-Berry-Song. Er wird mit Preisen geehrt und in Bestenlisten aufgenommen, nicht zuletzt wird er 1977 mit der Voyager in den Weltraum geschossen. An Bord dieser Raumsonde befindet sich nämlich eine goldene Schallplatte mit Audioaufnahmen von der Erde, etwa der Stimme eines Kindes, Klassik von Johann Sebastian Bach – und eben Rock’n’Roll von Chuck Berry.
Da kommt noch mehr
Vier weitere Stück schreibt der Sänger und Gitarrist im Laufe der Jahre über den Charakter Johnny B. Goode: Bye Bye Johnny, Go Go Go, Johnny B. Blues und Lady B. Goode. Außerdem nennt er ein Album und dessen 19-minütiges instrumentales Titelstück danach: Concerto In B. Goode. Einen weiteren Popularitätsschub erhält das Lied 1985 durch Film Zurück in die Zukunft mit Michael J. Fox.
Die Liste der Coverversionen ist endlos und streift alle möglichen Genres, sie reicht von Jimi Hendrix, AC/DC und Judas Priest über NOFX und LL Cool J bis zu Motörhead und Peter Tosh. Und vermutlich fetzt noch heute irgendwo eine halbstarke Nachwuchskapelle bei ihrer dritten Probe durch das Bluesschema in A.
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Zeitsprung: Am 7.9.1955 macht Chuck Berry den „Duck Walk“. Später freut sich Angus.
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Zeitsprung: Am 21.4.1959 kommt Robert Smith von The Cure zur Welt.
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Herzschmerz, Todesfälle und der Wunsch nach Frieden: 20 Rockballaden für die Ewigkeit
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„Bohemian Rhapsody“: Die Geschichte des Klassikers, für den Queen alle Regeln brachen