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Popkultur

Klaus Voormann im Interview zu „Revolver“: „Mir wurde gesagt, es gibt 50 Pfund dafür, und damit hat es sich“

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Klaus Voormann
Foto: Melina Alder

Er hat eines der wichtigsten Plattencover der Rockmusik gestaltet, hat mit George Harrison zusammengewohnt und die Beatles zu ihren Frisuren inspiriert: Zur großen Neuauflage von Revolver sprechen wir mit Grafiker, Bassist und Produzent Klaus Voormann über sein Leben als fünfter Beatle.

von Björn Springorum

Im Herbst 1960 entdeckt Klaus Voorman die Beatles im schwitzigen Hamburger Kaiserkeller. Damals kennt sie kaum jemand, sechs Jahre später sind sie die größte Band der Welt. Als ihre siebte Platte Revolver entsteht, merkt die Band schnell, dass das nicht nur für die der Anbeginn einer neuen Ära wird. Das Artwork soll das reflektieren. Also ruft man den alten Kumpel Klaus an, der praktischerweise auch in London wohnt, eh die ganze Zeit mit George Harrison rumhängt, und praktischerweise sogar studiert hat. Für lächerliche 50 Pfund zeichnet Voormann eines der ikonischsten Werke des Rock’n’Roll. Und erinnert sich bis heute mit einem lachenden und einem weinenden Auge an die Swinging Sixties in London.

Hier könnt ihr Revolver hören:

Klaus, du hast 2009 ein Soloalbum unter dem Namen A Sideman’s Journey veröffentlicht. Siehst du dich denn als das – als Sideman?

Aber ja. Das bin ich, und das ist auch vollkommen in Ordnung so. Ich habe mit genialen Menschen zusammengespielt und konnte einen kleinen Teil zu wunderbaren Platten beitragen. Das hat mir immer gereicht. Ich brauchte nicht das Rampenlicht, wollte nie diesen Ruhm, wie ihn die Beatles und andere hatten. Hinter den Kulissen habe ich mich eigentlich immer am wohlsten gefühlt. Das wird mir immer besonders klar, wenn ich alte Videos mit Liveauftritten von mir sehe: Auf einer Bühne habe ich mich nie so wohl gefühlt wie im Studio.

Du hast mit den Größten der Großen gespielt, hast Klassiker der Musikgeschichte gestaltet und auch Acts wie Trio produziert. Sticht davon irgendwas besonders für dich heraus?

Ich gebe gern zu, dass ich meine Arbeit für Revolver als Höhepunkt meiner Karriere ansehen. Wenn ich auf etwas stolzer bin als auf alles andere, dann darauf. Gleich danach kommt aber Trio. Ich finde bis heute, dass Trio eine der genialsten Bands ist, die es jemals gab. Sie sind verkannt, ganz klar. Man hat sie zu Unrecht auf Da Da Da reduziert – und diesen Song dann sogar noch missverstanden.

Trio hast du nicht nur produziert, sondern auch entdeckt. Schwingt da also auch ein wenig väterlicher Trotz mit?

Nein. Vielleicht. Ich denke aber eher nicht. Trio sind unerreicht.

Wie war es, Revolver das erste Mal zu hören?

Oh, einfach unglaublich. So etwas gab es ja davor noch nicht. Ich war schockiert, begeistert, fertig mit den Nerven. Ich wusste nicht, was da vor sich ging. Dazu muss man aber erwähnen, dass ich die Songs gehört habe, als sie noch nicht fertig waren.

In den Abbey Road Studios?

Genau, und die Band und George Martin waren da. Brian Epstein auch, glaube ich. Es war ein ganz und gar revolutionärer Moment. Tomorrow Never Knows war damals noch gar nicht fertig. Und ich spürte dennoch schon: Das hier ist das Beste, das sie jemals gemacht haben. Damals war ich sicher, dass das niemand kaufen würde, der davor Beatles-Fan war. Aber ich lag falsch.

Ist das bis heute dein Lieblingssong auf dem Album?

Ich glaube schon. Ich muss sagen, dass ich die alten Beatles-Sachen nicht allzu oft höre. Überhaupt höre ich nicht mehr wirklich viel von den alten Sachen. Im Gegensatz zu allen anderen war ich auch nie ein wirklicher Beatles-Fan, wenn man das so sagen kann.

Weil du viel zu nah dran warst?

Ja, sicher. Für mich waren das eher Freunde. Furchtbar talentierte Freunde. Aber eben Freunde. Ich meine, ich habe mit George Harrison zusammengewohnt und ständig mit ihm gefrühstückt. Das ist dann schon etwas anderes.

Dennoch waren es die Beatles. Und das war damals eben die größte Band der Welt. Wie hast du reagiert, als sie dich als Zeichner für das Artwork wollten?

Oh, anfangs war mir ja gar nicht klar, dass sie mich als Zeichner wollten. John rief irgendwann mal bei mir an und meinte auf seine schnippische Art, dass ich mir gefälligst mal Gedanken machen solle, was sie denn als Covermotiv nehmen könnten. Das machte ich. Aber da ging ich noch nicht davon aus, dass ich es auch zeichnen sollte. Ich dachte, sie wollten nur meine Ideen.

Und was geschah dann?

Dann merkte ich, dass sie mehr wollten. (lacht) Da wurde mir schon ein wenig anders. Eben, sie waren die größte Band der Welt. Ich fertigte unzählige Entwürfe an und verwarf alle wieder. Die Beatles auf einem Schiff, die Beatles in einem Heißluftballon. Nichts davon wurde diesen neuen Songs gerecht. Die Beatles hatten damals gerade einen gigantisch großen Sprung gemacht. Und das musste das Artwork natürlich reflektieren. Das war keine leichte Aufgabe.

Die du aber bekanntermaßen auf unvergleichliche Weise gelöst hast.

Die Haare. Irgendwann wusste ich, dass es was mit den Haaren zu tun haben soll. Die waren schließlich mindestens ebenso berühmt wie die Band selbst.

Den Haarschnitt haben sie ja dir zu verdanken.

Eher Astrid Kirchherr. Die hat erst mir die Haare so geschnitten und dann den anderen. Jedenfalls hatte ich dann endlich ein Fundament für die Zeichnung: Ich würde alles von ihren Haaren verbinden lassen. Die Collage sollte dann ihre Entwicklung aufzeigen. Alles an dem Bild musste sagen: Das hier sind nicht mehr die vier Pilzköpfe in Anzügen.


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Von den vier gezeichneten Beatles ist dir George Harrison am schwersten gefallen. Wieso eigentlich?

Vielleicht, weil ich mit ihm am engsten befreundet war. Eher aber, weil er keine so markanten Züge hatte wie die anderen. Er war ein hübscher junger Mann, aber hatte nicht die Mandelaugen von John beispielsweise. Ich tat mir extrem schwer mit ihm. Und irgendwann, das darf man ja auch fast keinem sagen, entdeckte ich ein Bild von George in einer Illustrierten. Ich schnitt einfach Augen und Mund aus und zeichnete drumherum.

Auch dich selbst hast du auf dem Cover verewigt.

Ja, ich war so frei. (lacht) Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat, und natürlich ist es John sofort aufgefallen. Er konnte sehr grausam sein, hatte aber einen tollen Humor. „Du hast dich selbst ins Bild gepackt, du frecher Mistkerl!“, rief der damals aus. Und damit war es auch gegessen.

Ich habe mal gelesen, dass Brian Epstein geweint hat, als du der Band und ihm deinen Entwurf präsentiert hast.

Na ja, geweint ist übertrieben, würde ich sagen. Aber er war sehr gerührt und hatte vielleicht ein Glitzern in den Augen. Er war happy, dass es mir gelungen war, diese neue Ära der Beatles einzufangen.

Und das für 50 Pfund!

Ja gut, so lief das eben damals. Mir wurde gesagt, es gibt 50 Pfund dafür, und damit hat es sich.

Haben sich die Beatles nicht geschämt? Selbst mit eingerechneter Inflation sind das heute gerade mal 800 Euro für eins der legendärsten Albencover aller Zeiten.

Ach was, die haben davon doch gar nichts mitbekommen. Und warum sollten sie auch? Dafür hatten sie ja Angestellte.

Ziemlich verrückt ist ja auch die Geschichte, dass deine Originalzeichnung verschollen ist.

Ja, das macht mich heute schon ein wenig traurig.

Aber wie kann so etwas passieren?

Damals habe ich mich einfach nicht um diese Dinge gekümmert. Das war ja eine Auftragsarbeit für einen Kunden, nichts weiter. Ich habe die Zeichnung also eingesandt, wo sie dann kopiert und gesetzt wurde, und sie irgendwann aus den Augen verloren.

Es hieß ja mal, dass Eagles-Gitarrist Joe Walsh das Original in den 70er-Jahren in einem Second Hand Laden erstanden hat – für lächerliche 1.500 US-Dollar…

Ja, aber wie sich herausstellte, war es nicht das Original. Es ist vielleicht noch irgendwo da draußen.

Immerhin gibt es jetzt ja die Neuauflage, auf der die Zeichnung erstmals ohne Schriftzug zu sehen ist. Also so, wie du sie abgegeben hast.

Ja, Schriftzug und Logo waren damals nicht Teil der Arbeit. Das ist ganz schön anzusehen, aber besonders gefällt mir an der Neuauflage, dass sie eine Kurzfassung meiner Graphic Novel birth of an icon REVOLVER 50 enthält, die ich selbst erstellt habe. Da erzähle ich auch noch mal nach, wie es dazu kam und wie meine Arbeit aussah.

Was mich ja immer interessiert hat: 1966 bist du Bassist bei Manfred Mann geworden. Davor gab es aber schon Angebote von den Hollies und den Moody Blues. Warum hast du die links liegengelassen?

Die haben mich musikalisch nicht interessiert. Manfred Mann hingegen schon. Da haben geniale Musiker gespielt, da hatte ich Lust drauf.

Hattest du damals eigentlich noch den Bass, den du 1962 für 200 Deutschmark von Stuart Sutcliffe gekauft hast?

Nein, leider nicht. Ich spiele aber schon seit Ewigkeiten denselben Bass von Fender.

Und den Sutcliffe-Bass gibt es noch?

Nein, den habe ich bei Sotheby’s für dreißig- oder vierzigtausend Mark versteigern lassen, als ich Kohle gebraucht habe. Auch so etwas, das mich traurig stimmt.

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