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Popkultur

Von Heino bis Woodstock: Die größten WTF-Momente der vergangenen Dekade

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Foto: Shirlaine Forrest/WireImage/GettyImages und Gina Wetzler/Redferns/GettyImages

Während das Jahrzehnt sich zügig dem Ende nähert, schauen wir zurück auf die skurrilsten und überraschendsten Rock-Momente der vergangenen Jahre. Stoff dafür gibt es genug: Die Musikindustrie hat sich in rasantem Tempo verändert. Und jeder noch so kleine gedankliche Lapsus unserer Lieblingsmusiker*innen ging via Social Media in den Äther. Wie wohl die nächste Dekade aussehen wird?

von Victoria Schaffrath

2010: Soundgarden feiern Reunion – aus Versehen

Das geht ja gut los: In der Neujahrsnacht 2010 sitzen bei Chris Cornell von Soundgarden die Finger locker. Nach dem letzten richtigen Konzert 1997 ist die Band 2009 für einen Live-Song zusammengekommen und hat scheinbar Blut geleckt. „Die zwölfjährige Pause ist vorüber & die Schule geht wieder los. Meldet euch jetzt an. Die Ritter der Soundrunde sind wieder vereint!“, liest man da unter seinem Namen. Der Fall scheint klar, die Fans feiern ekstatisch ins neue Jahr.

Das einzige Problem: Es geht gar nicht um eine Reunion, lediglich der Fanclub sollte ein wenig Aufmerksamkeit bekommen. Doch die digitale Horde lässt sich nicht mehr besänftigen und die Touranfragen trudeln ein, sehr zum Erstaunen der früheren Kollegen. Diese Menge an Interesse führt zunächst zu einer Festivalshow, schließlich ins Studio und beschert der Welt das Album King Animal von 2012. Bis zu Cornells tragischem Freitod am 18.05.2017 bleibt die Band aktiv. Die Zukunft eines noch nicht fertiggestellten Albums mit der Grunge-Ikone am Mikrofon bleibt ungewiss.

2011: Marilyn Manson und Shia LaBeouf schocken mit Kurzfilm Born Villain

Vornehme Zurückhaltung verbindet man weder mit Marilyn Manson, noch mit Shia LaBeouf. Im Gegenteil: Als der Rockstar und der Schauspieler 2011 gemeinsame Sache machen, tut sich so etwas wie ein schwarzes Loch des fragwürdigen Geschmacks auf. Wer schon immer ein Trauma in Bezug auf Augäpfel und Genitalien entwickeln und gleichzeitig seine Shakespeare-Kenntnisse auffrischen wollte, dem legen wir den surrealistischen Horrorstreifen Born Villain der beiden Exzentriker sehr ans Herz.

Der Kurzfilm fungiert als Promo-Vehikel für das gleichnamige achte Album, mit dem Manson und Band wohl hoffen, in den Schockrock-Olymp zurückzukehren. Der Coup gelingt, wenn auch nicht unbedingt für das filmische Vergnügen: Obwohl das Album nur gemischte Kritiken erhält, loben Fans und Presse es für das innovative Songwriting. Als absurdes Schmankerl gibt’s außerdem ein Cover von You’re So Vain mit Johnny Depp. Die funktionieren für Manson historisch gesehen ausgezeichnet.

In alter Form: Das Cover zu „Born Villain“ in klassischer Manson-Manier.

2012: Axl Rose schlägt die Einladung der Hall Of Fame aus

Ach, Axl: Schon als Teenager verbindet der Sänger mit Autoritätsfiguren mehr Leid als Freud und das ändert sich auch während der Karriere mit Guns N’ Roses nicht. Als man die Band 2012 weit entfernt von einer Reunion der Originalbesetzung in die Rock And Roll Hall Of Fame aufnehmen möchte, schrillen im Bandana-besetzten Oberstübchen die Alarmglocken. Es folgt ein offener Brief in der Zeitung L.A. Times: „An die Rock And Roll Hall Of Fame, Guns N’ Roses-Fans und alle, die es sonst noch interessiert“, beginnt Rose seine Sichtweise der Situation.

 

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Liest man weiter, kommt der Sänger für seine Verhältnisse einigermaßen diplomatisch daher, bittet um Verständnis und versichert, niemanden, schon gar nicht die Fans, enttäuschen zu wollen. Die Ehrung untergrabe jedoch „die Bemühungen des aktuellen Line-ups – also mich, Dizzy Reed, Tommy Stinson, Frank Ferrer, Richard Fortus, Chris Pitman, Ron ‚Bumblefoot‘ Thal und DJ Ashba.“ Für ihn sei „die Aufnahmezeremonie kein Ort, an dem ich erwünscht oder respektiert werde. Und, für das Protokoll: Ich werde keinem der Guns übel nehmen, wenn sie diese Auszeichnung annehmen oder wertschätzen.“ Ein versöhnlicher Ton – ob dieser den Grundstein für die Reunion von 2016 legt?

2013: Heino sendet „Freundliche Grüße“

Ja, auch in Deutschland gibt es Stories, bei denen man sich am Kopf kratzen kann, nur steht dabei eben kein Rockstar im Mittelpunkt. 2013 sorgt vielmehr Schlagersänger Heino für einen kollektiven Double-Take unter deutschen Musikfans: Die fleisch-gewordene Sonnenbrille wirft Anfang des dreizehnten Jahres (ein Zeichen?) des Jahrtausends ein Coveralbum auf den Markt, das für einige Kontroversen sorgt.

Mit Nummern von Rammstein, den Ärzten und Marius Müller-Westernhagen kommt die Platte daher. Das Management des Barden bezeichnet Mit Freundlichen Grüßen als Hommage, doch Heino selbst fletscht eher die Dritten: „Jahrelang hat man mit meiner Person Schabernack getrieben – jetzt zeige ich den jungen Leuten mal, was man aus ihren Liedern machen kann.“ Durch eine unwesentlich überarbeitete Wiederauflage im selben Jahr mutiert das „Verbotene Album“ zur Marketingstrategie, die immerhin in einem Wacken-Auftritt kulminiert.

Kutte als Kostüm: Heino auf dem Cover zu „Mit Freundlichen Grüßen“.

2014: U2 drücken iPhone-Nutzern ungefragt ihr Album auf

Wir geben zu, so ganz steigen wir bei unseren Smartphones manchmal auch nicht durch. Zum Glück geht es den Kollegen bei Apple scheinbar nicht anders: Zur Veröffentlichung einer neuen iPhone-Generation will der Technik-Gigant seinen Kunden das neue U2-Album Songs Of Innocence kostenlos zur Verfügung stellen – und lädt das Werk ungefragt in die Sammlungen von Nutzer*innen in 119 Ländern weltweit.

Gratismusik hin oder her: der gefühlte Eingriff in die heilige Musiksammlung erwischt zahlreiche Rezipient*innen des Geschenks auf dem falschen Fuß. In einem Q&A mit der Aussage konfrontiert, so ein Zwangsdownload ohne Löschfunktion sei ziemlich unverschämt, rechtfertigt sich Bono: „Ich hatte diese schöne Idee und wir haben uns davon einfach mitreißen lassen. Künstler sind da ziemlich anfällig.“

2015: Paul McCartney kollaboriert mit Kanye West und Rihanna

Ein musikalischer Visionär und Teil eines der besten Songwriter-Duos aller Zeiten: Paul McCartney genießt in der Musikwelt einen außerordentlich guten Ruf. Vielleicht ziehen sich gerade deswegen 2015 einige Augenbrauen in die Höhe, als Sir Paul eine Zusammenarbeit mit Kanye West und Rihanna eingeht. Dass Fans von West den Namen des Beatle teils erst googeln müssen, hilft sicher nicht.

Die drei Pop-Giganten kommen in puristischer Manier daher. Das Video halten sie in schwarz-weiß; musikalisch gibt es McCartney an der Akustikgitarre, während sich West und Rihanna den Gesang teilen. In der Einfachheit lag bereits bei den Beatles die größte Vollendung, ein Rezept, dass auch hier entgegen der Erwartungen aufgeht. Die Single landet in 27 Ländern auf Platz eins der Charts und beweist einmal mehr, dass Musik über Genre- und Epochengrenzen hinweg verbindet.

 

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2016: David Bowie veröffentlicht ein Album – zwei Tage vor seinem Tod

Als die Single Lazarus am 17.12.2015 erscheint, mutet das dazugehörige Video recht makaber an: Es zeigt David Bowie auf dem Sterbebett. Im Text singt er vom Himmel und davon, in Gefahr zu sein. Theatralik gehört jedoch zu dem Briten wie die Butter aufs Brot, und sein Erscheinen bei der Uraufführung des gleichnamigen Musicals einige Tage vor Veröffentlichung wirkt durchaus vital. Dass nicht etwa Bowie, sondern der Hauptdarsteller des Musicals die Single im amerikanischen Fernsehen darbietet, beunruhigt also niemanden.

Am 8.1.2016 feiert der „Thin White Duke“ 69. Geburtstag, zur Feier des Tages gibt es gar das Album Blackstar. Dieses erreicht als erstes Bowie-Album Platz eins der amerikanischen Charts, wenn auch aus traurigem Grund: Zwei Tage nach dem Release verstirbt der Life On Mars-Schöpfer an Leberkrebs. Auf seinem letzten Langspieler verarbeitet er Motive der eigenen Sterblichkeit. Eine Review, die noch vor seinem Tod erscheint, bemerkt treffend: „Diese gequälte Unsterblichkeit ist kein Trick: Bowie wird lebendig bleiben, auch nach dem Tod des Mannes.“ Ein Denkmal mit beklemmendem Timing.

2017: Ein ukrainischer Zoo enthüllt ein Slayer-Denkmal

Heute in der Kategorie „unnützes Wissen“: Im schönen Demydow in der Ukraine gibt es einen Zoo. Als eines der ältesten Dörfer der Region um Kiew kann das Städtchen einige Tourist*innen aufweisen, die der Tierpark zwischen pittoresken Bauten und weißen Löwen in fantastische Welten mitnimmt. In die Realität werden Besucher*innen von keinem anderen als Tom Araya von Slayer zurückgeholt – in Form einer Statue.

Stolz präsentiert der Zoo das neue Kunstwerk auf Facebook: Es habe zahlreiche Diskussionen um Bartform und Instrument gegeben, aber endlich sei die Skulptur fertig. Warum ausgerechnet der Thrash-Sänger nun das Gelände ziert oder inwiefern die „Millionen“ ukrainischer Slayer-Fans nun ruhiger schlafen können, bleibt unklar. Wir tippen mal auf die Inschrift, die am Fuße des Bassisten ruht: „Fantasy and reality are the same“ – womöglich versteht der Zoo diesen Auszug aus Dead Skin Mask als Arbeitsauftrag, indem er seine Gäste in ein Märchenreich entführt. Sollten wir demnächst in die Ukraine reisen, planen wir in jedem Falle Zeit für „Selfies mit Tom“ ein.

2018: Toto und Weezer im Battle Royale der Coverversionen

Dass sich Weezer als Musiknerds sehen, wissen wir spätestens seit ihrem Hit Buddy Holly. Es wundert daher also keinen, als die Indie-Rocker nach einer monatelangen Twitter-Belagerung durch einen besonders penetranten Fan nachgeben und Africa von Toto covern. Den Rattenschwanz, den das nach sich zieht, sieht keiner kommen.

Zuerst veräppeln die Kalifornier ihre Follower*innen noch mit einer Version von Rosanna, dann folgt die ewige Mitsing-Hymne. Nur halb-ernst gemeint, entpuppt sich die Single als veritabler Erfolg für Weezer, die in Amerika zuletzt 2009 die Top 100 knackten. Was die Nachahmer können, können Toto aber schon lange und kontern unter allgemeiner Begeisterung mit eigener Variante von Hash Pipe. Mit The Teal Album legen Weezer schließlich Liebeserklärungen für all ihre Lieblingssongs nach – und das völlig unangekündigt. Der Musikwelt schlackern die Ohren,  und uns geht das Herz auf.

2019: Woodstock 50 fällt flach

Auch wenn wir das Ereignis des Jahrhunderts im Nachhinein konsequent romantisieren, organisatorisch gilt Woodstock ’69 eigentlich eher als Problemfall. Doch schlimmer geht’s immer. Die  Neuauflage ’99 endet mit Plünderungen, Vergewaltigungen und gar Todesfällen. Aber weil bekanntlich „alle guten Dinge drei sind“, gibt man dem Mutterschiff unter den Festivals 2019 eine weitere Chance. Läuft leider nicht besser, sondern gar nicht.

 

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Nach viel Kritik am Line-Up kursieren bereits im April Gerüchte, dass das für August geplante Woodstock 50 womöglich nicht stattfinden würde. Trotz abgesprungener Investor*innen will man die Planung allerdings fortsetzen. Als der Veranstaltungsort jedoch einen Rückzieher macht und auch Künstler*innen die Machbarkeit infrage stellen, müssen die Organisator*innen knappe zwei Wochen vor Festivalbeginn mitteilen: „Unser Festival ist abgesagt, aber der Spirit von Woodstock bleibt bestehen!“ Vielleicht erleben wir ja in der kommenden Dekade ein würdiges Revival?

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