Popkultur
Musik über Depressionen und andere Erkrankungen: 20 Songs zum World Mental Health Day
Musik gegen Depressionen, Trauer oder Angststörungen: Seit jeher nimmt Mental Health einen zentralen Platz in der Musik ein; das gilt für die glasklare Sopranstimme, die vor einem ehrfürchtigen Publikum ihre Arie zum Besten gibt, ebenso wie für den verschwitzten Rockstar, dessen frenetische Fans vor der Festivalbühne jedes Wort seines Songs mitgrölen.
von Sina Buchwitz, Timon Menge und Victoria Schaffrath
Hier könnt ihr euch unsere Playlist zum World Mental Health Day anhören:
Zuhörer*innen und Künstler*innen nutzen die Musik gleichermaßen als sicheren Ort, an dem negative Gedanken und Sorgen ausgelebt werden dürfen. Eine gemeinsame Studie der Queen’s University und Bournemouth University bewies bereits 2016, dass Musiktherapie Depressionen bei Kindern und Jugendlichen lindern kann. Demnach steigert sie das Selbstbewusstsein und verbessert die Kommunikationsfähigkeit.
Zum World Mental Health Day haben wir uns 20 Songs angesehen, die sich dem Thema im Laufe der Jahrzehnte auf ganz unterschiedliche Weise genähert haben.
Trigger-Warnung: In den folgenden Songs geht es um psychische Störungen wie Depressionen, Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten und Phobien. Wenn auch du unter einer solchen oder ähnlichen Erkrankung leidest und Hilfe brauchst, wende dich an eine Vertrauensperson, einen Arzt oder Psychotherapeuten.
Im Notfall erreichst Du das Krisentelefon der TelefonSeelsorge 24 Stunden täglich unter 0800-1110111 und 0800-1110222. Auf der Homepage der Deutschen Depressionshilfe findest du in der Schnellsuche Kliniken und Anlaufstellen mit Schwerpunkt Psychiatrie und Psychotherapie. Du bist nicht allein!
Elvis Presley – Blue Moon Of Kentucky (1954)
In den Fünfzigern hat man das Ganze vermutlich noch nicht „Mental Health“ genannt, doch allein die Drogen- und Alkoholeskapaden vieler Stars und Sternchen zeigen, dass man auch (und vor allem) als Berühmtheit sein Päckchen zu tragen hat. Als Elvis Presley am 7. Juli 1954 seine Interpretation des Bluegrass-Klassikers Blue Moon Of Kentucky aufnimmt, kann er noch gar nicht ahnen, was in den Jahrzehnten danach auf ihn zukommt — es handelt sich nämlich um die B-Seite seiner allerersten Single That’s All Right. Dass der Song von Einsamkeit handelt, wird sich im Lauf der Karriere des „King“ allerdings noch als sehr treffend herausstellen.
Auf den Punkt: „Shine on the one that’s gone and left me blue“
The Beatles – Help! (1965)
Als die Beatles im August 1965 ihr fünftes Album Help! veröffentlichen, haben die Briten ihren Weg an die Spitze bereits hinter sich. Die Beatlemania tobt weltweit und John, Paul, George und Ringo können sich nirgendwo öffentlich blicken lassen, ohne ein Kreischkonzert sondergleichen auszulösen. Kein Wunder, denn in den Sechzigern erklärt eine ganze Generation die „Fab Four“ zur Projektionsfläche all ihrer Sehnsüchte. John Lennon wird das zu viel. Also ruft er um Hilfe, wortwörtlich. „Ich war fett und depressiv“, gibt er später in einem Interview mit dem Playboy zu Protokoll. Eine Sache ärgert ihn an dem Song bis heute: Er ist aus kommerziellen Gründen zu schnell.
Auf den Punkt: „Help me get my feet back on the ground“
Rolling Stones – Paint It Black (1966)
Obwohl Paint It Black oft als typischer Drogensong der 1960er abgetan wird, sprechen die Lyrics eine tiefere Sprache. Bereits der Songtitel verbalisiert die dunklen Abgründe, die Depressionen und Trauer mit sich bringen. In Hinblick auf die historische Situation zur Veröffentlichung wird das Stück oft mit dem Vietnamkrieg in Verbindung gebracht und der posttraumatischen Belastungsstörung, der viele Veteranen ausgesetzt sind. Der Protagonist fühlt sich entfremdet, kann sich nicht mehr mit der Leichtlebigkeit seinesgleichen identifizieren.
Auf den Punkt: „I see the girls walk by dressed in their summer clothes, I have to turn my head until my darkness goes”
Pink Floyd – Comfortably Numb (1979)
Tranceartige Arrangements, gespenstische Gitarrensoli und düstere Texte formen im Konzeptalbum The Wall die dystopische Welt des Protagonisten Pink. Das Album malt musikalisch den Zerfall eines erfolgreichen Künstlers: Aufgrund herber Enttäuschungen baut er eine imaginäre Mauer um sich herum auf, um sich vor zusätzlichen emotionalen Verletzungen zu schützen.
Trotz seiner offensichtlichen, psychischen Probleme wird Pink von Manager und Ärzten mit Medikamenten dazu getrieben, weiter zu performen und driftet in Comfortably Numb endgültig in seine Wahnvorstellungen ab. Kaum ein Rocksong fasst die nebulös-wahnhafte Kombination aus Drogenmissbrauch und psychischer Störung so passend zusammen wie dieser.
Auf den Punkt: „There is no pain you are receding, a distant ship, smoke on the horizon / You are only coming through in waves, your lips move but I can’t hear what you’re saying”
Elton John – I’m Still Standing (1983)
In der Filmbiografie Rocketman wird I’m Still Standing zum Schlüsselsong für Eltons Ausbruch aus seiner toxischen Beziehung zu Manager John Reid. Der Text beschreibt das befreiende Gefühl der Erkenntnis, allein besser dran zu sein als mit einem Partner, der sich und seine zerstörerischen Absichten hinter einer Maske versteckt. Unter den Fans repräsentiert der Titel die triumphale Bewältigung unterschiedlichster Hürden, darunter auch Drogen- oder Alkoholprobleme.
Auf den Punkt: „And if you need to know while I’m still standing you just fade away”
Nirvana – Pennyroyal Tea (1993)
Eigentlich steht der Begriff Pennyroyal ja für die Pflanze Mentha Pulegium, die angeblich eine Abtreibung einleiten soll. Das funktioniert aber wohl gar nicht, wie auch Kurt Cobain im Booklet des Albums In Utero (1993) schreibt: „Herbal abortive… it doesn’t work, you hippie.“ Stattdessen handele der Song von einer Person mit schweren Depressionen, wie der Frontmann 1993 in einem Interview erklärt: „Ich habe den Titel gewählt, weil viele von meinen Freunden Pennyroyal ausprobiert haben, aber es hat nie funktioniert. Der Song handelt aber von einem Menschen, der mehr als depressiv ist. Er liegt deshalb quasi schon auf dem Sterbebett.“
Auf den Punkt: „Sit and drink Pennyroyal Tea… Distill the life that’s inside of me“
Manic Street Preachers – 4st 7lb (1994)
Wer sich das Schaffen und das mysteriöse Verschwinden von Bandmitglied Richey James Edwards ansieht, weiß, dass der Werdegang der Manic Street Preachers eng mit dem Thema Mental Health verknüpft ist. Edwards geht vor allem gegenüber der Presse offen mit seinem Kampf gegen Depressionen und Essstörungen um; ritzt sich gar vor einem Interviewpartner, der seine Glaubwürdigkeit infrage stellt, die Worte „4 real“ in den Unterarm. Im Song 4st 7lb thematisiert Edwards seine Magersucht und schildert aus der Sicht eines jungen Mädchens deren Drang, zu verschwinden. Text und Melodie wirken fanatisch, eindringlich und erlauben einen erschütternden Einblick in die psychische Krankheit mit der höchsten Sterberate.
Auf den Punkt: „I want to walk in the snow and not see a footprint“
The Verve – Bitter Sweet Symphony (1997)
Als The Verve-Fronter Richard Ashcroft den Song 2008 bei einem Festival ankündigt, tut er das mit den Worten: „Das Leben ist hart, jeder Montagmorgen ist hart!“ Wenige Titel bringen die bittersüße Melancholie des Lebens besser zum Ausdruck als Bittersweet Symphony. „I can’t change“, sinniert der Sänger wieder und wieder, und selbst wenn es in der Violinen-lastigen „Symphonie“ nicht offensichtlich um mentale Störungen geht, so dürften sich viele, denen Depressionen, Borderline oder Bipolare Persönlichkeitsstörungen ein Begriff sind, hier wieder erkennen. The Verve vermögen es, mit der opulenten Instrumentalisierung und dem beinahe trotzigen Text eine rohe Hoffnung zu inspirieren, die in dunklen Momenten oft schwer zu finden scheint.
Auf den Punkt: „I need to hear some sounds that recognise the pain in me, yeah“
Counting Crows – Colorblind (1999)
Wer die tonnenschwere Last einer Depression in akustischer Form vernehmen möchte, lässt Colorblind in Dauerschleife laufen. Die Monotonie des Alltags, der Kampf, selbst einfachste Abläufe durchzuführen, die Unfähigkeit, sich selbst zu helfen – all das spürt man in der reduzierten Darbietung von Sänger Adam Duritz und der spärlichen Instrumentalisierung, die ein beinahe hypnotisches Klavier-Riff in den Mittelpunkt stellt. Am Schluss wendet sich der Ton; „I am fine“ heißt es da zwischen deutlich versöhnlicheren Harmonien. Es wird eben doch besser.
Auf den Punkt: „I am covered in skin, no one gets to come in“
Blink-182 – Adam’s Song (1999)
Ende 1997 läuft es mächtig gut für Blink-182. Mit Dude Ranch (1997) haben die Kalifornier einen riesigen Erfolg im Rücken; die Gruppe spielt in den USA eine Show nach der anderen. Während einer besonders langen Konzertreise packt Bassist Mark Hoppus allerdings die Einsamkeit: „Auf Tour bist du so einsam“, räumt er in einem Interview ein. „Du hängst mit deinen Bros rum und alles ist super und so, aber wenn man nach Hause kommt, möchte man, dass da jemand auf einen wartet. Die anderen hatten immer Freundinnen, die am Flughafen auf sie gewartet haben, ich aber nicht. Es geht in dem Song [Adam’s Song] um meine depressiven Phasen und meine Einsamkeit auf Tour und darum, dass ich nicht wirklich einen Grund habe, um nach Hause zu wollen.“ Der Song erscheint am 1. Juni 1999 auf Enema Of The State.
Auf den Punkt: „I’m too depressed to go on… You’ll be sorry when I’m gone“
Slipknot – People = Shit (2001)
Gefühle der Isolation und der Andersartigkeit kennen wir im Rahmen unterschiedlichster psychischer Krankheiten. Resultiert daraus eine Abneigung gegen andere Menschen und artet diese dauerhaft ins Extrem aus, nennt man das Misanthropie. Damit scheint Slipknot-Frontmann Corey Taylor umfangreiche Erfahrungen gemacht zu haben, denn in People = Shit von Iowa (2001) lässt er seinem Unmut freien Lauf. Der Titel verrät diesbezüglich bereits genug, doch Textzeilen wie „Everybody hates me now, so fuck it“, „It never stops, you can’t be everything to everyone“ und „They never told me the failure I was meant to be“ unterstreichen die Botschaft noch einmal eindrucksvoll und zeigen vor allem, dass bei der Misanthropie auch verletzte Gefühle eine Rolle spielen.
Auf den Punkt: „I’m, not, like, you, I, just, fuck, up“
Johnny Cash – Hurt (2003)
Ursprünglich stammt dieser Song von Nine Inch Nails, doch weltweite Berühmtheit erlangt die Nummer erst in der Version von Johnny Cash. Mit seiner brüchigen Baritonstimme singt die Countrylegende 2002 im Alter von 70 Jahren über selbstverletzendes Verhalten und Heroinsucht — mit Worten aus der Feder von Nine-Inch-Nails-Mastermind Trent Reznor. Ob es sich bei dem Text des Stückes um den Abschiedsbrief eines eventuellen Protagonisten handelt oder ob das Lied die Schwierigkeiten beschreibt, die es mit sich bringt, wenn man mit Depressionen leben muss, bleibt bis heute ungeklärt. Doch eins ist sicher: Spätestens wenn Johnny Cash singt „What have I become / My sweetest friend? / Everyone I know / Goes away in the end“, kann man sich der Düsternis von Hurt nicht mehr entziehen.
Auf den Punkt: „I hurt myself today… To see if I still feel“
Metallica – My World (2003)
Als Metallica im April 2001 die Arbeit an ihrem achten Studioalbum St. Anger aufnehmen, wissen die vier Kalifornier noch nicht, was auf sie zukommt — weder künstlerisch noch menschlich. So werden die Sessions kurz nach dem Start wieder unterbrochen, weil Frontmann James Hetfield sich in eine Entzugsklinik begibt und nicht vor 2002 zurückkehrt. Der mentale Prozess, den er in der Klinik durchläuft, spiegelt sich natürlich auch in den Texten des Albums wider. „Mama, why’s it raining in my room? / Cheer up boy! Clouds will move on soon!“, singt er in My World. Auch die Verwirrung im Rahmen einer Therapie bringt er auf den Punkt: „Not only do I not know the answer… / I don’t even know what the question is!“ Es ist vermutlich kein Zufall, dass St. Anger zum wohl wütendsten und aggressivsten Metallica-Album wird.
Auf den Punkt: „God it feels… Like it only rains on me“
Sia – Breathe Me (2004)
Bevor Sia ab 2011 mit Rückendeckung von David Guetta internationale Charts erobert, setzt sie sich eigentlich schon zur Ruhe. Die wachsende Bekanntheit in ihrer Heimat Australien setzt ihr zu, ihre Angststörung gerät außer Kontrolle. Zudem spielen nach dem Unfalltod ihres damaligen Partners Alkohol- und Drogenprobleme eine Rolle. Sia spielt mit dem Gedanken, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Irgendwo dazwischen entsteht Breathe Me, eine eindringliche Ballade über Selbstverletzung und den Missbrauch von Suchtmitteln. Das Ergebnis ist derart stimmungsvoll und eingängig, dass es bis heute in über 30 Filmen und TV-Serien Verwendung findet, darunter Six Feet Under, Verbotene Liebe und Orange Is The New Black.
Auf den Punkt: „Help, I have done it again, I have been here many times before“
Linkin Park – Breaking The Habit (2004)
In der Diskografie von Linkin Park finden sich zahlreiche Stücke, in denen sich Sänger Chester Bennington mit seinen psychischen Krankheiten auseinandersetzt. Ob In The End vom ersten Album oder spätere Werke wie Shadow Of The Day: Man merkt, da rumort es. Bei Breaking The Habit gelingt es ihm, die Wut und Machtlosigkeit einzufangen, die mentale Probleme mit sich bringen können. Zwar schreibt er den Text nicht selbst, trotzdem klingt es, als verspreche er sich selbst, seine schlechten Gewohnheiten zu bekämpfen. „Habit“ bedeutet im englischen Sprachgebrauch zudem so viel wie „Drogenproblem“. Dass Bennington diesen Kampf 2017 frühzeitig selbst beendet, macht einfach nur betroffen.
Auf den Punkt: „I’m picking me apart again“
Elliott Smith – Twilight (2004)
Als im Oktober 2004 das Album From A Basement On The Hill erscheint, liegt der bis heute ungeklärte Tod von Elliott Smith ein knappes Jahr zurück. Ob der Folk-Musiker freiwillig aus dem Leben schied oder nicht; man weiß jedenfalls, dass er Zeit seines Lebens unter Depressionen und Abhängigkeit litt. Für Nicht-Eingeweihte klingt Twilight daher vielleicht nach einer Abfuhr, in der Smith einer möglichen Partnerin erklärt, er sei bereits vergeben. Tatsächlich aber spricht der Singer-Songwriter von der Dunkelheit, die ihn im Griff hat („I’m already somebody’s baby“) und es ihm unmöglich macht, sich auf eine Beziehung einzulassen.
Auf den Punkt: „And if I went with you I’d disappoint you too“
Motion City Soundtrack – L.G. Fuad (2005)
Von der fröhlichen Intonation sollte man sich bei L.G. Fuad nicht blenden lassen: Das Acronym steht nämlich für „let’s get fucked up and die“. Mit beißendem Zynismus kommentieren Motion City Soundtrack hier verpasste Ereignisse und das Gefühl, nicht dazuzugehören. Führt man sich vor Augen, dass Texter und Sänger Justin Pierre während der Aufnahmen zum Album Commit This To Memory einen Rückfall in Sachen Alkoholismus erleidet, ergibt der beinahe manische Sound Sinn. Eine Ode an die Sozialphobie und zeitgleich der Versuch, all diesen komplexen Gefühlen Ausdruck zu verleihen – genau wie das Synthesizer-Riff am Ende des Tracks wissen wir gar nicht, wohin mit uns.
Auf den Punkt: „Yeah, so I’m already dead on the inside, but I can still pretend“
Halsey – Control (2015)
Die US-amerikanische Sängerin Halsey nutzt ihre Popularität schon lange, um auf psychische Erkrankungen aufmerksam zu machen. Ihre eigene bipolare Erkrankung thematisiert Sie unter anderem in Control: Begleitet von einem ruhigen Beat und gespenstischen Sounds erzählt sie vom Kontrollverlust, den eine solche psychische Störung mit sich bringt. Der heftige Wechsel zwischen Depression und Manie führt unumgänglich zu Einsamkeit und Selbsthass, was in den Lyrics eindrucksvoll beschrieben wird.
Auf den Punkt: „I paced around for hours on empty, I jumped at the slightest of sounds / And I couldn’t stand the person inside me, I turned all the mirrors around”
Florence + The Machine – Hunger (2018)
Zur Veröffentlichung ihres Albums High As Hope und der damit verbundenen Single Hunger spricht Florence + The Machine Sängerin Florence Welch 2018 erstmals über ihre Essstörung, unter der sie als Jugendliche litt und von der selbst ihre Familie bis zu diesem Zeitpunkt nichts ahnte: „Meine Schwester sagte: ‚Was tust du da? Geht es dir gut? Du hast darüber selbst mit Mama noch nie gesprochen und jetzt verpackst du das alles in einem Popsong? Was stimmt nicht mit dir?‘“ Der Titel gibt Welch den Anstoß, mit ihrer Familie über die Probleme der Vergangenheit zu sprechen und weiter zu verarbeiten.
„Es ist eines der heimtückischsten Dinge, die man durchleben kann. Ich habe mittlerweile eine gesunde Beziehung zu meinem Körper, mehr als jemals zuvor, aber es hat lange gedauert. Man kann das Verhalten ablegen, aber die Gedanken, die brauchen sehr viel länger.“
Auf den Punkt: „At 17, I started to starve myself, I thought that love was a kind of emptiness”
Lady Gaga – 911 (2020)
Als Lady Gaga im September 2020 das Musikvideo zur ihrer Single 911 veröffentlicht, sind viele Zuschauer*innen erst einmal irritiert. Der farbenprächtige Kurzfilm präsentiert eine ganze Reihe von traumhaft anmutenden Sequenzen, die wenig Sinn zu ergeben scheinen: Gaga mit kaputtem Fahrrad in der Wüste, Gaga als Luftballon, Gaga vermummt im Ganzkörperanzug. So weit, so Gaga. Erst zum Schluss wird die Situation aufgelöst und in die brutale Realität geholt. Wie der Text verrät, geht es in 911 um bipolare Erkrankungen, die Einnahme von Antipsychotika und die damit einhergehenden Nebenwirkungen.
Auf Instagram bringt die Sängerin zusätzliches Licht ins Dunkel: „Dieser Kurzfilm ist sehr persönlich. Er handelt von meinen Erfahrungen mit Mental Health und wie Realität und Traum miteinander verschwimmen können, um uns zu Helden zu machen. Etwas, das einmal mein echtes Leben war, ist nun ein Film. Eine wahre Geschichte, die nun der Vergangenheit angehört. Es ist die Poesie des Schmerzes.“
Auf den Punkt: „Turning up emotional faders, keep repeating self-hating phrases. I have heard enough of these voices, almost like I have no choice.”

Popkultur
Zeitsprung: Am 26.9.2005 starten Volbeat mit „The Strength / The Sound / The Songs“.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 26.9.2005.
von Christof Leim
Es dauert ein bisschen, bis die Welt etwas mit dem neuen Sound anfangen kann, aber irgendwann knallt’s: Mit ihrer eigenständigen Melange aus Metal, Elvis und Groove-Riffs treffen Volbeat am 26. September 2005 auf ihrem Debüt The Strength / The Sound / The Songs einen Nerv…
Hier könnt ihr das Volbeat-Debüt hören:
2001 hat der Frontmann der dänischen Death-Metal-Combo Dominus die Nase voll vom Todesgeprügel und will mehr Rock’n’Roll in seinen Metal bringen. Also gründet Michael Poulsen eine Band, die er nach dem dritten Dominus-Album Vol.Beat von 1997 benennt, auf dem der große Elvis-Fan bereits zaghafte Fifties-Einflüsse untergepflügt hatte: Volbeat sind geboren. (In der Videospielserie Pokémon gibt es ein Wesen gleichen Namens, aber wir dürfen davon ausgehen, dass das so gar nichts mit den Rockern zu tun hat.)
Die eigene Kante zählt
Die ersten Aufnahmen interessieren kaum jemanden, das zweite Demo Beat The Meat verkauft sich dann aber schon vierstellig und wird in den Magazinen Metal Hammer und Heavy oder was!? zum „Demo des Monats“ gekürt. Die großen Plattenfirmen reißen sich jedoch noch nicht um die Kapelle, Volbeat kommen schließlich bei Mascot Records aus den Niederlanden unter, die eigens das Sublabel Rebel Monster gründen – weil, so heißt es, Volbeat nicht so recht zum Rest des Portfolios passen.
Die Rückseite des Albums: So viel freie Haut gibt es auf Poulsens Arme heute nicht mehr.
Und genau liegt der Gag des Quartetts aus Dänemark: Volbeat haben einen eigenen Sound. Die Mischung aus Metal mit Rock’n’Roll und ziemlich speziellem Gesang zwischen Mina Caputo und James Hetfield klingt ungewohnt, aber dafür eigenständig. Das hat was. Die Musik klingt fett, dröhnt tief und fährt einen guten Groove auf. Das erinnert nicht selten an die frühen Life Of Agony mit mehr Black Sabbath als Hardcore. Vor allem aber die Stimme, die Gesangslinien und die vokale Rhythmik von Michael Poulsen geben dem Ganzen einen eigenen Charakter – und der ist in einem stilistisch stagnierenden Genre Gold wert.
Viel Elvis
Das Debütalbum entsteht im Sommer 2004 in anderthalb Wochen in den Hansen Studios im dänischen Ribe unter der Aufsicht von Jacob Hansen, der zum Stammproduzent der Band werden wird. Zur Mannschaft gehören damals neben Gitarrist, Sänger und Hauptsongwriter Poulsen noch die beiden Ex-Dominus-Mitstreiter Bassist Anders Kjølholm und Gitarrist Franz „Hellboss“ Gottschalk sowie (bis heute) Schlagzeuger Jon Larsen. Ein doch ungewohnt aussehendes Bandfoto von damals findet sich hier.
Die Scheibe trägt den unhandlichen, aber eigenständigen Titel The Strength / The Sound / The Songs und bietet ein paar frühe Bandschätzchen, etwa Pool Of Booze Booze Booza, das sich heute noch auf vielen Volbeat-Setlisten findet, daneben Caroline Leaving und Soulweeper. In Caroline #1 zitiert Poulsen ausschließlich Elvis-Presley-Songtitel, zum Cover des Dusty-Springfield-Klopfers I Only Wanna Be With You dreht die Combo ein Video. Auch die Grundlage für eine Fortsetzungsgeschichte findet sich hier: Fire Song und Danny & Lucy (11pm) stellen ein Liebespaar vor, dessen Schicksal auf späteren Alben weitererzählt wird.
Durchmarsch
Damit treffen Volbeat einen Nerv: Die Platte klettert auf Platz 18 der dänischen Charts, was damals kaum eine einheimische Krachkapelle schafft. Bei den Danish Metal Awards wird das Album als bestes Debüt 2005 ausgezeichnet, das deutsche Rock Hard zückt die Höchstnote 10 von 10. Nur folgerichtig spielt die Band im folgenden Sommer am 4. Juni 2006 auf dem Rock Hard Festival ihr erstes Deutschlandkonzert. Die erste Clubshow passiert am 1. September im Headbanger’s Ballroom in Hamburg.
Fortan gastieren Volbeat oft hierzulande und spielen sich generell den Arsch ab. Da werden ganz klassisch Tausende Kilometer im Van geschrubbt, dass es nur so eine Art hat. Das scheint sich rumzusprechen, denn der Name des Quartetts taucht immer öfter auf, eine Fanbase bildet sich, die zweite Scheibe Rock The Rebel / Metal The Devil erscheint 2007, und von da an geht es ab: Platz eins in Dänemark, Shows in ganz Europa, zwei Platten später springt auch Nordamerika auf die Truppe an. Heute gehören Volbeat weltweit zu den großen Rockbands. Mit The Strength / The Sound / The Songs fing der Spaß an.
Zeitsprung: Am 9.8.1994 lassen Machine Head ihr Debüt „Burn My Eyes“ los.
Popkultur
„Electric Warrior“ von T. Rex: Das erste Glamrock-Album in der Rückschau
„Glamrock starts here“ — So oder so ähnlich könnte sich ein Aufkleber auf dem fünften T. Rex-Album Electric Warrior lesen. Damals wagten Marc Bolan und seine Band einen Neuanfang und revolutionierten den Rock. Vor allem ein Song verhalf der Gruppe zu weltweitem Erfolg — auch jenseits des großen Teichs.
von Timon Menge
Hier könnt ihr euch Electric Warrior von T. Rex anhören:
Jedes Genre hat seine Türöffner, seine Meilensteine, seine großen, großen Platten. Im Eingangsbereich der Glamrock-Ruhmeshalle prangt vor allem ein Album: Electric Warrior von T. Rex. Hieß die Gruppe von 1968 bis 1970 noch Tyrannosaurus Rex und bewegte sich vor allem im Folk, krempelte Bandleader Marc Bolan sein Baby zu Beginn der Siebziger um, änderte den Namen in T. Rex und schlug rockigere, elektrisch verstärkte Wege ein. Die Herr der Ringe-beeinflussten Schmusetöne gehörten fortan der Vergangenheit an. Besonders sichtbar wurde das bei einem Fernsehauftritt, der auch als Startschuss des Glamrock bezeichnet wird.
Electric Warrior: Das prägende Werk des Glamrock
Selten lässt sich die Grundsteinlegung einer Musikrichtung auf nur einen Moment reduzieren. Das funktioniert auch im Glamrock nicht, doch wer den Top Of The Pops-Auftritt von Marc Bolan und T. Rex am 25. März 1971 als ersten Glamrock-Gig aller Zeiten bezeichnet, liegt damit schonmal nicht daneben. So tritt Bolan an jenem Abend in einem schimmernden Satin-Anzug vor das Publikum und hat sich unter einem Auge mit goldfarbenem Glitter verhübscht. Das hatte sich vorher noch niemand getraut, noch nicht einmal Bowie. Mit dem Auftritt weist Bolan einer Jugend den Weg, die Geschlechterklischees für antiquiert hält. Wenig später legt er das passende Album nach.
Schon die ersten Töne von Electric Warrior verdeutlichen: Im Hause T. Rex weht jetzt ein anderer Wind. In Mambo Sun singt Bolan auf seine einzigartige Weise über ein lockeres E-Gitarrenriff, vielleicht, um seine Hörerschaft langsam an den neuen Stil heranzuführen. Anschließend folgt die Ballade Cosmic Dancer, einer der schönsten Songs der Rockgeschichte. Auf’s Gaspedal tritt Bolan erst danach, und zwar mit Jeepster. So klingen T. Rex nun: rockig, exzentrisch, poppig. Doch das war noch längst nicht alles. Den großartigsten Song von Electric Warrior hatten T. Rex bereits als Vorab-Single veröffentlicht. Mit Get It On soll die Gruppe ihren mit Abstand größten Erfolg feiern.
Get It On: Der Erfolgskatalysator für Electric Warrior
„Get it on / Bang a gong / Get it on“ — eine Textzeile, große Wirkung. Nicht nur, dass Electric Warrior durch Get It On auf Nummer eins der britischen Albumcharts landet und zum meistverkauften Album des Jahres 1971 wird. Nein, mit dem Song landen Marc Bolan und T. Rex auch ihren einzigen Hit in Nordamerika. Die Nummer steigt nämlich in die Top Ten der US-Singlecharts ein, was den Briten nachher nie wieder gelingt. Der Erfolg in den Staaten passt, denn auch einige Ideen für Get It On entstehen in den USA. Als T. Rex im März 1971 in New York City gastieren, bittet Bolan den Schlagzeuger Bill Legend um ein wenig Hilfe bei einer neuen Komposition: der Urfassung von Get It On.
Schon als Electric Warrior am 24. September 1971 erscheint, lösen T. Rex damit Begeisterungsstürme aus. Doch auch im Nachgang können die Briten um Bolan mit ihrem fünften Album überzeugen. Bis heute gilt die Platte als Meilenstein des Glamrock, wenn nicht als allererste Platte des Genres. Einen weiteren Mega-Erfolg landen T. Rex 1972 mit ihrer sechsten Veröffentlichung The Slider; 1973 folgt Tanx. Es ist die Phase, in der Marc Bolan die Welt gehört. Ab 1974 verliert er an Relevanz und rückt in den Hintergrund. 1977 stirbt er bei einem tragischen Autounfall. In unseren Herzen wird der „Electric Warrior“ ewig weiterleben.
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Popkultur
Zeitsprung: Am 25.9.1965 bekommen die Beatles ihre eigene Zeichentrickserie.
Anekdoten, Jubiläen und wilde Geschichten: Was an diesem Tag in der Welt der Musik passiert ist, lest ihr täglich in unserem Zeitsprung. Heute: 25.9.1965.
von Timon Menge und Christof Leim
Mitte der Sechziger gehört den Beatles bereits die Welt. Überall verkaufen John, Paul, George und Ringo Platten ohne Ende, deshalb soll der sagenhafte Erfolg der „Fab Four“ auch auf das Fernsehen ausgeweitet werden. Am 25. September 1965 flimmert zum ersten Mal die Cartoon-Serie The Beatles über die Mattscheiben.
Hier könnt ihr euch die bekanntesten Songs der Beatles anhören:
Wenn man sich die Beatles als Zeichentrickfiguren vorstellt, denkt man vor allem an den legendären Kinostreifen Yellow Submarine. Drei Jahre zuvor läuft allerdings bereits The Beatles an; ein Cartoon im Samstagmorgenprogramm des US-Fernsehsenders ABC. Wenig überraschend: Die Serie fährt aus dem Stand sagenhafte Erfolge ein.
Die Musiker zeigen wenig Begeisterung
Hierbei erleben die gezeichneten Versionen von John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr frei erfundene, 30-minütige Abenteuer, die mit der Musik der vier Briten untermalt werden. Die Synchronstimmen stammen nicht etwa von der Band selbst, sondern von Paul Frees (John Lennon, George Harrison) und Lance Percival (Paul McCartney, Ringo Starr).
39 Episoden werden von 1965 bis 1967 gesendet. Zum ersten Mal handeln Zeichentrickfilmchen von Menschen, die tatsächlich existieren. Das Buch Beatletoons: The Real Story Behind The Cartoon Beatles analysiert die Serie; hier wird erzählt, dass die „Fab Four“ ihre animierten Alter Egos zu Beginn schrecklich finden, sich über die Jahre aber damit anfreunden. „Ich habe immer noch großen Spaß daran, mir die Beatles-Cartoons anzuschauen“, beichtet John Lennon 1972.
„So dumm und schlecht, dass sie schon wieder gut waren.“
1980 und 1987 läuft The Beatles (der Cartoon) noch einmal auf MTV, später strahlt der Disney Channel die Serie ein weiteres Mal aus. „Ich mochte die Cartoons irgendwie“, sagt George Harrison 1999. „Die waren so dumm und schlecht, dass sie schon wieder gut waren, wenn Sie wissen, was ich meine. Und ich glaube, dass die Serie mit dem Alter besser geworden ist.“
Die Produktion der Reihe hatte neben einem Herren namens Al Brodax auch ein gewisser George Dunning übernommen. Und den kennen wir doch von irgendwoher? Genau. Drei Jahre später fungiert er als Regisseur und Produzent für Yellow Submarine. Al Brodax gehört hier ebenfalls wieder zum Team, diesmal als Drehbuchautor. Doch diese Geschichte erzählen wir in einem anderen Zeitsprung.
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